25. Dezember 2015

Etymologischer Spaziergang (17): Wat es en Fatschenkängd? Was ist ein Fatschenkind?

Heutzutage wird ein Säugling mit Windeln oder Pampers versorgt und bekommt bald ein „Strampelhöschen“, das ihm Bewegungsfreiheit im Liegen erlaubt. Das war aber durch Jahrtausende anders:
Der Säugling wurde mit langen Stoffstreifen, Binden, umwickelt, die Arme an den Rumpf fixiert wie bei einer ägyptischen Mumie. Windeln waren also nicht weiche Stofftüchter, sondern Binden: althochdeutsch „wintila“ = Binde, mittelhochdeutsch „windel“ und „wintel“. Sie dienten auch zum Verbinden eines verletzten oder verstauchten Gliedes.

In unserer Mundart heißt der mit Binden umwickelte Säugling Fatschenkängd. Das Wort leitet sich vom lateinischen „fascia“ ab, was Streifen oder Binde bedeutet und im alten Rom eine Stirnbinde oder ein „Budenband“ (= Büstenhalter) bezeichnete. Das Lehnwort fatschen ist aus der deutschen Schriftsprache verschwunden, es steht nicht im Grimm und nicht im Meyer. In Österreich aber sind „fatschen“ und „Fatschenkind“ umgangssprachlich geläufige Wörter.

Von „fascia“ leitet sich auch lat. „fascis“ ab, das Wort für Bündel. „Fascis“ ist auch das Rutenbündel mit Beil, das von den Liktoren im alten Rom den hohen Magistratsbeamten vorausgetragen wurde als Zeichen ihrer Strafgewalt, im zwanzigsten Jahrhundert von Mussolinis „Faschisten“ als Zeichen ihrer Partei usurpiert.

Das „Fatschenkind“ findet sich schon auf frühchristlichen bildlichen Darstellungen der Seele, die den sterbenden Leib verlässt. Bei der Abbildung des Todes der Muttergottes steht Christus hinter dem gelagerten Leib der Maria und hält ihre „neugeborene“ Seele wie eine mit „Kornährenverband“ gefatschte Puppe in den Armen.

Wahrscheinlich herrschte in alten Zeiten bis ins vorige Jahrhundert die Vorstellung, dass das Fatschen des Säuglings „gesund“ sei; die Verhinderung seines Zappelns sorgte dafür, dass „nichts passiert“, vielleicht half das Fatschen auch magisch gegen Schadzauber wie den „bösen Blick“. Immerhin, können wir Heutigen ­sagen, wurde das Neugeborene seit jeher, wenn irgend möglich, gebadet, ehe es zum „Fatschen­kind“ gemacht wurde.

Dr. Roland Phleps

Schlagwörter: Etymologie, Mundart, Siebenbürgen

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