3. Dezember 2014

Doris Hutter las als „Dichterin“ wider den tierischen Ernst in Bukarest

„Humor ist, wenn man trotzdem lacht“, zitiert Doris Hutter das bekannte Sprichwort. „Und deutscher Humor ist, wenn man trotzdem nicht lacht, meint Sigismund von Radecki“, führt sie am 14. November in ihre Lesung ein. Die anfangs vereinzelten, sich bald bis zum saalfüllenden Brüller steigernden Reaktionen des Publikums strafen die aus Siebenbürgen stammende, in Nürnberg lebende Autorin, Lehrerin, Stellvertretende Bundesvorsitzende des Verbandes der Siebenbürger Sachsen in Deutschland, Vorstandsmitglied der HOG Agnetheln und begeisterte Urzelläuferin Lügen.
Sächsischer Humor ist, wenn man sich in Zwerchfellkrämpfen windet. Unerwartet? Gewiss, vor allem für eine Veranstaltung in der Residenz des deutschen Botschafters in Bukarest. Und wohl auch für diesen, denn Botschafter Werner Hans Lauk erklärt, wie er auf die Idee mit der Lesung gekommen ist: Beim Heimattag der Siebenbürger Sachsen zu Pfingsten 2014 in Dinkelsbühl war ihm ein Faltblatt in die Hände gekommen: „Humor bei den Siebenbürger Sachsen“. „Da muss ich hin!“, schoss es ihm durch den Kopf. Am Tag davor las Doris Hutter in der Kanzlei der Deutschen Botschaft in Bukarest vor Studenten und Schülern, darunter eine Schulklasse des Deutschen Goethe-Kollegs Bukarest.

Doris Hutter in Bukarest, die Schärpe wurde ihr ...
Doris Hutter in Bukarest, die Schärpe wurde ihr als „Ritterin wider den tierischen Ernst“ 2009 verliehen. Foto: Nina May
Als Poetin will die Mundartautorin, die dank ihrer moselfränkischen Vorfahren zu Hause „ein wenig wie Walther von der Vogelweide spricht“, nicht vorgestellt werden. Gelegenheitsgedichte nennt sie ihre Palette an humorigen Versen, eine Mischung aus Anekdoten und Lebenserinnerungen mit vorwiegend siebenbürgisch-sächsischem Hintergrund. Titel wie „Winnetou in Großpold“, „Der Tschiripik“ (eine Version des rumänischen „șmecher“, wie sie sagt) oder „Das Heimwehzimmer“ machten schon im Programmheft neugierig. Letzteres ist übrigens nicht, wie man meinen möchte, eine Art Museumszimmer voller folkloristischer Erinnerungen, sondern vielmehr ein Raum, in dem heimwehgeplagte Auswanderer schnelle Heilung erfahren: Es ist leer, verrät Doris Hutter – bis auf ein Bild von Ceaușescu: Doch „sein Anblick gleich erfüllt den Zweck, das Heimweh war auf einmal weg!“

Auch die Eigenheiten der Siebenbürger Sachsen nimmt sie humorvoll-spöttisch aufs Korn, etwa in der Geschichte von dem Galgen für zwei Dörfer. Weil das eine Dorf keinen Galgen hatte, sah man sich gezwungen, gelegentlich jemanden im Nachbarort aufzuknüpfen, bis es den Dortigen zu bunt wurde. Man solle sich gefälligst einen eigenen Galgen anschaffen, teilte man schriftlich mit, denn dieser sei „für uns, unsere Kinder und Kindeskinder!“.

Auch mit selbstironischen Reflexionen spart die aus Agnetheln stammende Mathematiklehrerin, die 1989 mit drei Kindern nach DEutschland zog, nicht. „In der Sonne – aber geblendet“ suchte sie dort ihr neues Glück. Für die aus dem kommunistischen Rumänien kommende, im Schlangenstehen traumatisierte und an Hamsterkäufe gewohnte Auswanderin äußerte sich dieses in vielen Formen – „einmal im Kauf von gleich vier Packungen Klopapier“. Und natürlich musste man auch all das unbekannte Neue entdecken: „Coffee To Go“ – nicht etwa eine Spezialität aus Togo. „Das Land von Goethe zu finden war schwer“, gesteht Doris Hutter. Mit Humor gelingt es leichter.
Doris Hutter mit einer Schulklasse des Deutschen ...
Doris Hutter mit einer Schulklasse des Deutschen Goethe-Kollegs Bukarest.
Heute ist die Wahl-Nürnbergerin als Verfasserin mehrerer Theaterstücke bekannt und hat ein Theater für Jugendliche mit Wurzeln in Siebenbürgen gegründet, um unter diesen Gemeinschaftsgefühl und Verständnis für die alte Heimat zu fördern. Darüber hinaus ist es ihr sogar gelungen, die deutsche Fastnachtshochburg mit einem sächsischen Brauch aus Agnetheln zu bereichern: dem Urzellauf! Kein Wunder, dass die peitschenknallende Verse-Spötterin im Urzelkostüm in Rottweil 2009 als erste siebenbürgische Ritterin wider den tierischen Ernst mit dem Titel „Muse um und von der Steinburg“ ausgezeichnet wurde.

Weil es nun nicht fair wäre, ganz ohne Kostprobe zu schließen, sei hier sinngemäß das „Die Lehre“ von Doris Hutter wiedergegeben: Der Hans hatte eine Eigenschaft, die den anderen Jungen missfiel. Seine Wurst aß er ganz schnell und bettelte dann bei diesem und jenem Kameraden um ein kleines Stückchen. So schaffte er es stets, sich richtig satt zu essen. Irgendwann beschlossen die anderen, ihm eine Lehre zu erteilen. Heimlich stibitzten sie ihm seine Wurst aus dem Papier und wickelten stattdessen eine „Hundewurst“ hinein. Als erwartungsvoll die Stunde der Mahlzeit kam, löffelten die Freunde bereits ihre Suppe, nur der Hans saß still dabei und rauchte bloß. Bis es einer der Jungen nicht mehr aushielt und fragte: „Hans, willst du denn heute gar nicht essen?“ Darauf dieser, rauchend: „Was ich gerade erlebt habe, gibt mir sehr zu denken! Stellt euch vor: Weil meine Wurst so kalt war, habe ich sie in eurer Suppe nur ein wenig aufwärmen wollen. Dabei bin ich eingedöst. Und als ich sie wieder herausnehmen wollte – hatte sie sich vollständig aufgelöst!“

Der nicht enden wollenden Lachsalve folgt das Gedicht „Mallorca“, für das der Botschafter besonders herzlich dankt. Die Überleitung zum Empfang wäre ihm nach der vorangegangenen Geschichte etwas schwer gefallen ...

Nina May

Schlagwörter: Lesung, Bukarest, Humor, deutsch-rumänische Beziehungen, Foederatio Saxonica Transsilvana

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