27. Januar 2015

Ingrid Gündisch inszeniert in Freiburg Bernhard-Stück

Die siebenbürgische Theaterregisseurin Ingrid Gündisch inszeniert am Wallgraben Theater in Freiburg das Stück „Am Ziel“ des österreichischen Schriftstellers Thomas Bernhard (1931-1989). Premiere ist am Samstag, den 7. Februar, um 20 Uhr.
Das bei den Salzburger Festspielen 1981 unter der Regie von Claus Peymann mit Marianne Hoppe in der Hauptrolle uraufgeführte, in einer Dreierkonstellation aus Mutter, Tochter und Dichter konzipierte Bühnenstück handelt von der Identitätskrise einer Mutter, von unbereinigten familiären Konflikten, einer spannungsgeladenen Mutter-Tochter-Beziehung, es setzt sich darüber hinaus mit der Rolle des Theaters und seiner Kraft zur Veränderung auseinander. "Am Ziel" bietet tiradenhafte Bernhardsche Monologe von bitterem Zynismus ebenso wie anregende gesellschaftskritische Theorie-Debatte, forciert vom dramatischen Dichter (alias Thomas Bernhard) als Vertreter der antiautoritär gesinnten 68er-Generation. Die äußere Rahmenhandlung ist eine Reise von Mutter und Tochter zum Ferienhaus am Meer. Der zur Mitreise eingeladene Schriftsteller bemüht sich indes um Nähe zur Tochter.

Die in Hamburg lebende Regisseurin Ingrid Gündisch (1977 in Bukarest geboren, Tochter der siebenbürgischen Schriftstellerin Karin Gündisch) antwortet auf die Frage, was sie an diesem Stück des Büchner-Preisträgers Thomas Bernhard besonders reize bzw. herausfordere:
Theaterregisseurin Ingrid Gündisch ...
Theaterregisseurin Ingrid Gündisch
„Tochter und Mutter verbindet in Hassliebe eine starke, fast körperliche Abhängigkeit mit eingeübten Quälritualen. Die Tochter verharrt in einer selbstverschuldeten Unselbstständigkeit, provoziert durch die Egomanie der Mutter. Selbst der gefeierte Dichter wird in die Unmündigkeit gedrängt, weil er finanziell von Gönnern abhängig ist. Die drei scheitern an ihrer eigenen Unzulänglichkeit. Der Mensch scheitert an sich selbst.“ Gleichsam paradigmatisch würden hier dem Publikum Unmündigkeit, Unfreiheit, Abhängigkeit vorgeführt, erläutert Gündisch gegenüber der SbZ-Redaktion, woraus sich - in der Lesart der Regisseurin - wichtige Impulse für den Zuschauer ergeben könnten: „Er möge in seinem eigenen Leben wachsam sein und die Sprachlosigkeit und Unfreiheit durchbrechen. Er möge sich von seinen Strichlisten und Zukunftsplänen nicht einengen lassen. Er möge sich befreien, von äußeren und inneren Zwängen.“

Aufführungsplakat zu Ingrid Gündischs ...
Aufführungsplakat zu Ingrid Gündischs Inszenierung von „Am Ziel“ am Wallgraben Theater in Freiburg
Das Ziel fortlaufend vor Augen, droht das Leben aus dem Blick zu geraten. In diese Richtung formuliert Ingrid Gündisch, assoziativ zu „Am Ziel“, ihre persönlichen Wahrnehmungen gesellschaftsrelevanter Verhaltensweisen: „Gerade heute gibt es sehr viele Zieldenker: Wir feiern nicht zu lange, um morgen fit zu sein, wir essen nicht, um morgen schlank zu sein, wir brüllen nicht, um morgen nicht heiser zu sein, wir halten uns gesund, um lange zu leben... Wir denken immer an ein Ziel und arbeiten Punkte ab. Dadurch kann es leicht passieren, dass wir das Leben verpassen. Wir sind so konzentriert auf das Morgen, dass uns das Hier und Jetzt verloren geht. ‚Sind wir am Ziel, ist alles das Verkehrte‘ oder ‚Ist es nicht so, dass wir immer enttäuscht sind, wenn wir irgendwo ankommen‘, heißt es im Stück.“ Auf Erfahrung begründete Botschaften von zeitloser Aktualität.

Termine der mit Regine Effinger, Veronika Sautter-Bendiks und Jochen Ganser besetzten Aufführung am Wallgraben Theater in Freiburg (Rathausgasse 5a): Samstag, den 7. Februar, 20 Uhr (Premiere), 10., 11., 13., 14., 18., 19., 20., 21., 24., 25., 27., 28. Februar, jeweils 20 Uhr, 1. März, 17 Uhr, 4., 6., 7. März, jeweils 20 Uhr, 8. März, 17 Uhr, 10., 11., 12., 13., 14. März, jeweils 20 Uhr. Telefonische Kartenvorbestellung unter (07 61) 2 56 56.

Christian Schoger


Schlagwörter: Theater, Freiburg, Gündisch

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