17. Oktober 2015

Das multikulturelle Banat: Die beiden neuen Hefte der Zeitschrift Spiegelungen

Schon das dritte Heft der Zeitschrift „Spiegelungen“ des Instituts für deutsche Kultur und Geschichte Südosteuropas ist nun in neuem Format und mit neuer Aufmachung erschienen und es scheint eine Erfolgsgeschichte zu sein. Laut ihrem kommissarischen Direktor, Konrad Gündisch, ist das erste Heft über die Dobrudscha bereits vergriffen und auch das zweite ist gut angekommen.
Nunmehr (ab dem 3. Heft) erscheinen die Spiegelungen auch nicht mehr im hauseigenen IKGS-Verlag, sondern bei Friedrich Pustet, Regensburg. Damit soll verstärkt Werbung gemacht werden. Auch in der Redaktion gab es Veränderungen. Georg Aescht wurde nun mit der Redaktion literarischer und essayistischer Texte betraut. Assistiert wird er von Joachim Schneider und Sarah Hummler. Die beiden neuen Hefte behandeln das multikulturelle Banat. Namhafte Wissenschaftler und Autoren haben sich daran beteiligt, wie etwa Maria Hausleitner, Hans Dama, Anton Sterbling, Elisabeth Axmann, Werner Söllner, Konrad Klein, Franz Heinz und viele andere mehr.

In beiden Heften ist ein eigener Teil über das multikulturelle Banat zu finden, der vor allem geschichtlich geprägt ist. Im ersten geht es beispielsweise um Mustafa Bego, dem türkischen Nargileh-Raucher und Nationalheld, und um die Insel Ada-Kaleh. Philippe Henri Blasen räumt darin mit Vorurteilen über Mustafa Bego auf und geht der historischen Wahrheit nach. Sein Beitrag ist mit etlichen Bildern des Nationalhelden, sei es auf Postkarten oder Fotografien, illustriert.

Anne Friederike Delouis beschreibt in ihrem Beitrag Siebenbürgen als „malerisches, außergewöhnliches Land mit einem trägen Charme“ und „schläfriger Poesie“, und das Banat als Land mit üppiger Fruchtbarkeit und von überraschender Schönheit. Sie behandelt die Eindrücke und Alltagserfahrungen westeuropäischer Reisender im 19. und frühen 20. Jahrhundert. Maria Hausleitner hingegen wendet sich einem wichtigen Tabuthema zu, und zwar dem Einfluss des Nationalsozialismus bei den Donauschwaben und im rumänischen und serbischen Banat. In ihrer fundierten und mit Zahlen belegten Studie weist sie darauf hin, dass die jungen Nationalsozialisten in Rumänien und Jugoslawien Unterstützung aus dem Reich bekamen. Ende 1943 dienten etwa 54.000 Deutsche aus Rumänien zudem bei der Waffen-SS, weitere 15.000 bei der Wehrmacht oder der Organisation Todt. Selten wagte es jemand, sich dem Gruppendruck zu entziehen, um nicht eingezogen zu werden, zumal der Marschall Antonescu der Einberufung zugestimmt hatte. Die Autorin behandelt aber nicht nur den Einfluss des Nationalsozialismus vor und während des Krieges, sondern führt auch die Karrieren an, die die früheren NS-Funktionäre nach dem Krieg in den Landsmannschaften hatten. Außerdem ruft sie zu einer Aufarbeitung dieser dunklen Zeiten auf. Gwénola Sebaux untersucht in ihrer Studie, die bereits in Paris erschienen ist, die Rolle der deutschen Minderheit im pluriethnischen Banat an der Schwelle zum 21. Jahrhundert.

Im zweiten Heft werden die geschichtswissenschaftlichen Beiträge fortgesetzt. Gábor Czoch belegt die Auswanderung aus Lothringen nach Ungarn im 18. Jahrhundert und beschreibt auch, dass viele Auswanderer finanziell unterstützt wurden, beispielweise wurden ihre Reisekosten übernommen. Marionela Wolf spricht über die evangelischen Einwanderer ins Banat, die in der Minderheit waren. Josef Wolf erforscht hingegen die Landerschließung und das Raumwissen im frühen habsburgischen Banat und die Tatsache, dass dieses Wissen mit der Eroberung des Landstriches einherging. „Erst durch die Aneignung des Raumes erreicht die Verwaltung Handlungsfähigkeit“. Ab 1718 wurde die „periphere habsburgische Provinz, die sich von den benachbarten ständischen Herrschaftsgebieten – dem Königreich Ungarn und dem Fürstentum Siebenbürgen – unterschied“, als das „Temeswarer Banat“ bezeichnet. Sehr ausführlich wird beschrieben, wie sich Raum und Wissen bedingen, durchdringen und beeinflussen.

In einem Nachruf erinnert Konrad Klein an den bekannten Banater Fotografen Edmund Höfer, der im August 2014 gestorben ist. Im ersten Heft folgt dann noch ein kirchengeschichtlicher Beitrag von Ulrich A. Wien. Dann jedoch werden die Hefte literarisch. Im zweiten Heft gibt es eine literaturwissenschaftlichen Beitrag von Anne Peiter über mehrere aus Galizien stammende Autoren. Warum diese in einem Banater Heft erscheinen, wird nicht so klar. Mit Essays glänzen in beiden Teilen etwa Hans Dama über Adam Müller Guttenbrunn, Anton Sterbling über den Mythos Banat, Franz Heinz über den Banater Resonanzkasten mit levantinischem Akkord und Kirsten Saxinger über die Republik Moldau zwischen Ost und West.

Auch die literarischen Texte bezaubern, etwa das vielversprechende Romanfragment (Die gläserne Bibliothek) von Werner Söllner, in dem es litaneiartig über den toten Großvater und die tote Großmutter geht, oder aber die Gedichte der zu früh verstorbenen Monika Kafka. Kurzweilig auch die „Grenzgeschichte“ von Elisabeth Axmann. Im zweiten Heft kommen die Dorfschreiber aus Katzendorf zu Wort, etwa Elmar Schenkel mit Fragmenten und Eindrücken aus Rumänien oder Jürgen Israel mit Fragen und Tagebuchaufzeichnungen sowie Gedichten. Auch ist Iris Wolf mit einer literarischen Kostprobe, ihrer eindringlichen Erzählung „Haus mit Himmelsleiter“ darin vertreten.

Die Rezensionen und Berichte beschließen, wie üblich, die beiden nun viel dickeren Hefte (248 und 276 Seiten) der Zeitschrift, die jetzt halbjährlich erscheint. Geschichtsträchtig, aber nicht minder interessant sind die Spiegelungen im neuen Format. Die Beiträge sind wissenschaftlich fundiert und ausgesprochen gut präsentiert, man wünschte sich vielleicht mehr literaturwissenschaftliche Beiträge darin, aber das kann ja bei einem anderen Thema durchaus noch kommen.

Edith Ottschofski


Spiegelungen. Zeitschrift für deutsche Kultur und Geschichte Südosteuropas, IKGS, München und Verlag Friedrich Pustet, Regensburg, ISSN 1862-4995, Heft 2/14, Multikulturelles Banat (I), Heft 1/15, Multikulturelles Banat (II). Preis des Einzelheftes: 17,00 Euro, zuzüglich Porto- und Versandkosten, Jahresbezug: 28,00 Euro einschließlich Porto- und Versandkosten. Bestellung, Vertrieb und Abonnentenverwaltung: Verlag Friedrich Pustet, Gutenbergstraße 8, 93051 Regensburg, Telefon: (09 41) 9 20 22-0, Fax (09 41) 9 20 22-330, E-Mail: verlag[ät]pustet.de, Internet: www.verlag-pustet.de

Schlagwörter: Zeitschrift, IKGS, Spiegelungen, Banat

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