15. Oktober 2015

Wichtige Zeugnisse der Wirtschaftsgeschichte

Der nachfolgend kurz vorzustellende vierte Band aus Volker Wollmanns Buchreihe zu vorindustrielle und industriellen Denkmälern im heutigen Rumänien enthält – auf wieder mehr als 400 Seiten – eine inhaltlich sehr akkurate und mit historischen sowie aktuellen Abbildungen angereicherte Dokumentation von öffentlichen Bauten und Einrichtungen, die für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes wichtig sind und – leider! – oftmals in Vergessenheit geraten und dem Verfall preisgegeben sind.
Der Verfall von in vielen Fällen einmaligen Zeugnissen ist eine Folge des Desinteresses; der Autor zeigt dies an mehreren Beispielen in seinem Vorwort auf. Wollmann beschreibt allerdings auch lobenswerte Initiativen zum Erhalt von Denkmälern der Industriegeschichte; häufig sind diese auf private Initiativen oder jener lokaler staatlicher Stellen zurückzuführen. Die lange Liste von Personen und Institutionen, mit denen der Autor bei der ­Erstellung des vorliegenden Bandes zusammengearbeitet hat, sind ein weiterer Beleg für die ­Beschäftigung mit industriegeschichtlichen Denkmälern in Rumänien.

Das erste Kapitel behandelt den öffentlichen Verkehr und seine Infrastruktur, dazu gehören beispielsweise Straßenbahnen. Diese wurden anfangs von Pferden gezogen, später folgte die Traktion mit Dampf oder mit elektrischer Energie. In Siebenbürgen verkehr(t)en Straßenbahnen unter anderem in Kronstadt (ab 1892), Klausenburg und Hermannstadt. Das folgende Kapitel ist der öffentlichen Beleuchtung gewidmet. Die erste Straßenbeleuchtung in Hermannstadt soll es 1773 im Durchgang zwischen Kleinem Markt und Dragonermarkt gegeben haben. Zur Sicherung dieser Kerzenbeleuchtung wurden Wachen abgestellt. So vielfältig wie die Energiequellen für die Straßenbeleuchtung waren auch die Methoden zur Herstellung von Strom, die ebenfalls in diesem Kapitel behandelt werden. Den allgegenwärtigen „Transformatorhäuschen“ ist ein eigenes Unterkapitel gewidmet.
Dampfbetriebene Straßenbahn in Kronstadt (1899) ...
Dampfbetriebene Straßenbahn in Kronstadt (1899)
Mit über 100 Seiten sind im dritten Kapitel die Straßenbrücken sehr ausführlich dargestellt. Wollmann beginnt mit dem Brückenbau zur Zeit des römischen Daziens (unter anderem über die Donau) und stellt verkehrstechnisch und baugeschichtlich wichtige Brückenbauwerke bis zum 20. Jahrhundert vor. Besonders hebt er überdachte Holzbrücken hervor. Mit diesen vergleichbar ist auch die (ebenfalls überdachte) Schülertreppe in Schäßburg, die zu Bergschule und -kirche führt. Um den Bau von ­Metallbrücken hat sich insbesondere Karl Maderspach verdient gemacht. Viele der in Siebenbürgen teilweise auch noch heute in Verwendung befindlichen Eisenbrücken wurden in Reschitz gebaut; der dortigen Brückenfabrik ist ein eigenes Unterkapitel gewidmet. Brücken aus Beton sind die nächste Entwicklungsstufe, wenn auch bei weitem nicht so ansehnlich wie jene aus Metall.
Spritzenwagen der Freiwilligen Feuerwehr Bistritz ...
Spritzenwagen der Freiwilligen Feuerwehr Bistritz (ca. 1920)
Den öffentlichen Bädern ist das vierte Kapitel gewidmet. Diese hatten in Zeiten, als es noch kein fließendes Wasser und Badezimmer in jeder Wohnung gab, eine große Bedeutung. Das „Volksbad“ in Hermannstadt und jenes in Schäßburg sind nur zwei Beispiele der vielen im Buch beschriebenen Bäder. Wasser war auch für das Löschen der in Zeiten der Holzbauten häufig vorkommenden verheerenden Brände wichtig, ebenso die (freiwilligen) Feuerwehren. Diesen und ihren Einrichtungen (Feuerwachen etc.) ist das fünfte Kapitel des Buches gewidmet. Auch so mancher historische Spritzenwagen wurde identifiziert und dokumentiert. Für das Wirtschaftsleben bedeutsam waren die öffentlichen Waagen, die im sechsten und letzten Kapitel des Buches beschrieben werden. Der hier vorgestellte Band kann beim Verfasser Dr. Volker Wollmann, Telefon: (0 62 61) 6 41 74, zum Preis von 19 Euro (inkl. Versand) bestellt werden.
Holzbrücke über die Große Kokel bei Schäßburg ...
Holzbrücke über die Große Kokel bei Schäßburg (ca. 1920)
Der nächste – und nach heutiger Planung letzte – Band der Reihe befindet sich in Arbeit und soll im Frühjahr 2016 erscheinen. Als Schwerpunkte nennt der Autor öffentliche Brunnen im städtischen und ländlichen Bereich, Uhren an öffentlichen Gebäuden (mit besonderer Berücksichtigung der Turmuhren im sächsischen Siedlungsgebiet), Sonnenuhren, Sternwarten sowie Gedenkstätten und Denkmäler markanter Persönlichkeiten der Technikgeschichte. In diesem letzten Band sollen auch inhaltliche und fotografische Ergänzungen zu den bisher erschienenen Bänden aufgenommen werden. Aus Sicht des Rezensenten sehr hilfreich – besonders für die Autoren von Ortsmonographien – wäre ein Ortsregister, das alle Bände umfasst.

uk


Volker Wollmann: „Patrimoniu preindustrial și industrial in România [Vorindustrielle und industrielle Denkmäler in Rumänien]“, Band IV, Honterus Verlag, Sibiu/Hermannstadt 2014, 403 Seiten, ISBN 978-606-8573-22-9.

Schlagwörter: Buch, Industrie, Denkmal, Rumänien, Wirtschaftsgeschichte, Volker Wollmann

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