5. Juni 2015

Kulturpreisträger Peter Maffay und Paul Philippi

Anerkennender Applaus für einen Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturpreisträger, das ist die übliche Geste des Publikums. Stehende Ovationen sind höchst selten, gleichwohl gab es sie am Pfingstsonntagnachmittag in der Sankt-Pauls-Kirche zu Dinkelsbühl. Erst stand einer auf, mehrere folgten und schon erhob sich das Gros des Publikums, um stehend Beifall zu klatschen. Für den international gefeierten Rockstar Peter Maffay? Mitnichten. Für Paul Philippi. Doch von Anfang an.
Nach dem musikalischen Auftakt durch Ingrid Hausl (Fagott) und Sebastian Hausl (Vibraphon), einem farben- und stimmungsreichen, innigen Arrangement siebenbürgisch-sächsischer Volkslieder von Georg Meyndt, begrüßte Prof. h.c. Dr. Stefan Sienerth die Festgemeinde, Preisträger und Laudatoren zu den diesjährigen Preisverleihungen. Der Vorsitzende des Kulturpreisgerichts baute absichtsvoll Spannung auf mit der Vorbemerkung, „dass in der Geschichte unserer Preisverleihung so diametral gegensätzliche Persönlichkeiten wohl nie zusammengeführt und zusammen geehrt worden sind“. Dies sei dem Preiskomitee sehr wohl bewusst gewesen, das den Standpunkt vertrete, „dass es im weiten Raum einer offenen Gemeinschaft, wie sich unsere Verbände begreifen, genügend Platz für Verschiedenheit geben muss“. Primär preiswürdig sei immer nur die „qualitativ hochstehende Leistung, ganz gleich auf welchem kulturellen Tätigkeitsgebiet sie vollbracht wird“, erklärte der Germanist und Kulturpreisträger des Jahres 2011 (gemeinsam mit Peter Motzan).

Musikstar und leidenschaftlicher Kämpfer für die Völkerverständigung

Der dotierte Siebenbürgisch-Sächsische Kulturpreis, die höchste Auszeichnung der Siebenbürger Sachsen, wird seit 1968 von den Verbänden der Siebenbürger Sachsen in Deutschland und in Österreich verliehen. In diesem Jahr wurden der Komponist, Sänger, Gitarrist und Musikproduzent Peter Maffay sowie der Theologe und Diakoniewissenschaftler Prof. Dr. Dres. h.c. Paul Philippi geehrt.

Zwei Kulturpreisträger – ein Laudator: Der Bundesvorsitzende Dr. Bernd Fabritius, MdB, ließ es sich nicht nehmen, „Peter und Paul“ (die vertrauliche Anrede löste im Kirchenraum Erheiterung aus), also Peter Maffay, der, wie in dieser Zeitung vorab bekannt gegeben, aus Termingründen nicht anwesend sein konnte, und Paul Philippi zu würdigen, „beide zusammen und jeden für sich“.
Gemeinsam mit Peter Maffay Siebenbürgisch ...
Gemeinsam mit Peter Maffay Siebenbürgisch-Sächsischer Kulturpreisträger 2015: Prof. Dr. Dres. h.c. Paul Philippi, flankiert von den Vorsitzenden der den Kulturpreis verleihenden Verbände der Siebenbürger Sachsen in Deutschland, Dr. Bernd Fabritius, MdB (rechts), und Österreich, Hofrat Volker Petri. Fotos: Christian Schoger
Wie der Laudator vorausschickte, müsse er Peter Maffay eigentlich nicht mehr vorstellen, schließlich sei der 1949 in Kronstadt geborene Musiker „ein international anerkannter Künstler, der weit über die Grenzen Siebenbürgens und Deutschland hinaus bekannt ist“, ein bzw. unser „siebenbürgischer Mega-Star“ und „der beste Beweis dafür, dass unser Motto dieses Heimattages 2015, ‚Identität lohnt sich‘, zutrifft“.

Fabritius gab einen kurzen Abriss der kometenhaften Musikerkarriere Maffays vom Teenager, der, nach der Aussiedlung seiner Familie 1964 ins oberbayerische Waldkraiburg, ­seine erste Band gründete, über den internationalen Durchbruch als Schlagersänger und „Deutschrocker“ in den 1970er Jahren bis hin zum „erfolgreichsten Künstler der deutschen Charts“ mit 16 Nummer-Eins-Alben. Neben dem Musiker und Künstler widmete der Laudator besonderes Augenmerk dem Menschen, allen voran seinem sozialen Engagement. Der Kronstädter sei „ein leidenschaftlicher Kämpfer für die Völkerverständigung“, er engagiere sich gegen Rassismus und sei folgerichtig erst tags zuvor (am 23. Mai) in Berlin vom „Bündnis für Demokratie und Toleranz – gegen Extremismus und Gewalt“ als Botschafter für Demokratie und Toleranz ausgezeichnet worden. Sein soziales Engagement reiche weit über die deutschen Grenzen hinaus bis nach Radeln in Siebenbürgen, schließe seine Peter Maffay Stiftung mit ein, die therapeutische Aktivaufenthalte für traumatisierte wie benachteiligte Kinder und Jugendliche durchführt. Der Bundesvorsitzende würdigte Maffay als „Brückenbauer, nicht nur zwischen Deutschland und Rumänien, sondern zwischen allen Menschen, zwischen Generationen, zwischen Kulturen und Religionen“. Durch sein vielfältiges Engagement „verkörpert er die uns prägenden Werte und ist damit ein Aushängeschild für unsere Gemeinschaft“. Maffays weithin bekannte Verbundenheit mit seiner siebenbürgischen Heimat, mit den Siebenbürger Sachsen hüben und drüben, auch mit unserem Verband herausstellend, erinnerte Fabritius an den ersten Heimattagsbesuch des Landsmannes vor fünf Jahren und an sein grandioses Open-Air-Konzert auf der Schwedenwiese beim Heimattag 2012. Peter Maffay habe „Solidarität mit seiner alten Heimat“ und „ein positives Bekenntnis zu unserer Gemeinschaft“ gezeigt, unterstrich Fabritius und fügte an: „Danke für deine positive Kraft, Energie und deine Haltung!“ Der Preis werde Maffay bei geeigneter Gelegenheit überreicht, „vielleicht in Siebenbürgen“.

Theologe, Publizist und streitbarer Forums-Politiker

Ebenso wie Peter Maffay, führte der Laudator weiter aus, habe Prof. Paul Philippi, „ein Kind Kronstadts“ (Jahrgang 1923), „ein Lebenswerk geschaffen, das ihn in der Reihe der großen Söhne unseres Volkes sicher in die erste Reihe platziert“. Fabritius wies auf die ellenlange Liste der Veröffentlichungen des Preisträgers „im Bereich der siebenbürgisch-sächsischen Wissenschaft, Kultur und Politik“ hin und rekapitulierte gerafft Philippis wissenschaftliche Karriere. Nach seinem Studium der Theologie in Erlangen (ab 1947) folgte die Promotion, dann die Habilitation in Praktischer Theologie. Seit 1954 war er am Diakoniewissenschaftlichen Institut der Universität Heidelberg tätig, dessen Leiter er 1971 wurde und bis 1986 blieb. Der Heimat verbunden, übernahm Paul Philippi danach eine Professur an der theologischen Hochschule in Hermannstadt.

Neben seiner wissenschaftlichen Laufbahn habe sich der Preisträger „für die Kulturpflege und Landeskunde unserer Heimat stark gemacht und vielseitig ehrenamtlich gewirkt“: als einer der Initiatoren des „Arbeitskreises junger Siebenbürger Sachsen“, aus dem sich 1962 der von ihm mitbegründete Arbeitskreis für Siebenbürgische Landeskunde entwickelte. Philippi sei als Vorstandsmitglied „einer der zentralen Ideengeber und Initiatoren vielfältiger Projekte“ gewesen, habe jahrzehntelang die Buchreihen „Siebenbürgisches Archiv“, „Studia Transsylvanica“ und „Schriften zur Landeskunde“ im Böhlau-Verlag herausgegeben. Auch durch diese publizistische und wissenschaftliche Tätigkeit sei Siebenbürgen heute vorzüglich in den deutschsprachigen Ländern präsent und wecke positive Assoziationen. 1979 bis 1981 arbeitete Philippi als Gastprofessor und ab 1983 als Ordentlicher Professor vor allem für Kirchengeschichte am Theologischen Institut in Hermannstadt, „wohin er denn auch aus persönlicher Überzeugung übersiedelte“, so Fabritius.

In der Politik habe Philippi ein weiteres Entfaltungs- und Gestaltungsfeld gefunden: So war er im Dezember 1989 Mitbegründer und von 1992 bis 1998 Vorsitzender des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien, und ist heute dessen Ehrenvorsitzender, der „dort ein beachtetes – und manchmal gefürchtetes Wort“ habe. Daran, dass durch die Arbeit des Forums das Ansehen der deutschen Minderheit in Rumänien erneuert und gestärkt werden konnte, habe er „ganz erheblichen Anteil“ gehabt. Letztlich habe dieses politische Engagement des Forums die Wahl von Klaus Johannis zum rumänischen Staatspräsidenten erst möglich gemacht. Bezogen auf frühere Auseinandersetzungen zwischen dem Hilfskomitee und der damaligen Landsmannschaft über die Zukunft der Siebenbürger Sachsen, in denen Philippi vehement für den Verbleib in Siebenbürgen eintrat, befand der Bundesvorsitzende: „Prof. Philippi war und ist oft die kritische Stimme, die mancher nicht gerne hört.“ Es brauche freilich solche kritischen Stimmen, meinte Fabritius, sie seien Ausdruck lebendiger Verbände; überdies kennzeichne „gelebte Toleranz“ immer schon die „funktionierende und starke Gemeinschaft“ der Siebenbürger Sachsen.
Gestalteten die musikalische Umrahmung der ...
Gestalteten die musikalische Umrahmung der Preisverleihungen: Ingrid Hausl am Fagott und Sebastian Hausl am Vibraphon
In seiner Danksagung verhehlte Paul Philippi nicht seine anfängliche „Verwunderung“ über diese Auszeichnung „angesichts der Spannungen zwischen mir und der Landsmannschaft“: „Das zeigt, dass ein Wandel stattgefunden hat seit der Name von Landsmannschaft zu Verband wechselte.“ Infolgedessen sei unter dem Bundesvorsitzenden Fabritius sowie den Forumsvorsitzenden Johannis und nun Porr „ein gemeinsames Eintreten für eine gemeinsame Wertewelt“ zu registrieren, anerkannte der Preisträger. Das Publikum spendete hierauf starken Beifall, mehr noch, stehende Ovationen.

Die Gutenberg-Karawane schwärmt aus

Seit 1993 verleihen die Siebenbürgisch-Sächsische Jugend in Deutschland (SJD) und Studium Transylvanicum jährlich den dotierten Siebenbürgisch-Sächsischen Jugendpreis, in diesem Jahr an die 2009 im Umfeld der Klausenburger Universität entstandene Initiative „Gutenberg – Deutschsprachiger Studentenverein“. Die Laudatio hielt Thomas Șindilariu, Archivar der Honterusgemeinde Kronstadt und Vorsitzender des ­Demokratischen Forums der Deutschen in Kronstadt. Der Historiker lieferte auf die Frage, weshalb die Vereinigung Johannes Gutenberg zum Namenspatron auserkoren habe, die recht ambitioniert anmutende Erklärung: nun, weil „seine Neuerungen im Buchdruck die Welt verändert, ja revolutioniert haben“.
Verleihung des Jugendpreises 2015 (von links): ...
Verleihung des Jugendpreises 2015 (von links): Laudator Thomas Șindilariu, die Vertreter des Deutschsprachigen Studentenvereins Gutenberg Andrei Precupescu und Mark Török, Bettina Mai (Studium Transylvanicum) und SJD-Bundesjugendleiter Edwin-Andreas Drotleff.
Der Klausenburger Studentenverein will sich eingedenk der massiven Auswanderung der Deutschen aus Rumänien nach der Wende 1989 als deutschsprachig, nicht umfassend deutsch verstanden wissen, nach Dafürhalten des Laudators „ein realitätsnahes und damit gutes Selbstverständnis“. Bei „Gutenberger“ bringen sich Șindilariu zufolge Vertreter der deutschen Minderheit ebenso ein wie Schulabsolventen, die Deutsch als Mutter- oder als Fremdsprache gelernt haben, und Studenten aus dem Ausland, respektive aus Deutschland. Fast 600 Studierende an der Klausenburger Babeș-Bolyai-Universität absolvieren derzeit ihr Studium in deutscher Sprache. Über die vielfältigen Aktivitäten der „Gutenberger“ informiert die Vereins-Website www.dsgutenberg.eu. Wie dort zu erfahren ist, zählt der Verein gegenwärtig 31 Mitglieder, die in den Abteilungen Personalmanagement, Öffentlichkeitsarbeit, Fundraising – Finanzen und Außenbeziehungen tätig sind. Die Hauptakzente des Studentenvereins liegen auf Gemeinschaftsstiftung und Fortbildungsangebote, wie u.a. Sommerschule, Wintercamp, Kulturtage, Theater-Workshops. Als publizistisches Vereinsorgan fungiert die Gutenberger Zeitung. Besondere Erwähnung fand in der Laudatio die Gutenberg-Karawane: Alljährlich schwärmen die Vereinsmitglieder aus, um an deutschen Schulen in Rumänien für die deutschsprachigen Studienmöglichkeiten in Klausenburg zu werben. Daher gelte es die Arbeit des Vereins zu unterstützen, appellierte Thomas Șindilariu, um für die deutsche Minderheit in Rumänien die zukünftige ­Regeneration einer geistigen Elite zu gewährleisten, ferner um „jenseits der ethnischen Grenzen das so wichtige deutschsprachige und deutschfreundliche Umfeld“ zu vitalisieren.

Als Vertreter der ausgezeichneten Klausenburger Studenten-Initiative sprach Mark Török von „einer großen Ehre für den Verein“, der seit 2009 immerhin 45 Projekte organisiert habe. Heute trügen acht Schulen Namen einer Persönlichkeit der deutschen Minderheit. Als Nächstes trachte man danach, einen Park in Klausenburg nach Stephan Ludwig Roth zu benennen. „Der Preis“, so beschloss Török seine Danksagung, „motiviert uns, Botschafter und Partner des Forums zu sein, aber auch des Verbandes der Siebenbürger Sachsen“.

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Gleichsam als Schlussakkord spielten Ingrid Hausl am Fagott und Sebastian Hausl am Vibraphon noch ein Arrangement siebenbürgisch-sächsischer Volkslieder von Grete Lienert- Zultner. Zwischendurch hatten sie auch Maffay-Songs, darunter den Klassiker „Über sieben Brücken musst du gehn“, hinreißend interpretiert. Die festliche Atmosphäre der einstündigen Veranstaltung war gewiss auch das Verdienst der famos harmonierenden Musiker.

Christian Schoger

Schlagwörter: Preisverleihung, Heimattag, Dinkelsbühl, Maffay, Philippi, Kulturpreis, Jugendpreis

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