12. Juli 2015

Siebenbürgisch-sächsische Lehrer und verdiente Persönlichkeiten im Dienste der Gemeinschaft

Am 9. Mai 2015 fand im Haus des Deutschen Ostens in München die 15. Jahrestagung der Sektion Schulgeschichte des Arbeitskreises für Siebenbürgische Landeskunde (AKSL) statt, an der rund 30 Personen teilnahmen. Die bayerische Staatsregierung unterstützte auch dieses Jahr die Veranstaltung. Das Projekt wird aus Mitteln des Bayerischen Staatsministeriums für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen gefördert. Wie auch bei früheren Tagungen standen Berichte und Vorträge auf dem Programm, die Aspekte der siebenbürgischen und rumäniendeutschen Schulgeschichte beleuchteten.
Auf der Veranstaltung, die von Dr. Erwin Jikeli, Leiter der Sektion Pädagogik und Schulgeschichte des AKSL, vorbereitet und moderiert wurde, trugen sechs Referenten, Lehrer und ehemalige Lehrer, Studenten und an gesellschaftlichen Entwicklungen Interessierte ihre Arbeiten vor. Als erste Referentin ging Ingrid Schiel (Gundelsheim) den „Mädchenschulreformbestrebungen zwischen 1869 und 1919 bei den Siebenbürger Sachsen“ nach. Schiel, die zurzeit eine Dissertation über die politische Frauenbewegung der Siebenbürger Sachsen verfasst, schilderte den Kampf siebenbürgisch-sächsischer Vereine für Frauenbildung im Hinblick auf die Erhöhung der Mädchenschulbildung am Ende des 19. Jahrhunderts von sechs auf acht Jahre und ihre Bemühungen, den Frauen einen Berufsschulabschluss beziehungsweise die Lehrbefähigung für den Unterricht an Mädchenschulen zu ermöglichen. Die Referentin wies auf die ablehnende Haltung der evangelischen Kirche gegenüber der Mädchenbildung hin, die am Ende des 19. Jahrhunderts die Rolle der Frau vor allem in der „christliche Liebestätigkeit und den Arbeiten im Haus“ sah. Zwar gab es am Ende des 19. Jahrhunderts externe Privatschülerinnen, die ausnahmsweise die Matura an siebenbürgischen Gymnasien ablegen durften, aber die Lösung der brennenden Frage, auch Mädchen den Besuch eines Gymnasiums zu gestatten, wurde erst mit der Gründung der Mädchenmittelschulen in Kronstadt 1916, der Höheren Mädchenschule beziehungsweise der Höheren Mädchenhandelsschule in Hermannstadt gefunden.

Gudrun Schuster (Hardegsen) ging auf den „Berufsstand des siebenbürgisch-sächsischen ‚Mittelschulprofessors‘ um die Wende zum 20. Jahrhundert aus Sicht eines betroffenen Zeitzeugen“ ein. Ernst Buchholzer, ab 1891 an verschiedenen Schulen in Hermannstadt als Lehrer tätig, war einer der Promotoren und Gründer des 1904 in Schäßburg ins Leben gerufenen „Mittelschulprofessorenvereins“, der in seinen „Mitteilungen“ die in dessen Versammlungen vorgetragenen Referate zu fachspezifischen, pädagogisch-didaktischen und organisatorischen Fragen veröffentlichte. Buchholzer setzte sich engagiert gegen berufliche Benachteiligungen der Gymnasiallehrer ein, die sich nicht zuletzt in ihrer Besoldung niederschlugen. Ihre während eines längeren Studiums im In- und Ausland erworbene Fachkompetenz, ihre doppelt geprüfte Qualifikation für den Lehrer- und Pfarrberuf durch die Prüfungskommission des ungarischen Unterrichtsministeriums und durch die Schulkommission der Evangelischen Landeskirche („Bifurkation“) sowie das verpflichtende Übungsjahr (was alles sie zu „Generalstäblern der Landeskirche“ mache), stelle eine Ausbildungserschwernis dar, die sie finanziell gegenüber anderen Berufsgruppen unter kirchlicher Finanzverwaltung (z.B. akademisch ausgebildete Pfarrer, nicht akademische Pfarrer und Volksschullehrer), auch gegenüber Lehrern anderer konfessioneller Schulen und vor allem gegenüber den Gymnasiallehrern im Staatsdienst ins Hintertreffen bringe. In Zeitungsartikeln wies Buchholzer diese Benachteiligung mit konkreten Zahlenbeispielen nach und setzte sich für den Berufsstand des „Mittelschulprofessors“ und dessen gesellschaftliche Anerkennung ein. Dass dessen Vertreter auch mit Reformbestrebungen in Schulen des deutschsprachigen Auslands durch Studien und Studienfahrten auf dem Laufenden und sozusagen auf der Höhe der Zeit waren, unterstrich Schuster ebenfalls anhand von Buchholzers Veröffentlichungen.

Dr. Heike Lammers-Harlander (Donauwörth) illustrierte in ihrem Vortrag „Noten zur Identifikation“ die „Lehrplan-Neugestaltung des Musikunterrichts im Rumänien der Zwischenkriegszeit“. Da ihr Stiefgroßvater Fritz Schuller in der Zwischenkriegszeit Musiklehrer am St. L. Roth-Gymnasium war, lieferte die Referentin Informationen zum Musikunterricht an siebenbürgisch-sächsischen Schulen von 1637 bis zur 1928 im Königreich Rumänien eingeführten Reform des Faches Musik. Die von George Breazul (1997-1961) vorbereitete und 1928 in Kraft getretene Reform führte das Fach Musik als künstlerisches Fach ein, ermöglichte den Musiklehrern eine künstlerische und pädagogische Ausbildung und die Gleichberechtigung mit anderen Lehrern. Die Reform von 1928 widerspiegelte auch die Ansprüche des neuen Staates Rumänien und die Zielvorstellungen des unter anderem in Berlin ausgebildeten hervorragenden Musikwissenschaftlers George Breazul.

Gerhard Pauer (Burscheid) beleuchtete „Das Wirken des Mediascher Pädagogen Andreas Kloos im Spannungsfeld zwischen Volksgruppe und Staat“ und zeigte auf, wie dieser Pädagoge das Schulwesen in Siebenbürgen über 30 Jahre mitgeprägt hat. Dabei stellte der Referent die Verdienste der Ausnahmepersönlichkeit Andreas Kloos heraus, der als Lehrer in Hermannstadt und Mediasch, als stellvertretender Leiter des Stephan-Ludwig-Roth-Lyzeums Mediasch, als Schulinspektor des Gebiets der Großen und Kleinen Kokel und als Direktor der deutschen Abteilung des Axente-Sever-Lyzeums in Mediasch wirkte. So erlebte Kloos die Übergabe des Schulvermögens an den Staat, leitete die Kommission für die Erarbeitung der Gymnasialbücher für Deutsch (1948-49), musste sich als Schulinspektor mit den katastrophalen Zuständen der Dorfschulen auseinandersetzen und gestaltete bis 1975 das schulische und kulturelle Leben in Mediasch mit. Der Referent stellte die Gratwanderung heraus, die ein Mann wie Andreas Kloos im Spannungsfeld der vielen Umwälzungen machen musste, um mit seinen ausgeprägten diplomatischen Fähigkeiten und seiner Kompetenz Verantwortung in Staat und Gesellschaft im Dienste der siebenbürgisch-sächsischen Gemeinschaft übernehmen zu können.

Über die Lehrerjahre seines Großvaters Heinrich Emil Bretz (1891-1986) und dessen Bruders Reinhard Bretz (1898-1961) referierte Heinz Bretz (Köln) anhand der „Lebenserinnerungen des Heinrich Emil Bretz, Rektor in Ruhe“. Dabei stellte er vor allem das Leben seines Großvaters in seiner 42-jährigen Laufbahn als Lehrer in verschiedenen Dorfgemeinschaften und als Rektor in Großscheuern vor. Heinz Bretz entwarf das lebendige Bild eines Lehrers und eines Siebenbürger Sachsen in einer Zeit der Umbrüche. So musste H. E. Bretz einiges erleben: bereits kurze Zeit nach seinem Dienstantritt (1912-1913) in Kleinschenk musste er Ungarisch, ab 1916 in Benzenz, diente die Schule der Gemeinde auch als Bethaus, während seiner Dienstzeit in Schellenberg (1917-1942) fand der Lehrerstreik (1920) statt, und 1924 musste einen rumänischen Sprachkurs besuchen. Nach 25 Jahren als Schulleiter in Schellenberg wurde H. E. Bretz wegen Nonkonformität mit der Volksgruppenführung nach Hahnbach versetzt, wo er 1948 die Übergabe der evangelischen Schule an den rumänischen Staat erlebte, bevor er wenige Jahre vor der Verrentung (bis 1954) die Direktorenstelle in Großscheuern übernahm.

Nach den Vorträgen über historische Entwicklungen und das Wirken verdienter Persönlichkeiten im Schulwesen beleuchtete Hans Fink (Gießen) „Die überregionale Zusammenarbeit der deutschen Intellektuellen mit dem Schwerpunkt Schule im kommunistisch regierten Rumänien“. Mit „überregional“ meinte der Referent die Kontakte zwischen Siebenbürgen, Banat und Bukarest. Diese Zusammenarbeit von der Nachkriegszeit bis zur Wende ist nicht ins Bewusstsein der Bevölkerung gedrungen, weil der kommunistische Staat die Bürger entmündigte und den Informationsfluss kontrollierte. Trotzdem gab es viele Beispiele, wie die Vertreter der deutschen Minderheit die legalen Strukturen für die Zusammenarbeit nutzten. So gelang es Bischof Friedrich Müller 1952, eine Regelung zu erwirken, um den Konfirmandenunterricht samstags und sonntags abhalten zu dürfen. Wie diese legale Möglichkeit wahrgenommen wurde, hing in vielen Fällen von der Kooperation zwischen Pfarrern und Lehrern ab, die sich übrigens auch auf die Kulturtätigkeit erstreckte. In zwei weiteren Organisationen, die der deutschen Minderheit aufgedrängt wurden, dem Deutschen Antifaschistischen Komitee (1949-1953) und den Räten der Werktätigen deutscher Nationalität (1968-1989), kümmerten sich die Vertreter, entgegen den Erwartung der Machthaber, nicht nur um Schulangelegenheiten, sondern auch um gesellschaftliche und kulturelle Belange. So bemühte sich das DAK u.a. um die Gründung von deutschen Abteilungen an den Staatstheatern in Temeswar und Hermannstadt. Auch die 1949 gegründete Tageszeitung „Neuer Weg“, das offizielle Organ des DAK, stärkte das kollektive Bewusstsein der deutschen Bevölkerung als Minderheit, indem sie täglich in deutscher Sprache über deutsche Bürger berichtet. Ohne diese überregionale Zeitung hätte der Einzelne wenig über das Leben der deutschen Bürger in anderen Ortschaften und Landesteilen erfahren. Das gilt auch für die anderen Printmedien und die deutsche Abteilung von „Radio Temeswar“. Auch viele Mitglieder der „Räte der Werktätigen“ hätten den gegebenen Rahmen genutzt, um das deutsche Kulturleben zu unterstützen. Ihrem Einsatz sei es zu verdanken, dass 1971-1972 vier Schulen, je eine in Kronstadt, Hermannstadt, Temeswar und Arad, als Einheiten mit ausschließlich deutscher Unterrichtssprache gegründet wurden. Fink führte auch andere Beispiele an wie das Erstellen deutschsprachiger Lehrbücher, die jährlichen Besprechungen der deutschen Verlagsabteilungen (Kriterion, Literaturverlag, Schulbuchverlag, Dacia, Facla), den Erfahrungsaustausch der Deutschlehrer im Rahmen der Fachzirkel oder die Zusammenarbeit zwischen den Redakteuren deutschsprachiger Zeitungen, die ihre politischen Funktionen nutzten, um u.a. deutsche Schulen zu unterstützen.

Durch die Vorträge und Abschlussdiskussion zur Tagung traten zusätzliche Aspekte und neue Fragen auf, die eine Weiterführung des Projektes insbesondere zur Geschichte der Zwischenkriegszeit, des Nationalsozialismus und darüber hinaus als sinnvoll und notwendig erscheinen lässt.

Die Arbeit der Sektion Schulgeschichte muss in den nächsten Jahren auf eine breitere und falls möglich auch auf eine jüngere Basis gestellt werden.

Deshalb sind alle, die sich mit der Schulgeschichte Siebenbürgens befassen möchten, aufgerufen, Kontakt mit dem Leiter der Sektion Pädagogik und Schulgeschichte, Dr. Erwin Jikeli, E-Mail: ErwinJikeli@gmx.de, aufzunehmen, damit auch für zukünftige Tagungen der Sektion eine ausreichende Zahl an Referenten zur Verfügung steht.

Monika Czika

Schlagwörter: Schulgeschichte, AKSL, HDO

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