13. November 2014

Stimmungswandel zugunsten Siebenbürgens

Die Tagung „Wege der Zusammenarbeit zwischen den ausgewanderten Siebenbürger Sachsen und den Heimatgemeinden: Kommunalverwaltung, Kirche und Diakonie, Forum“ fand vom 31. Oktober bis 2. November in Bad Kissingen statt. Dazu hatte die Bildungs- und Begegnungsstätte „Der Heiligenhof“ zusammen mit dem Verband Siebenbürgisch-Sächsischer Heimatortsgemeinschaften eingeladen. Das große Interesse, 110 Teilnehmer, davon allein 15 aus Siebenbürgen, bescherte Studienleiter Gustav Binder und dem „Heiligenhof“ ein volles Haus. Die Einsicht, dass die menschlichen Kräfte abnehmen, hat in den letzten Jahren zu einer wesentlich besseren Stimmung und Effizienz in der Zusammenarbeit geführt. Das herausragende Beispiel Bistritz und viele andere Projekte verdeutlichen: Das Bekenntnis zum siebenbürgisch-sächsischen Kulturerbe, das Verständnis füreinander und der gemeinsame Einsatz zugunsten der Menschen führen zum Erfolg. Die Tagungsteilnehmer zeigten eine große Offenheit und Entschlossenheit, die schwierigen Aufgaben in Siebenbürgen gemeinsam zu schultern.
„Was geschieht mit den Dörfern, in denen kaum noch Siebenbürger Sachsen leben?“, fragte Martin Bottesch, Vorsitzender des Siebenbürgenforums, in seinem Grußwort. Das Deutsche Forum sei vor 25 Jahren gegründet worden und verfolge heute die gleichen Ziele wie damals, aber unter anderen Umständen: Von 120000 Deutschen seien nur noch knapp 40000 in Rumänien geblieben. „Deshalb haben wir eingesehen, wie wichtig die Heimatortsgemeinschaften sind.“ Aufgrund seiner Erfahrung als Hermannstädter Kreisratsvorsitzender 2004-2012 sprach Bottesch über die Möglichkeiten der Zusammenarbeit zwischen den HOGs und den lokalpolitischen Verwaltungen. Er lobte die Stadt Bistritz als Vorbild, was die Klarheit des Bekenntnisses und die Unterstützung für das siebenbürgisch-sächsische Kulturerbe betrifft. Bottesch empfahl den HOG-Vertretern, ihre Vorhaben der kommunalen Verwaltung bekannt zu machen, um Wohlwollen zu erzielen. Die politischen Gemeinden könnten beispielsweise Mittel für in Rumänien anerkannte Kirchen gemäß Regierungsverordnung 82/2001 (novelliert 2013) bereitstellen. Beim Erhalt der vielen Baudenkmäler, die in kirchlichem Besitz seien, komme den lokalen Initiativen und vor allem den HOGs eine besondere Rolle zu.

Auch für die Kirche sei die Zusammenarbeit mit den Heimatortsgemeinschaften sehr wichtig, betonte Landeskirchenkurator Friedrich Philippi. „Viele von Ihnen, die HOG-Vorsitzenden sind, wären heute Kuratoren in Ihren Gemeinden“, gab er zu bedenken. 80 HOG-Treffen in Deutschland und 14 Heimattreffen in Siebenbürgen hätten in diesem Jahr stattgefunden, stellte Friedrich Philippi fest. Zu jedem HOG-Treffen, das auf diese Weise bekannt werde, schreibt Bischof Reinhart Guib ein Grußwort. In seinem Vortrag bot Philippi eine Übersicht der vielseitigen diakonischen Einrichtungen, Altenheime, Pflegeneste, Aktionen „Essen auf Rädern“, die in der Kirche auf Landes-, Bezirks- und Gemeindeebene funktionieren. Er dankte den vielen Helfern und Spendern, dem Sozialwerk und Heimatortsgemeinschaften, die vielen ein menschenwürdiges Leben ermöglichten. „Durch diesen Dienst am Nächsten bleibt unsere Kirche glaubwürdig“, betonte der ehemalige Gymnasiallehrer.

Ein Grußwort des Bundesvorsitzenden des Verbandes der Siebenbürger Sachsen, Dr. Bernd Fabritius, übermittelte Doris Hutter, Stellvertretende Bundesvorsitzende. Fabritius ermunterte die Tagungsteilnehmer, „bei der Suche nach Wegen der Zusammenarbeit nicht nur die verschiedenen Ebenen wie Diakonie und Politik, wie HOG und Landsmannschaft im Blick zu haben, sondern auch ganz bewusst neue Wege der Zusammenarbeit auszuloten“. Nach etlichen Jahren der Entfremdung gegenüber ihrer siebenbürgischen Heimat sei ein umgekehrter Prozess festzustellen: Viele Siebenbürger Sachsen in Deutschland wenden sich nun bewusst ihren Wurzeln zu.
Die Teilnehmer der Tagung „Wege der ...
Die Teilnehmer der Tagung „Wege der Zusammenarbeit“ in Bad Kissingen. Foto: Udo Buhn
Hans Gärtner, Vorsitzender des HOG-Verbandes, der zusammen mit dem stellvertretenden Vorsitzenden Heinz Hermann die Tagungsleitung inne hatte, bestätigte, dass man auf „gleicher Augenhöhe“ miteinander spreche, denn „es gebe nur ein einziges Wir und einen einzigen Siebenbürger Sachsen“. Die evangelische Kirche habe für 2014 das „Jahr der Diakonie“ ausgerufen. Dieses Thema werde auch für uns immer akuter, die Leute würden älter und bedürften unserer Unterstützung.

„Was die Menschen wirklich wollen“, präsentierte Pfarrer Dr. Stefan Cosoroabă, Referent für institutionelle Kooperation der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien (EKR), anhand einer Umfrage, die das IRSOP-Forschungsinstitut im letzten Jahr unter den Mitgliedern der EKR und den rumänischen Mitbewohnern durchgeführt hatte. Die 12984 Mitglieder weisen einen hohen Bildungsgrad auf, identifizieren sich in hohem Maße mit ihrer Kirche, den Gottesdiensten, Pfarrern, und wollen zu 83 Prozent die sächsischen Traditionen in Stadt und Dorf erhalten, trotz altersbedingter Beschwernisse oder Einsamkeit. 92 Prozent der Befragten erwarten von der Kirche, dass sie die deutschsprachigen Schulen unterstützt, und ebenso viele wollen, dass Kontakt zu den Landsleuten in Deutschland gepflegt wird. Aufgrund der Umfrage empfiehlt IRSOP, institutionelle Mittel und Strategien zu entwickeln, um die evangelischen Gemeinden besser zu betreuen und eine Anpassung an das Leben der rumänischen Gesamtgesellschaft zu gewährleisten.

Eine neue Möglichkeit, die Kirche zu unterstützen, steht den ausgewanderten Siebenbürger Sachsen durch die Sonder- oder Vollmitgliedschaft in ihren früheren Kirchengemeinden offen. Die Jahresbeiträge seien gering, viel wichtiger sei jedoch der moralische und persönliche Einsatz für die Kirchgemeinde, betonte Friedrich Gunesch, Hauptanwalt der Landeskirche: „Wir wollen Leute vor Ort einbinden, in die Pflicht nehmen, deshalb sollten Anträge auf Mitgliedschaft grundsätzlich persönlich vor Ort gestellt werden.“ Die HOG-Vertreter wollen die Informationen über die Zweitmitgliedschaft in der Heimatkirche in einer einfachen, verständlichen Form unter ihren Landsleuten verbreiten.

Ortwin Hellmann, Leiter des Altenheims in der Blumenau und Kronstädter Bezirkskirchenkurator, berichtete über die Alten- und Hospizarbeit in Siebenbürgen und speziell in Kronstadt. Das Altenheim Blumenau bietet seinen Heimbewohnern heute, ähnlich wie das Carl-Wolff-Altenheim in Hermannstadt, einen westlichen Standard. Dafür ist ein erheblicher Einsatz der Verwaltung und des Personals nötig, wie Hellmann ausführte.

Dr. Johann Kremer, Forstwissenschaftler und Vorsitzender des Sozialwerks der Siebenbürger Sachsen, zeigte in seinem Vortrag „Helft uns helfen“ die Aufgaben und Möglichkeiten der vielfältigen sozialen Hilfen für Siebenbürgen auf. Er berichtete über die Leistungen des Sozialwerks und die sehr gute Zusammenarbeit mit der Saxonia Stiftung. Zudem seien Fortbildungskurse angedacht, um das vorhandene Vermögen der Kirchengemeinden besser zu verwalten.

Sonntag, den 2. November, leitete Pfarrer Klaus Untch (Hermannstadt) mit einer Andacht zum Reformationsfest ein. Die Botschaft der Reformation sei Anlass zur Freude. Erfreulich sei auch, dass in den letzten Jahren so viele Hürden zwischen den Siebenbürger Sachsen weggefallen seien. „Die Tatsache, dass wir Sie mitbegleiten dürfen, macht uns Hoffnung“, sagte Untch.

Philipp Harfmann (Hermannstadt) stellte die Stiftung Kirchenburgen der Evangelischen Kirche in Rumänien A.B. vor. Sie wurde in diesem Jahr gegründet, um die Effizienz beim Erhalt und Pflege des kirchlichen Kulturerbes zu verbessern, zum Beispiel durch Projektmitteleinwerbung und Öffentlichkeitsarbeit. Die Doppelschirmherrschaft der Staatspräsidenten Rumäniens und Deutschlands sei ein Novum für beide Länder. Die Organisation der Stiftung Kirchenburgen ist präzise durchdacht: das Kuratorium überwacht die Tätigkeiten, der Vorstand trifft Entscheidungen, das Stiftungsbüro, in das die bisherige Leitstelle Kirchenburg einfließen wird, leistet die eigentliche Arbeit, unterstützt von einem wissenschaftlichen Beirat sowie einem Freundes- und Förderkreis, der nach deutschen Recht gegründet werden soll. Friedrich Gunesch bezeichnete die Stiftung Kirchenburgen als eines der wichtigsten Vorhaben der Landeskirche, die ihre Arbeit zum Erhalt des Kulturerbes auf diese Weise fortsetzen wird.

Hans Gärtner betonte: „Wir sollten diese Stiftung zu unserer Stiftung machen, damit wir das Kulturerbe erhalten können.“ Er kündigte an, dass sich die Heimatortsgemeinschaften im Förderkreis einbringen werden.

Praktische Modelle der Zusammenarbeit wurden aus Heltau und Zeiden präsentiert. Die Heltauer Lehrerin Margot Kezdi sprach über die „geschwisterliche Zusammenarbeit“ der HOG Heltau und der Kirchengemeinde. So werden Menschen durch seelsorgerischen Beistand, medizinische oder finanzielle Hilfen bestens betreut. Die HOG sei ein stets offener und hilfsbereiter Partner. So konnte die Krankenschwester Maria Cândea bei der Diakonie in Hermannstadt angestellt werden, eine Stelle, die von der HOG Heltau. Frau Cândea berichtete über ihre ambulante Hilfe und Hausbesuche, die sie täglich durchführt. Ihr Einsatz zeugt von einer hohen menschlichen Qualität.

Heinz Walter Hermann, Vorsitzender der HOG Heltau, betonte: „Wir wollen nicht nur Steine, sondern auch eine lebendige Gemeinde erhalten.“ Das „Heltauer Modell“ besteht darin, dass in Heltau die Kindertanzgruppe, der Kinderchor, die Kirchengemeinde vieles mit Leben füllen, und dass die HOG Heltau sie dabei unterstützt. Auch die politische Gemeinde fördert die Kulturarbeit der Kirchengemeinde; der Stellvertretende Bürgermeister Johann Krech ist gleichzeitig Kurator der Kirchengemeinde.

Pfarrer Andreas Hartig und Rainer Lehni, Vorsitzender der Zeidner Nachbarschaft in Deutschland, berichteten über die Zusammenarbeit der Zeidner von hüben und drüben. Größtes Projekt sei die fünfjährige Sanierung der Prause-Orgel, die Anfang August 2014 bei der vierten Zeidner Begegnung eingeweiht wurde. Die Siebenbürger Sachsen finden ein offenes Ohr beim Bürgermeisteramt; so empfing Bürgermeister Cătălin George Muntean den Vorstand der Zeidner Nachbarschaft zu einem Gespräch.

Auch in Arbeitsgruppen wurden, nach Kirchenbezirken, Wege der Zusammenarbeit ausgelotet. Dabei wurde festgestellt, dass schon seit Jahren vieles geschieht, bei der Renovierung von Kirchen, Pfarrhäusern und anderen Gemeinschaftsbauten, der Friedhofspflege, der humanitären Hilfe für Landsleute, aber auch neue Wege wie die Sicherung der Kirchenarchive, Veranstaltung von Jugendbegegnungen, Reisen oder Heimattreffen sind möglich. Günter Czernetzky (Schäßburg) regte an, innovative Wege zu gehen, um älteren Landsleuten aus Deutschland zu ermöglichen, ihren Lebensabend in gemeinschaftlichen Einrichtungen und Altenheimen in Siebenbürgen zu verbringen.

Horst Göbbel (HOG Bistritz-Nösen) berichtete über die Gedenkveranstaltungen 70 Jahre nach der Flucht und Evakuierung, die Einweihung eines Denkmals in Bistritz und die Städtepartnerschaft zwischen Wels und Bistritz. Die Zusammenarbeit mit der Stadt und Bürgermeister Ovidiu Crețu bezeichnete Göbbel als „Gottesgeschenk“. „Wir hoffen, dass es Schule macht.“

Über die sehr gelungene Veranstaltung freute sich Studienleiter Gustav Binder, der abermals für beste Rahmenbedingungen gesorgt hatte. Die Tagung, die vom Bundesministerium des Inneren gefördert wurde, sei eine gute Möglichkeit, den politischen Dialog und die Zivilgesellschaft zu stärken.

Siegbert Bruss



Fotos: Tagung über Wege der Zusammenarbeit

Schlagwörter: Tagung, Bad Kissingen, HOG, Kirche, Siebenbürgen

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