15. September 2015

Bedeutender Maler Franz Joseph Freiherr von Goez

Vor einem Jahr ging im Rahmen des Festivals „Teatro Barocco“ im niederösterreichischen Stift Altenburg eine Oper über die Bühne, die – vielleicht vom Titel abgesehen – den wenigsten bekannt sein dürfte: „Leonardo und Blandine“ des deutschen Komponisten Peter von Winter (1754-1825). Am Mannheimer Hof ausgebildet, übersiedelte Winter später an den Münchner Hof des Kurfürsten Karl Theodor und schrieb ab 1778 erste Melodramen, eine damals stark verbreitete Bühnengattung, darunter das eben genannte, das am 25. Juni 1779 im Münchner Residenztheater uraufgeführt wurde. Das Libretto für diese Schauergeschichte schrieb Joseph Franz von Goez nach der gleichnamigen, 82 Strophen umfassenden Ballade von Gottfried August Bürger (1744-1794), ein viel bewundertes, ja in gewissem Sinne als großartig zu bezeichnendes Meisterwerk, wiewohl aus heutiger Sicht der Inhalt recht banal anmutet.
Das zur Aufführung gelangte Melodram ist ein Sprechstück mit Zwischenmusik, wobei es eine musikalische Besonderheit aufweist: Man erkennt in diesem Werk die Melodie der berühmten „Höllenfahrt-Szene“ aus Mozarts Oper „Don Giovanni“, die aber erst acht Jahre später, also 1787, komponiert wurde. Der als Librettist genannte Franz Joseph Freiherr von Goez lebte zum Zeitpunkt der Erstaufführung gleichfalls in München.

Im Juni 1790 war Johann Wolfgang von Goethe auf der Durchreise in Tirol. Er kam gemeinsam mit Herzogin Anna Amalie von Sachsen-Weimar aus Venedig zurück und machte in Innsbruck Station. Am Nachmittag des 6. Juni waren sie Gäste der Erzherzogin Maria Elisabeth, einer Schwester des kurz zuvor verstorbenen Kaisers Joseph II., die nach der Mittagstafel ins Theater eingeladen hatte. Dort erlebten die Gäste nach einem Einakter auch die Aufführung des Melodramas in zwei Aufzügen, das „von Johann Franz von Görz (!), einem Siebenbürgener“ gedichtet worden war (Moriz Enzinger, Goethe in Tirol, Innsbruck 1932).

Wer aber war dieser von Goez (auch Götz)? Aus einer als „biographisches Fragment“ bezeichneten Druckschrift, aus der Feder seines Freundes August Krämer, die 1816 in Regensburg erschien, erfahren wir einiges aus seinem etwas unsteten Leben. Geboren wurde er am 28. Februar 1754 in Hermannstadt als Sohn eines Oberstleutnants in K.K. österreichischen Diensten. Die Familie stammte allerdings aus dem Lüneburgischen. Nach der Schulzeit in seiner Geburtsstadt brachte ihn sein Vater nach Wien, um für ihn dort eine Anstellung im Staatsdienst zu finden. Dank der Verbindungen des Vaters begann der Neunzehnjährige als Praktikant beim Hofkriegsrat in der Kaiserstadt. Durch weitere Empfehlungen wechselte der junge Goez dann zum Justizdepartement „mit fixem Gehalt“.

Titelkupfer des Melodrams „Leonardo und Blandine“ ...
Titelkupfer des Melodrams „Leonardo und Blandine“ (1783) von Joseph Franz von Goez
Seine bereits während der Schulzeit entdeckte Vorliebe für die Kunst pflegte er nun in seiner Freizeit, was seinen Dienstchef veranlasste, den jungen Mann einigen berühmten Künstlern Wiens zu empfehlen. Außerdem machte von Goez anatomische Studien und suchte sich im Zeichnen des menschlichen Körpers zu vervollkommnen. Sein Können blieb nicht unerkannt, sondern sprach sich herum, so dass er der Erste war, der den Feldmarschall Andreas Graf Hadik von Futak und seine Familie malte, den er wohl aus der Hofkriegskanzlei kannte. Diesem Auftrag folgten weitere, so vom Fürsten Lichnowsky, Feldmarschall Freiherr von Riesen u.a.

Nach dem plötzlichen Tod seines Vaters in Hermannstadt entschloss sich der mittlerweile 25-Jährige, seine gesicherte Stellung aufzugeben, obwohl ihn seine Freunde und Gönner davon abzuhalten versuchten, er kurz zuvor ein „ehrenvolles kaiserliches Belobungsdekret und eine bedeutende Gehaltsvermehrung erhalten“ hatte und ein Posten bei der kaiserlichen Gesandtschaft in Turin in Aussicht stand. Von seinem Vater dürfte er jedoch ein nicht unerhebliches Vermögen geerbt haben, so dass er nur noch der Kunst leben wollte und sich vornahm zu reisen.

Nachdem er noch einige Zeit in Wien zugebracht hatte, zog es ihn nach München, wo die Münchner Galerie mit ihren Schätzen lockte. Ab 1779 ist er also in der bayerischen Landeshauptstadt, wo ihm sogar eine Stelle an der zu errichtenden Kunstakademie angeboten wurde. Goez aber wollte frei sein. Nachdem er bereits – wie oben erwähnt – das Libretto für das Melodram geschrieben hatte, versuchte er sich nun an einer „Folge leidenschaftlicher Entwürfe für Kunst- und Schauspielfreunde“ nach der Bürger’schen Ballade. Der Inhalt war ihm ja sehr vertraut und so zeichnete er, basierend auf seinem Libretto-Text, 160 Bilder zu dieser Geschichte, die er dann auch selbst radierte und mit wenigen Worten erklärte. Sie erschienen 1784, als Goez sich bereits in Augsburg aufhielt. Wie sein Biograf August Krämer schreibt, machten die Bilder „seinen Namen als vortrefflichen Charakterzeichner in ganz Deutschland“ bekannt.

Diese Bilder haben Goez in neuester Zeit wieder ins Blickfeld der Öffentlichkeit gerückt, wird er doch von einigen als „Begründer“ der Comics bezeichnet, oder wie es englische Comicforscher ausdrücken, er schrieb „the first graphic novel“, da er – wie diese – eine Geschichte in Bildern erzählt.

Ein Zeitgenosse, der Schriftsteller Friedrich Nicolai, machte bei seiner „Reise durch Deutschland und die Schweiz im Jahre 1781“ (8. Band, 1787) auch in Augsburg Station. Schon in München habe Goez „viele treffliche Bildnisse in Miniatur“ gemalt, außerdem ein Porträt des Kurfürsten Karl Theodor, wofür er eine Auszeichnung der Münchner Akademie bekam. Nach Besichtigung seiner Werke war Nicolai der Ansicht, in ihm den künftigen „deutschen Hogarth“ zu sehen (William Hogarth zählte zu den bedeutendsten englischen Malern des 18. Jahrhunderts und wurde wegen seinen Karikaturen und mehrteiligen, mit beißender Ironie gestalteten Bildergeschichten über Sitten und Gebräuche bekannt). Nicolai wünschte sich von ihm künftig nicht nur einzelne Charaktere, sondern „vielmehr zusammengesetzte interessante Geschichten aus der lebenden Welt zu sehen“. Von Goez habe „eine unerschöpfliche Laune in komischen Ideen und einen überaus richtigen Blick in Beobachtung des Charakteristischen“, wovon sich Nicolai bei seinem Aufenthalt in Augsburg überzeugen konnte, denn Goez sei sein „beständiger Begleiter“ gewesen und ihm habe er einen Teil seiner angenehmsten Stunden in Augsburg zu verdanken.

Ein viel beachtetes Porträt „nach dem Leben“ zeichnete Goez von Papst Pius VI., der während seines Aufenthaltes in Augsburg die Stadt besuchte. Ein erneuter Aufenthalt in München endete mit Goez’ Ausweisung 1791. Anlass dazu war seine Nähe zum Illuminatenorden, der damals schon seit ein paar Jahren im Herzogtum Bayern verboten war. Wiewohl er sich keinerlei Vergehens bewusst war, ging er in die Freie Reichsstadt Regensburg und verblieb hier bis zu seinem Lebensende. Hier fand er unter den Beschäftigten beim Immerwährenden Reichstag zahlreiche Bewunderer und Abnehmer seiner Werke, auch waren ihm die Fürstin von Thurn und Taxis und der Fürstprimas von Regensburg sehr gewogen. Letzterer wollte ihn sogar zum neuen Direktor einer noch zu gründenden Kunstakademie machen, was aber die Zeitumstände nach dem Jahr 1806 dann nicht mehr erlaubten.

Joseph Franz Freiherr von Goez starb vor genau 200 Jahren, am 16. September 1815, in Regensburg.

Udo W. Acker

Schlagwörter: Maler, Zeichner

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