27. Februar 2015

Michael Barner – ein Maler mit Farben, Worten und Tönen

Michael Barner (1881-1961) ist als Maler in letzter Zeit durch Ausstellungen in seiner Heimatstadt Agnetheln (2013) und in Hermannstadt (2014) wieder ins Bewusstsein einer größeren Öffentlichkeit getreten. Dass er aber auch ein sensibler Dichter und ein emsig komponierender Musiker war, ist weitgehend unbekannt. In mühseliger Kleinarbeit der HOG Agnetheln, insbesondere durch den unermüdlichen Einsatz ihrer Vorsitzenden, Helga Lutsch, ist alles zusammengetragen worden, was die Künstlerpersönlichkeit Barners auszeichnet. Im Zusammenwirken der HOG Agnetheln, des Harbachtalmuseums Agnetheln und des Siebenbürgischen Museums Gundelsheim wird nun in der Festveranstaltung „Michael Barner – Maler, Musiker, Poet“am 13. März dieses Jahres (Festsaal des Schlosses Horneck, Gundelsheim, 18.00 Uhr) all dieser Facetten des vergessenen Künstlers Barner gedacht.
In das künstlerische Schaffen des Malers führt Dr. Irmgard Sedler, die Kuratorin der Ausstellung, ein. In dem anschließenden Rundgang durch die Ausstellung im Siebenbürgischen Museum ist eine repräsentative Auswahl von Bildern aus den etwa 260 bekannten Gemälden Barners, meist aus Privatbesitzt, zu sehen. In der Ausstellung, die vom 14. März bis 21. Juni 2015 geöffnet ist, wird die vielseitige Künstlerpersönlichkeit Barners auch als Poet und Musiker beleuchtet.

Prof. Heinz Acker hat den im Agnethler Harbachtalmuseum aufbewahrten musikalischen Nachlass Barners gesichtet und etliche Lieder für diesen Anlass bearbeitet. Der „Heilbronner Liederkranz“ und der international wirkende Tenor mit Agnethler Wurzeln Dieter Wagner, begleitet von Heinz Acker am Klavier, werden erstmalig Lieder des komponierenden Malers Barner zu Gehör bringen, Bearbeitungen, die dann auch als CD erscheinen werden, wie auch als Liederbuch im Karlsruher MusikNoten-Verlag Latzina. Im Vorwort zu dem Liederbuch beleuchtet Acker das Liedschaffen Barners. Daraus, wie auch aus Ackers Beitrag zum Ausstellungskatalog, entnehmen wir – etwas gekürzt – die nachfolgende Beurteilung Barners als Musiker.

Michael Barner – Selbstporträt 
um 1906. ...
Michael Barner – Selbstporträt um 1906.
Der 1881 als Sohn eines Schuhmachermeisters im siebenbürgischen Agnetheln geborene Michael Barner war ein vielfach hochbegabter Künstler, dessen Schicksalsweg allerdings die Entfaltung seiner vielseitigen Fähigkeiten nicht begünstigte. Als Maler konnte Barner zwar eine akademische Ausbildung in Budapest und zahlreiche Studienaufenthalte in Rom und weiteren europäischen Zentren aufweisen und mit vielversprechenden Ausstellungen frühzeitig auf sich aufmerksam machen. Seine hochsensible Künstlerseele drängte ihn aber auch, sich in anderen Kunstformen zu äußern, so als komponierender Musiker oftmals der eigenen Gedichte. Ein ruheloses Leben auf der Suche nach künstlerischer Selbstfindung wie auch die Ereignisse des ersten Weltkrieges haben Barner quer durch Europa getrieben. So widerspiegeln seine Liedschöpfungen nicht das kleinbürgerliche Leben seiner siebenbürgischen Heimat, sie atmen vielmehr den Hauch und die Zerrissenheit der großen Welt zu Beginn des 20. Jahrhunderts, in der sich Barners Leben zunächst abspielt.

Barner hat keine Instrumental- oder Chormusik geschrieben. Seine Ausdrucksform ist das Lied. Er hat etwa 200 Lieder hinterlassen, die keiner kennt, da sie nie irgendwo erklungen sind. Allein im Stadtarchiv von Agnetheln finden sich rund 150 handschriftlich notierte Lieder aus seiner Feder. Es sind meist skizzenhafte Entwürfe ohne weitere Ausführungsangaben oder Ausarbeitungen von instrumentalen Begleitungen. Die 14 Sammelhefte des Archivs zeigen unterschiedliche Entstehungszeiten und Themenkreise. Als mir die Lieder zur Begutachtung zugeschickt wurden, war ich darauf gefasst, hier das Agnethler Kleinformat des Mediascher Liederdichters Hermann Kirchner vorzufinden, dessen Mundart-Lieder so tief im Wesen des Sachsentums verwurzelt sind (obzwar er kein Siebenbürger Sachse war). Doch weit gefehlt. Barners Lieder in sächsischer Mundart sind an den Fingern einer Hand abzuzählen und der damals gängige Kirchner’sche Volksliedton ist nur ansatzweise zu finden. Hier offenbarte sich ein Geist von europäischer Weitsicht, der viele Lande durchwandert hatte, in vielen Sprachen beheimatet schien und von den Bedrängnissen eines sich aufbäumenden Jahrhunderts mit all seinen Verheißungen und Nöten kündete.

Einen großen Raum nehmen die Lieder in ungarischer Sprache ein, verfasst auf Texte der bekanntesten ungarischen Dichter, allen voran auf Texte des Nationalpoeten Sandór Petöfi. Sie sind ein Ausdruck der tiefen Verbundenheit mit dieser Kultur, die er während seiner Budapester Kunststudien kennen und schätzen lernte. Als Leutnant in der österreichisch-ungarischen k.u.k. Armee hat Barner am 1. Weltkrieg teilgenommen und hier die Grauen des Krieges erlebt, aber auch die österreichische Lebensweise und das Typische ihrer Musik in Diktion und Melodik kennen gelernt und für seine Musik vereinnahmt.

Ein weiterer bedeutender Teil seiner Lieder wendet sich der deutschen Poesie zu, beginnend mit altdeutschen Liedtexten bis hin zu den großen Meistern deutscher Dichtkunst eines Uhland, Storm, Löns, Eichendorff, Mörike oder Goethe. Hier zeigt Barner ein außerordentlich poetisches Feingefühl für die Wahl seiner Texte, die immer einen persönlichen Bezug zu den eigenen Befindlichkeiten herstellen lassen.

Ein Großteil der Lieder aber sind Barner aus der eigenen bedrängten Seele in eine allzu emsige Feder geflossen. Hier finden sich in dichter Geballtheit all die Erlebnisse und Gefühlswallungen eines unsteten Wanderlebens quer durch Europa und seine Kulturen. Es sind seine wohl persönlichsten Lieder als Ausdruck seiner inneren Zerrissenheit, des Hin-und Her-Geworfenseins, seiner Heimatlosigkeit und seines Strebens nach liebevoller Geborgenheit, aber auch die Lust an Abenteuer und Ausschweifung wie auch die steten tiefen Enttäuschungen. Da springen die Gedanken und Gefühle oftmals wirr durcheinander, quer durch alle Sprachen des Kontinents. Und ebenso wirr ist oft auch seine Melodieführung mit einem riesigen Gesangsambitus und sperrigen großen Intervallsprüngen. Bei den ungewöhnlichen Anforderungen an den Sänger muss man sich die Frage stellen, ob diese Lieder je gesungen wurden und ob Barner sie selber singen konnte? Wenn ja, muss er ein Stimmwunder mit einem gewaltigen Stimmumfang gewesen sein. Auch ist unklar, für welche Begleitinstrumente sie gedacht waren, denn die Handschriften geben nur selten Auskunft hierüber, etwa einmal der Hinweis „Gitarrenlied“ und zweimal eine dürftig notierte Klavierbegleitung, die erkennen lässt, dass seine Klavierkünste eher bescheiden waren. Auf den Kladden der Agnethler Sammlung findet sich allerdings wiederholt der Hinweis „Zongorakiséretével“, also „mit Klavierbegleitung“, ohne jedoch diese Begleitungen aufzuzeichnen. Auch werden einige Name von Klavierbegleitern genannt, etwa des klavierspielenden Grafen „Báro Benedek Mozsi“. Öffentliche Auftritte aber sind uns nicht bekannt. Bekannt war Barner allerdings als Geiger. Nie soll er ohne seine geliebte Geige unterwegs gewesen sein. Sie hat ihm oftmals als Straßenmusikant in München, Berlin, Rom, Amsterdam, Paris wie auch in den späten Agnethler Jahren ein oft dürftiges Dasein gesichert. Berührungsängste mit anderen Kulturen hatte Barner wahrlich nicht. Sogar einige Lieder in Zigeunermanier sind aus seiner Zeit der Wanderschaft mit den transsilvanischen Zigeunern bekannt.

Barners Lieder zeigen einen großen schöpferischen Gestaltungsdrang und eine mächtig wuchernde Phantasie. Allerdings ist das musikalische Wollen Barners meist größer als sein künstlerisches Können, denn es zeigt sich allenthalben, dass Barner über keine fundierte musikalische Ausbildung verfügte. Das meiste in seinen Liedern folgt einem ungezügelten musikalischen Wildwuchs, ohne Beachtung geltender musikalischer Gestaltungsprinzipien.

So werden seine Lieder auch künftig kaum zu hören sein, es sei denn man akzeptiert das Eingreifen eines Bearbeiters, der dieses ungehemmte musikalischen Wuchern in gezügelte Bahnen lenkt. Mit meinen Bearbeitungen einiger Barner-Lieder aus den unterschiedlichsten Schaffensbereichen habe ich mir erlaubt, diese Mängel mit kleineren oder größeren Eingriffen in die Melodik, Harmonik oder Formgebung und durch Hinzufügen einer Klavierbegleitung etwas zurechtzurücken. Entschuldigt habe ich mein Vorgehen mit dem Argument, dass man auf diese Weise doch etwas von den musikalischen Träumen des Künstlers Michael Barner erahnen kann, dessen so hoffnungsvoll begonnenes Leben nach einem Nervenleiden und heftigen Schicksalsschlägen so erbärmlich 1961 in einem Mediascher Krankenhaus endete. Sein weltoffener Geist wird mit meinem wohlgemeinten Vorgehen wohl einverstanden sein.

Heinz Acker

(Aus dem Vorwort zu seinen Bearbeitungen von Barner-Liedern)

Schlagwörter: Künstler, Agnetheln, Ausstellung, Siebenbürgisches Museum

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