8. Februar 2015

„Der Zibin“ zu Besuch in Heilbronn

Notizen zu Wolfgang Kleins Autorenlesung am 7. November 2014 im Haus der Siebenbürger Sachsen, Heilbronn
Als Kneipenwirt „Zum Löwen“ in Mainz erfüllt Wolfgang Klein täglich das Pensum eines Marathonläufers, stemmt manchmal mehr Gewicht aus dem Getränkekeller hoch als ein Hafenarbeiter und hört sich mehr Storys an als jeder Pfarrer bei der Beichte. Das ist hartes Brotverdienen. Im Sommer, wenn die Studenten fort sind und die Mainzer beim Biertrinken in den Rheinauen verweilen, sitzt er im stillen Kämmerlein und schreibt. Ein Buch pro Jahr, das er anschließend aus Mangel an versuchsfreudigen Verlagen in seinem eigenen, eigens dafür gegründeten veröffentlicht.

Wolfgang Kein während der Lesung in Heilbronn. ...
Wolfgang Kein während der Lesung in Heilbronn. Foto: Hildegard Klein
Mit Schildmütze auf dem Haupt und überbordender Vortragslaune vereint er überall, wo er auftritt, Impresario, Autor und Entertainer in seiner Person. Das Publikum sind Studenten und sonstige (Lebens)Künstler in Mainz, unter Landsleuten finden sich Traditionalisten und Nonkonformisten, 68-er wie 86-er, Ober-, Unter- und auch Nichthermannstädter ein. Bunte Mischung allemal. Dementsprechend athletisch führt er seine literarischen Spagate vor: Es geht um Heimat und Entwurzelung, um Wege, Sackgassen und Ziele, um Überraschungen und Enttäuschungen, aber auch um den ganz normalen Großstadtwahnsinn: unerfüllte Hausverwalterphantasien, lausbübische Nachbarn und renitente Mieter, Liebe und Eifersüchteleien, Kneipenbesucher in allen Aggregatzuständen oder gar existentiellen Erfahrungen am äußeren Tresenrand. Voraussetzung eines gelungenen Leseabends sind eindeutig Toleranz und Einfühlsamkeit in die Gedankenwelt des Gegenübers. Für jeden ist etwas da: für die feine Dame wie für den robusten, witzerprobten Mann jeglichen Semesters.

Nach dem Motto „Schnaps für alle!“ und in Würdigung unseres gemeinsamen Fundus an Erfahrung und Erinnerung stießen die Anwesenden erst einmal mit Wolfgang Kleins Klarem an. Jeder Zuhörer wusste, was es bedeutet, als Wanderer zwischen den Welten und zwei Heimaten zu leben. Die Fahrten, die Flüge dazwischen seien das Spannendste, was man erleben kann, behauptet Klein: Es ist die Sehnsucht nach dem jeweils anderen Zuhause, welche bei der Ankunft gestillt und immer wieder aufs Neue entfacht wird.

So wie der Trinkbach in den Zibin hineinplätschert und der Main in den Rhein strömt, so lässt Wolfgang Klein Personen, Charaktere und Temperamente in seine Schilderungen einfließen. Seine Geschichten will er „Dasigen“ wie „Neigschmeckten“ glaubhaft machen. Denn die beschriebenen Welten sind … Welten auseinander. Geschichtlich und inhaltlich. Wenn er die Hautevolee über den Corso flanieren, Cliquen von Halbstarken durch das Viertel Lazarett ziehen oder eine Meute Hunde längs der Strada Moscovei streunen lässt, ist nicht gesagt, dass nur siebenbürgisches Publikum aufhorcht. Wenn schwäbische Senioren (wie tags darauf) sich auf „Ardee“ und „Loz în Plic“ einen Reim machen möchten, wissen sie: Nur fragen hilft weiter. Sobald aber Begriffe geklärt und sprachliche Barrieren beseitigt sind, erscheinen Dinge und Gefühle hüben wie drüben in ganz vertrautem Licht.

Beim anschließenden Autogrammschreiben wollte fast jeder Abendgast noch mit Wolfi plaudern und teilhaben an dem Hauch von Prominenz, der seinen Geschichten entströmte. Es ist kein Geheimnis, dass dem Brettl, der Freien Bühne in Kleins ehemaliger Kneipe „Quartier Mayence“, Künstler wie Wecker, Ambros, May oder Hannes Wader über Jahrzehnte treu blieben. Sie werden geahnt haben, warum. Wolfi aber bleibt bescheiden und genügsam und ist glücklich. Weil er weiß, an seiner Seite steht die gesamte Familie und eine Menge wirklich bester Freunde. Nicht zu vergessen Maria-Magdalena, die ihn so lieb hatte und so stolz auf ihren Enkel war. Das Bild, das sich einem einprägt, mit einfachem, deutlichem Federstrich gemalt, ist gleichzeitig die weiche, zärtliche Spiegelung aus dem Blick des zum Schriftsteller verwandelten Kindes: „Eine Frau in karierten Hausschuhen und im Morgenmantel (…) stand vor mir, lächelte und sagte: ‚Mein Zibin! (…) Wenn du nicht mehr zu mir kommen kannst, dann komm eben ich zu dir‘.“

Hardy Schmidt

Schlagwörter: Lesung, Heilbronn, Hermannstadt

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