10. Dezember 2015

Von hohem dokumentarischen Wert: Faksimile-Ausgabe von Johannes Honterus‘ „Rudimenta Cosmographica“

„Rudimenta Cosmographica“ ist das weltweit am meisten verbreitete Druckwerk des Kronstädter Humanisten Johannes Honterus, des historisch wohl berühmtesten Siebenbürger Sachsen. Es ist an der Zeit, dieses Werk nicht nur als Faksimile der Auflage von 1542, sondern in voller Länge mit Übersetzungen in Hexametern auf Deutsch, Rumänisch und Ungarisch in einem Band der Öffentlichkeit vorzustellen.“ So viel aus dem Vorwort der Redakteure und Autoren dieses Werkes, federführend Dr. Robert Offner, gebürtiger Siebenbürger, Arzt am Universitätsklinikum Regensburg und Medizinhistoriker.
Zusammen mit drei weiteren siebenbürgischen Historikern, Dr. Harald Roth, Thomas Șindilariu und Dr. Ulrich Andreas Wien, die als Mitherausgeber des Werkes vermerkt sind, sollen auch die Autoren und Übersetzer der Texte dieses Buches genannt werden: Dr. Heinz Heltmann, Gernot Nussbächer, Dr. Zsolt Gyözö Török, Dr. András F. Balogh, Georg Burkhardt, Valeria Caliman, Dr. László Magyar, Dr. Peter Pauly, Èva Mária Papp, Dr. Lore Poelchau und Dr. Edit Szegedi. Zwei der Mitarbeiter haben sich schon vor Jahrzehnten mit der Übersetzung und der Herausgabe der Honterusschen Cosmographie befasst, und zwar Valeria Caliman, die 1992 verstorbene Übersetzerin und Philologin aus Kronstadt, und auch Dr. Lore Poelchau, eine in siebenbürgischen Kreisen bekannte Altphilologin, die 2008 gestorben ist.

Honterus, 1498 in einer begüterten Patrizierfamilie in Kronstadt geboren, immatrikulierte 1520 an der Wiener Universität, war 1529 in Regensburg und inskribierte 1530 in Krakau, wo er die für Studierende gedachte erste Version seiner Cosmographie drucken ließ. Es folgte ein längerer Aufenthalt in Basel. Sein Wirken dort in der damals äußerst fruchtbaren Atmosphäre des Humanismus dieser Stadt als Buchdrucker und Verleger ist bekannt. Dort fertigte er u.a. seine Siebenbürgenkarte an. Ein weiterer Aufenthalt in Nürnberg prägte wesentlich sein Schaffen. Ab 1533 lebt Honterus in seiner Geburtsstadt, wird dort Ratsherr und möglicherweise Schulmann, eröffnet eine Buchdruckerei, die berühmte Bibliothek, eine Papiermühle, ist Initiator der Reformation der Siebenbürger Sachsen und erster gewählter evangelischer Stadtpfarrer seiner Heimatstadt. 1541 erscheint in Kronstadt die erste Ausgabe der „Cosmographia“, seine Weltbeschreibung, und 1542, ebenfalls in Kronstadt die Endfassung dieses Werkes. Im 20. Jahrhundert, Jahre bevor diese schöne Neuausgabe der „Cosmographia“, die wir hier vorstellen, erschienen ist, wurde 1988 in Klausenburg ein moderner Nachdruck mit rumänischer Übersetzung (Autoren Valeria Caliman, Paul Binder und Gernot Nussbächer) verlegt.

Rudimenta cosmographica war ursprünglich als ein Lehrbuch für die Studierenden der Kronstädter Schule gedacht. Die Originaltexte sind in diesem Werk auf 86 Seiten in lateinischer Sprache und in Gedichtform – in Hexametern – wie das damals in Schulbüchern üblich war, wiedergegeben. Dazu einige Illustrationen und Karten, von Honterus selbst gestaltet. Diese „Weltbeschreibung“ ist eine Schulenzyklopädie, die das gesamte naturwissenschaftliche und sozial-anthropologische Wissen der frühen Neuzeit beinhaltet. Das Buch hatte schon im 16. Jahrhundert große Bedeutung als Schulbuch und Informationswerk für sozusagen alle Intellektuellen jener Zeit. 96 Nachdrucke des Werkes, die bis 1695 erschienen sind, hatten einen regen Umlauf in allen siebenbürgischen Städten und waren somit Kulturträger und Medien des Wissenstransfers von hohem Rang. Dazu gesellen sich die vielen Nachdrucke der „Cosmographia“, die in zahlreichen humanistischen Zentren Europas aufgelegt wurden und Honterus in ganz Europa bekannt werden ließen.

Die hier zu besprechende Ausgabe enthält ein einleitendes Essay aus der Feder des Kirchenhistorikers Dr. Ulrich A. Wien über den Humanisten Honterus und seinen hohen europäischen wissenschaftlichen Rang. In einem zweiten Text führt der ungarische Historiker und Spezialist der Geschichte der Kartographie Dr. Szolt Gy. Török in die zeitlichen Umstände der Entstehung von Honterus Cosmographie im 16. Jahrhundert ein.

Im nächsten Kapitel informieren der Biologie Dr. Heinz Heltmann und Dr. Robert Offner die Leser über die komplexen Inhalte von Teil 4 der Cosmographie, wobei die einzelnen Stichworte der „Weltbeschreibung“ auf ihre fachlichen Inhalte überprüft werden. Folgende Sachgruppen aus der „Weltbeschreibung“ werden genannt, über ihre Herkunft aus anderen antiken bis frühneuzeitlichen Publikationen wird gesprochen und kommentiert: Anatomie des Menschen, Tiere, Pflanzen, Ämter Verwandtschaften, Hausrat, Kleidung, Nahrung und Krankheiten. 212 Tierarten und nahezu 300 Pflanzennamen kommen in der Cosmographia vor.
Weltkarte aus der Endfassung der Cosmographie ...
Weltkarte aus der Endfassung der Cosmographie versehen mit dem Monogramm IHC (Johannes Honterus Coronensis)
Der medizinische Part der „Rudimenta cosmographica“ wurde in seiner Bedeutung in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts vom Kronstädter Arzt und Medizinhistoriker Dr. Arnold Huttmann und von Gernot Nussbächer analysiert. Anschließend präsentiert auf über 30 Seiten Gernot Nussbächer, wohl bester zeitgenössischer Kenner von Johannes Honterus‘ Leben und Werk, die Bibliographie über die Ausgaben der „Cosmographie“ für die Zeit von 1530 bis 1692. Allein dieses Kapitel ist von unschätzbarem dokumentarischem Wert. Dafür wurden nahezu 35 große Bibliotheken und historische Archive, von Alba Julia/Karlsburg bis Zürich von Nussbächer im Laufe jahrzehntelanger Arbeit durchforstet und dort, wo Exemplare und Drucke der „Cosmographie“ vorliegen, dokumentarisch erfasst.

Einige Worte über die Form und Gestaltung der „Cosmographie“. Für den Faksimile-Teil wurde die Kopie der Endfassung von 1542 aus dem Archiv der Honterusgemeinde zu Kronstadt verwendet. Titelbild sowie die 16 Landkarten, von Honterus konzipiert, machen das Werk interessant und anschauenswert. Ebenso die zahlreichen Kopien von Drucken aus den 16. bis 18. Jahrhundert, die aus anderen Ausgaben von Weltbeschreibungen stammen oder Menschen und Tiere darstellen, entnommen z.B. dem berühmten Buch des Andreas Vesalius (Basel, 1543). Städteansichten sowie Porträts von Humanisten der frühen Neuzeit, lockern weiterhin die Texte des Buches auf. Weniger gelungen vielleicht das etwas unruhig wirkende Umschlagbild des Buches.

Dieser Druck ist mit finanzieller Unterstützung und im Auftrag des Departements für Interethnische Beziehungen der Regierung Rumäniens und des Demokratischen Forums der Deutschen in Kronstadt in Zusammenarbeit mit dem Arbeitskreis für Siebenbürgische Landeskunde Heidelberg erschienen. Ein großes Lob den Redakteuren und Autoren, insbesondere dem Haupt- initiator des Werkes, Dr. Robert Offner. Das Buch sollte jedem, der mit der Gegenwart und zumal mit der Vergangenheit Siebenbürgens in Beziehung steht, als Dokumentations- und Präsentationsmodell einer für die Geschichte Siebenbürgens wichtigen Zeit zur Verfügung stehen. Honterus wird heute als einer der vielseitigsten und produktivsten Schulbuchverleger angesehen. Dass Honterus in der gesamten geistigen Welt der damaligen Zeit bekannt war und gewürdigt wurde, widerspiegelt sich auch in einer Äußerung des berühmten Mitstreiters von Luther Johannes Buggenhagen, der über dieses Buch folgendermaßen urteilt: „In diesem bescheidenen kleinen Werk sind der gesamte Plinius und der gesamte Aristoteles zusammengefasst“.

Wir schließen diese Buchbesprechung mit einem Zitat aus dem vierten Kapitel der Cosmographia, in dem die Grenzen der menschlichen Erkenntnisfähigkeit zum Ausdruck kommen, Grenzen, deren wir uns auch heute bewusst sind: „Wer könnte die Kräfte und die Namen von allen Dingen enthüllen, oder sovieler Arten Gestalt unterscheiden? Gibt es doch mehr Pflanzen als Namen ...“.

HvK


Johannes Honterus: „Rudimenta Cosmographica. Grundzüge der Weltbeschreibung“ (Corona, Kronstadt, 1542), kommentierte Faksimile-Ausgabe im Lateinischen, Übertragungen ins Deutsche, Rumänische und Ungarische, Schiller Verlag Hermannstadt – Bonn, 2015, 364 Seiten, 18,30 Euro, ISBN: 978-3-944529-62-2.

Schlagwörter: Honterus, Buch, Faksimile, Kronstadt

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