4. Oktober 2014

Evakuierung 1944-1945: Unterwegs in Ungarn

Ab Mitte September 1944 waren 95 Prozent der Nordsiebenbürger Sachsen im Treck, mit Militärlastwägen, mit der Eisenbahn unterwegs durch Nordwestsiebenbürgen und Ungarn Richtung Österreich. Auswahl der Texte: Horst Göbbel.
Dr. Viktor Gondosch aus Bistritz schreibt 1952: „Mütter mit Kleinkindern wurden über Anordnung in Güterwagen zum Transport einem Lazarettzug angeschlossen, wo auch meine Frau mit meiner jüngsten Tochter und ihren beiden Knaben im Alter von 2 Jahren und 4 Wochen dabei waren. Der Andrang der Evakuierten war groß, dauernd kamen noch Menschen dazu. Der Zug fuhr auf einer Seitenlinie auf unterminierter Strecke, unterwegs kamen noch 4 flüchtende russische Gefangene hinzu, so dass also 26 Personen ohne Verpflegung im Güterzug waren. Bei Szatmár Németi waren schwere Luftangriffe.“

Im Tagebuch von Pfarrer i. R. Prof. Friedrich Krauß aus Bistritz heißt es: „1. Oktober (Sonntag): 10.15 Uhr hielt ich einen Feldgottesdienst über den 18. Psalm, Vers 3: ‚Herr, mein Fels, meine Burg, mein Erretter...‘ Viele Zuhörer, auch deutsche Soldaten, standen dort; gesungen wurde: ‚Ein feste Burg ist unser Gott ...‘ und ‚Lass mich Dein sein und bleiben ...‘ Mittagessen aus der Wehrmachtsküche; Verpflegung an mitfahrende SS-Leute auf 3 Tage. - 2. Oktober (Montag): Bahnhof Királyháza: Landsmann Kluschnik unterhält die Leute mit Kartenkunststücken und Hypnose.“

Maria Göbbel aus Jaad schreibt 1986: „In unserem Waggon waren acht schwangere Frauen mit ihren Kindern. In der Nacht breiteten wir uns das Stroh aus, eine Decke drauf, das war unser Bett. Früh morgens wurde alles aufgeräumt, alle saßen am Boden, Stühle gab es ja keine. Am 2. Oktober 1944, 9 Uhr früh, eine Woche nach dem Tod meiner Schwiegermutter, habe ich im Waggon in einer Ecke auf Stroh ein Mädchen und einen Jungen geboren. Die Tochter der Hebamme brachte von der Lokomotive warmes Wasser. Damit wurden die Zwillinge ein wenig gewaschen und dann angezogen. Wir befanden uns in Ofeherto. Die Hebamme fragte mich, wie sollen die Kinder heißen? Ich dachte lange nach, dann sagte ich Horst und Erika. In der Nacht zum 3. Oktober ging es dann wieder weiter bis Nyiregyháza, wo wir dann fünf Tage lang auf einem toten Gleis warteten. Am Tag vorher hatte es dort Bombenangriffe gegeben, wir sahen noch die Bombentrichter.“

Schlagwörter: Zeitzeugen, Evakuierung, Nordsiebenbürgen

Bewerten:

7 Bewertungen: ++

Noch keine Kommmentare zum Artikel.

Zum Kommentieren loggen Sie sich bitte in dem LogIn-Feld oben ein oder registrieren Sie sich. Die Kommentarfunktion ist nur für registrierte Premiumbenutzer (Verbandsmitglieder) freigeschaltet.