27. November 2015

Landler-Symposium in Wien

Vom 13. bis 14. November fand im Albert Schweitzer Haus in Wien unter Beteiligung namhafter Wissenschaftler der Landlerforschung und Vertreter des in Siebenbürgen und darüber hinaus tätigen Vereins „Landlerhilfe“ eine wissenschaftliche Tagung zum Thema Siebenbürger Landler statt. Organisiert wurde diese Tagung in Zusammenarbeit dreier österreichischer Institutionen: der Akademischen Sektion des Österreichischen Alpenvereins, dem Evangelischen Bildungswerk Oberösterreichs und der Österreichisch-Rumänischen Gesellschaft. Vertreten durch Gertrud Schuller war auch die Österreichische Landsmannschaft, die Nachfolgerin des 1880 gegründeten Deutschen Schulvereines, als auch die „Landlerhilfe“, ein kleiner Verein, der sich bis in die Gegenwart darum bemüht, das Schicksal von Altösterreichern aus den Rändern der ehemaligen Donaumonarchie zu dokumentieren und aufzuarbeiten. Die Koordination der auch atmosphärisch sehr gelungenen Tagung lag in den Händen von Frau Dr. Ulrike Pistotnik.
Die zahlreichen Referenten und Zuhörer kamen aus Österreich, Deutschland und Rumänien. Die Referenten beleuchteten das Landler-Thema aus vielfältiger zeitlicher, thematischer wie fachspezifischer Perspektive, wobei der Bezug zur Gegenwart in den siebenbürgischen „Landlerdörfern“ von großer Wichtigkeit war.

Den Anfang machte Mag. Renate Bauinger, eine gebürtige Landlerin aus Neppendorf und Kennerin des wissenschaftlichen Lebenswerkes von Dr. Helmut Klima. Sie begrüßte die Anwesenden im Namen des Evangelischen Bildungswerkes Oberösterreichs.

Die Vortragsreihe eröffnete Dietrich Galter, Dechant des Hermannstädter Bezirks der Evangelischen Landeskirche in Rumänien. Er beleuchtete das heutige Leben der Landler in Siebenbürgen im Spannungsbogen von Resignation und Optimismus. Eva Hoffmann, geborene Beer, ebenfalls aus dem „Landlerort“ Neppendorf gebürtig, würdigte das vielseitige Engagement von Lore-Lotte Hassfurther und beschwor die Erinnerung an deren Person herauf, an die vielen Begegnungen mit Lore-Lotte Hassfurther (siehe Biografie unten). Unter anderem betonte sie, dass Frau Hassfurther sich nach dem Sturz des kommunistischen Regimes in Rumänien bei der österreichischen Bundesregierung um eine Aufnahme der siebenbürgischen Landler in Österreich eingesetzt habe. Sie scheiterte aber an politischen Bedenken. Nichtsdestotrotz konnten mehrere Landler über Sonderreglungen in Bad Goisern eine neue Heimat finden.

Renate Bauinger hatte das Glück, in jungen Jahren als Mitarbeiterin von Pfarrer Klima diesen und seine Arbeit genauestens kennenzulernen. Dessen umfangreiches Archiv (etwa 81 112 Karteikarten mit Aufzeichnungen, 2400 Karteikarten zur Chronologie siebenbürgischer Geschichte,
Dr. Mathias Beer ...
Dr. Mathias Beer
9677 Karteikarten über Persönlichkeiten, 394 Ortmonographien in Daten und vieles mehr) befindet sich zum Teil in der Bibliothek auf Schoss Horneck, zum anderen Teil im Privatbesitz in Österreich. Dr. Mathias Beer, Geschäftsführender Direktor des Institutes für Donauschwäbische Geschichte und Landeskunde in Tübingen, stellte sein neuestes Buch „Joseph Ettinger. Kurze Geschichte der ersten Einwanderung oberösterreichischer evangelischer Glaubensbrüder nach Siebenbürgen“ vor. Er thematisierte am konkreten Beispiel den Stellenwert von Laien in der Geschichtsforschung. Auch brachte er das Thema Phänomen der „Musealisierung des Landlerischen“ zur Sprache, das er seit den 1990er Jahren beobachtet. Der erste Tagungstag wurde mit einem Bericht von Dr. Ulrike Pistotnik über eine Radtour von Wien nach Siebenbürgen abgeschlossen.

Den folgenden Samstag eröffnete Dr. Irmgard Sedler mit einem Vortrag
Dr. Irmgard Sedler bei ihrem Vortrag ...
Dr. Irmgard Sedler bei ihrem Vortrag
über die Landler zwischen Luthertum und Anabaptismus. Sie ging auf die individuellen Glaubensvorstellungen der Geheimprotestanten in den habsburgischen Erblanden ein, die ihre Integration sowie ihr Verhältnis zu den Glaubenspraktiken der Siebenbürger Sachsen erschwerten. Sie beleuchtete von dieser Warte aus das „Überlaufen“ von Kärntner Deportierten aus dem sächsischen Siedlungsgebiet hin zu den Hutterern in Alvinz (Vintul de Sus), die hier seit Anfang des 17. Jahrhunderts siedelten.

Wilfried Schabus, ehemaliger Mitarbeiter am Phonogrammarchiv der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, referierte über die sprachliche „Stammesrivalität“ (Landler versus Sachsen) in den drei Dörfern Neppendorf, Großau und Großpold sowie über das Ordnungsdenken als soziale Gestaltungskraft des Lebens in den „Landlerdörfern“. Symptomatisch hierfür zitierte er einen Ausspruch des Bischofs der Siebenbürgischen Landeskirche A. B. in Rumänien, der 1990 von einer „Kirche der Liebe – nicht so sehr als Gefühl, sondern als präzise Struktur des Zusammenlebens“ sprach.

Roland Girtler, Professor am Institut für Soziologie der Universität Wien, hat zahlreiche Sommer zusammen mit Studenten in Großpold verbracht. In seinem Vortrag „Als Totengräber und Kuhtreiber in Großpold – der Wandel der bäuerlichen Kultur der Landler“ schilderte er in seiner unverwechselbaren Art seine wissenschaftlichen Erfahrungen im „Landlerdorf“ Großpold. Er berichtete in pointierter Ausdrucksweise u. a. von „der letzten deutschen Kuh im Dorf“, von Roma-Persönlichkeiten, die ihm und seinen Studenten als Gewährspersonen dienten, vom „Zigeuner“ – „ich darf die Roma so nennen, weil ich es per Urkunde vom Zigeunerkönig habe“ –, der gut deutsch sprach, weil er schon „viermal Asylant in Deutschland“ gewesen sei.

Dr. Franz Grießhofer, ehemaliger Direktor am Österreichischen Museum für Volkskunde in Wien und Hon.-Prof. am Institut für Europäische Ethnologie der Universität Wien, referierte über die „Küche der Landler – zwischen Erinnerung und Alltag“. Er stellte fest, dass im ökonomischen Bereich die Akkulturation der Landler in Siebenbürgen zwingend war, in der Kultur aber nicht, so dass die Zubereitung der Speisen als ein geistiges Gut angesehen, vieles aus der österreichischen Heimatküche über die Zeiten hinweg tradierte.

Christa Wandschneider und Herbert Kefer referierten über eine ähnliche Thematik. Frau Wandschneider verfolgte
Christa Wandschneider, Bundesreferentin für ...
Christa Wandschneider, Bundesreferentin für Frauen, Familie und Aussiedlerbetreuung
am Beispiel der in Augsburg ansässigen Großpolder Landler, wie die an Örtlichkeit gebundene Institution der siebenbürgischen Nachbarschaft bei den Landlern in Deutschland den tradierten Rahmen für gewandelte Inhalte anbietet und wie diese letztlich auch auf die Heimatortsgemeinschaft (HOG) ihren Einfluss hat und eine organisatorische Hilfestellung bietet. Demgegenüber verkündete Kefer als Vertreter des „Heimat- und Landlermuseums“ in Bad Goisern seine Erfahrungen mit den hier in der „Urheimat“ wieder angesiedelten Neppendorfer Landlerfamilien zeige, dass diese in der jüngeren Generation „mit der Heimat abgeschlossen“ hätten. Die vorbildliche Assimilation habe es mit sich gebracht, dass deren Kinder keine Neugierde auf Siebenbürgen zeigen würden, denn „die Geschichte hat man ja im Landlermuseum“.

Die gelungene Tagung fand ihren Abschluss mit einem Referat von Walter Rieder über die Auswanderung von Holzknechten aus dem Salzkammergut nach Steierdorf/ Anina und Oberwischau/Viseul de Sus – heute in Rumänien liegend – und in Orte der Waldkarpaten in der heutigen Ukraine.

Werner Sedler

Lore-Lotte Hassfurther (1921-2012)

Lore-Lotte Hassfurther, geborene Buchler, kam am 1. Juli 1921 in Baden bei Wien in einer bürgerlichen Familie zur Welt. Die Mutter entstammte einer wohlhabenden Kaufmannsfamilie aus Triest, der Vater arbeitete ab 1926 in Kuba und ab 1929 in New York als erfolgreicher Architekt. Lore-Lotte wuchs mit zwei Schwestern in Baden auf. Hier besuchte sie das Gymnasium, in Wien wurde sie zur Sportlehrerin ausgebildet. 1941, noch während des Krieges, heiratete sie Dr. Gottfried Hassfurther, einen Altphilologen und begeisterten Bergsteiger.
Gottfried und Lore-Lotte Hassfurther mit Kindern ...
Gottfried und Lore-Lotte Hassfurther mit Kindern Helfried und Irmgard ca. 1950 Foto: Archiv H. Hassfurther
In den 50er Jahren intensivierte der Ehemann sein Engagement für die Akademische Sektion des Österreichischen Alpenvereins, dieser Arbeit schloss sich auch Lore-Lotte an. 1957 wurde eine Jugendgruppe gegründet, deren Leitung Lore-Lotte übernahm. Dass Ehepaar Hassfurther hieß hinfort in den Kreisen des Alpenvereins „Chef und Chefin“. Dazu war Lore-Lotte hauptamtlich als Turnlehrerin an einem katholischen Privatgymnasium in Wien tätig.

Ab 1982 beteiligte sich das Ehepaar Hassfurther aktiv an der Siebenbürgerhilfe der Österreichischen Landsmannschaft. Zusammen mit deren Obfrau Gertraud Schuller und unter Mithilfe von Barbara Schöfnagel hat Lore-Lotte Hassfurther bis 1992 Siebenbürgen ungefähr 30 Mal besucht. Den Hilfsaktionen mit Lebensmittelpaketen, Medikamenten und Kleidern schloss sich auch der Akademische Alpenverein an.

Zum Interessengebiet von Frau Hassfurther gehörte auch das Studium der Alltagskultur und der Trachten der Siebenbürger Landler. Ihrem kulturpolitischen Engagement und ihrem Sammlerfleiß ist das Zustandekommen des späteren „Landlermuseums“ in Bad Goisern zu verdanken. Das von der damals am Brukenthalmuseum in Hermannstadt tätigen Volkskundlerin Irmgard Sedler konzipierte und gestaltete Museum wurde 1992 teileröffnet und 1995 in einem Festakt an die Stadt-Gemeinde Bad Goisern übergeben. Es wurde 1995 mit dem Österreichischen Museumspreis ausgezeichnet.

1989 gab Lore-Lotte Hassfurher den Band „Landler. Vergessene altösterreichische Tracht in Siebenbürgen“, an dem mehrere Wissenschaftler in Siebenbürgen mitgearbeitet haben, im Wort-und-Weltverlag, Thaur bei Innsbruck heraus.

Nach dem Tod ihres Mannes Gottfried im Jahre 2006 wurde es ruhig um Lore-Lotte Hassfurther. Sie verbrachte ihren Lebensabend gut umsorgt in ihrem Haus in der Piaristengasse in Wien. Sie starb am 3. März 2012 in Wien. Ihrem über Jahrzehnte andauernden Engagement zum Gedenken wurde das diesjährige Symposium „Weg der Landler“ organisiert.

Schlagwörter: Landler, Symposium, Wien

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