28. April 2016

Mut zu Neuem! Kultur- und Frauenreferenten-Tagung inspiriert vielfältig

Wenn eine Kirchenrätin und eine Schauspielerin aufgeschlossene Ehrenamtliche aus 14 Kreisgruppen treffen und sich gegenseitig mitreißen sowie aufeinander einlassen, entstehen nicht nur fortschrittliche Gedanken und Mut machendes Gemeinschaftsgefühl, sondern auch spontan Verse über die Tagung, die sich schwerpunktmäßig dem Lutherjubiläum 2017 in den Kreisgruppen widmete. Zur Tagung „Siebenbürgisch-sächsischer Kreisverband und 500 Jahre Reformation“ am 16. und 17. April in Roßtal bei Nürnberg hatte der Landesverband Bayern des Verbandes der Siebenbürger Sachsen in Deutschland eingeladen.
Der Sonntag stand im Zeichen gelungener Theaterauftritte: Schauspielerin Eva-Maria Piringer aus München, geboren 1984 in Großpold, begeisterte mit ihren „ungehaltenen Reden ungehaltener Frauen“ von Christine Brückner nicht nur durch die Auswahl der bekannten Frauen Christiane von Goethe, geb. Vulpius, und Eva A.P. Braun, verheiratete Hitler, sondern auch durch ihr einfühlsames und überzeugendes Schauspiel. Für ihre Auftritte braucht sie keine große Bühne, ist also die ideale Besetzung für neue Themen in Veranstaltungen der Kreisgruppen. Die Führung durch Nürnbergs Altstadt mit Schauspielern des Vereins „Geschichte für alle e.V.“ zeigte höchst amüsant, verpackt in „Sagen und Legenden“, nicht nur das Leben und Denken in Nürnbergs Vergangenheit, sondern auch, wie kurzweilig Geschichte präsentiert werden kann. Was Ilse Stirner aus Karlsfeld-Dachau in Verse fasste, war eine Erkenntnis aus den engagierten Debatten des Vortages: „Was Neues muss her! – das ist allen klar, der zukünft’ge Weg nur modern durchführbar.“

Modärn Rokestuff

Der Samstag hatte mit Berichten aus den Kreisgruppen begonnen, die sich mehrheitlich ebenfalls um Neues bemühen. In Waldkraiburg wird z.B. Weihnachtsschmuck aus Lebkuchen gebacken und verkauft, in Ebersberg wird eng mit der Stadt zusammen gearbeitet und leer stehende Schaufenster werden für Ausstellungen genutzt, in Geretsried sind die Zehntfrauen wichtige Binde- und Mobilisierungsglieder der Kreisgruppe, die Kreisgruppen in Coburg und Erding arbeiten gut mit dem BdV zusammengearbeitet, in Traunreut wurden neue Trachten für die steigende Anzahl der Jugendlichen in mehreren Gruppen genäht und eine junge Dame für die Pflege der Homepage gefunden, aus Schweinfurt selbstgestrickte Socken und Brillen ins Altenheim in Hetzeldorf geschickt und bei den Veranstaltungen Spiele eingebaut.
Die Tagungsteilnehmer mit Melitta Müller-Hansen ...
Die Tagungsteilnehmer mit Melitta Müller-Hansen (Vierte von rechts) vor dem Kapellenhof in Roßtal.
Kempten bietet nach Seminaren Beratung in Altersfragen, in Karlsfeld-Dachau singt der Chor mit dem einheimischen Gospelchor zusammen, in Augsburg kocht man neben Vorträgen in der „Europa-Woche“ Brodeläwend und landlerische Knödel und präsentiert bei den neuen „Begegnungen“ u.a. siebenbürgische Osterbräuche, Regensburg arbeitet mit dem Ev. Bildungswerk zum Thema „Reformation in Südosteuropa“ zusammen. Das sind alles erfreulich kreative Ideen! Nicht zu toppen ist diesmal jedoch Ingolstadt: Am 18. Juli wird dort der „Siebenbürger Platz“ eingeweiht!

Ralph Lienerths „Kapellenhof“ bietet siebenbürgische Küche. Die köstlichen Krautwickel mit Palukes zu Mittag passten wunderbar auch zum Vortrag von Inge Alzner, der Vorsitzenden des Kreisverbandes Nürnberg, die über die Gestaltung der neuen Idee, sächsische Nächte im Haus der Heimat zu veranstalten, sprach: In verschiedenen Räumen wurden beim ersten Mal Vorträge, Lesungen, Gesang und Trachtenvorführungen im Wechsel angeboten und eine moderne Rockenstube initiiert, heuer dann eine FilmeNacht, wobei die Filmregisseure zu einem Gespräch eingeladen oder über Skype kontaktiert wurden, so dass das Publikum sie kennenlernen konnte.
Referentin Inge Alzner bei der Kulturreferenten- ...
Referentin Inge Alzner bei der Kulturreferenten- und Frauenreferenten-Tagung in Roßtal. Foto: Doris Hutter
Wie in einer Rockenstube wurden die Berichte aus den Kreisgruppen neugierig aufgenommen, kompetent hinterfragt und vielseitig beleuchtet. Es war schön zu sehen, wie viel Potential in unseren Kreisgruppen steckt!

„Hier stehe ich, ich kann nicht anders…“

Als Martin Luther 1521 im Reichstag zu Worms diese Worte sprach, war die Welt im Umbruch. „Es gab mehrere Revolutionen: die geografische (Entdeckung Amerikas), mediale (Gutenbergs Erfindung des Buchdrucks), politische (Zersplitterung nach dem Dreißigjährigen Krieg), theologische (Gott ist gnädig). Die eine kirchliche Macht musste einer Vielheit von Kirchen weichen, Autoritäten wurden infrage gestellt…“ So leitete Kirchenrätin Melitta Müller-Hansen, Rundfunkbeauftragte der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern, als Referentin den Workshop „500 Jahre Reformation- Persönlichkeiten, Fakten, Impulse“ ein. Im Rahmen der Kernpunkte der Reformation erklärte sie u.a. auch die Stärke des Kreuzes als Befreiung vom Zwang zu siegen: „Das gibt Freiheit, macht stark und den Weg frei für Vergebung.“ 1530 wurde beim Reichstag zu Augsburg das neue Bekenntnis der lutherischen Kirchen, die Confessio Augustana, das „Augsburger Bekenntnis (A.B.)“ unterzeichnet. Die Referentin erwähnte kurz einige Künstler der Reformation, z.B. die beiden Maler Lukas Cranach sowie Johannes Honterus, den Universalgelehrten, und leitete dann mit einem selbst produzierten Film über Luther zum Workshop über. Christa Wandschneider beleuchtete ergänzend die Rolle von Frauen in der Reformation an den Beispielen Katharina von Bora und Apollonia Hirscher, der Kronstädterin. Damit war die intensive Suche nach guten Ideen für die Gestaltung des Lutherjahres 2017 eröffnet. In Gruppen wurde rührig erörtert, was Reformation für jeden persönlich bedeutet und wie man das bei der Tagung Erfahrene in der Kreisgruppe weitergeben könnte.

„Wenn ich wüsste, dass morgen die Welt unterginge…“

In unseren Kreisgruppen wird das kulturelle Leben von einigen Aktiven gestaltet und von einer schrumpfenden Anzahl von Passiven mehr oder weniger aufgegriffen und gelebt. Die Beschäftigung mit Luther und die Tiefe seiner Erkenntnisse beflügelte die Kreativität der Tagungsteilnehmer. Ihre Vorschläge zur Gestaltung des Lutherjahres in der Kreisgruppe fußen auf Erfahrung und Praktikablem: Vorträge über Luther, Melanchthon oder Frauen der Reformation eignen sich nicht nur in den eigenen Gruppen, sondern könnten auch zum Anlass genommen werden, nichtsiebenbürgischen Gruppen reformatorische Grundsätze (auch in Siebenbürgen) nahezubringen, gerade in katholischen Gegenden. Dabei könnte man Unterschiede und Gemeinsamkeiten im Glauben hervorheben. Auch könnte man über dieses Thema so manche Landsleute näher an die hiesige Kirche rücken und nach Gesprächen mit Pfarrern eventuell einzelne siebenbürgische Gottesdienste organisieren, in denen sich die Siebenbürger Sachsen wieder heimisch fühlen. Dabei sollte man aber unsere hier aufgewachsenen Jugendlichen nicht vergessen, die zu Weihnachten gerne auch Schulfreunde in der Kirche treffen möchten.
Kirchenrätin Melitta Müller-Hansen. Foto: Doris ...
Kirchenrätin Melitta Müller-Hansen. Foto: Doris Hutter
Offen für alles zu sein, finden die Referenten der Kreisgruppen wichtig: Luthers Freiheit weiter zu leben, kann auch zu Umweltfragen, Datenklau u.a. aktuellen Themen führen. „Der Mensch Luther“ oder „Ein Tag im Leben Luthers“ könnten als Vorträge über das damalige Leben verglichen mit heute zu Diskussionsrunden führen, man könnte Reisen nach Siebenbürgen organisieren oder nach Wittenberg, zur Wartburg oder Torgau, wo das Geburtshaus von Katharina von Bora steht. Kooperationen mit Kirchen bieten sich an, denkbar wäre ein mit Trachtenträgern umrahmter Gottesdienst nach siebenbürgischer Liturgie.

Schauspielerin Eva-Maria Piringer. Foto: Doris ...
Schauspielerin Eva-Maria Piringer. Foto: Doris Hutter
Die Kultur- und Frauenreferenten der Kreisgruppen wurden von Melitta Müller-Hansen ermutigt, Wünsche in den Kirchen anzusprechen und gemeinsam nach Lösungen zu suchen, was mancherorts gut gelingt. Sänger aus unseren Chören könnten im Luther-Oratorium einiger Großstädte mitsingen und weitere Chormitglieder mitnehmen, was dem Chor eventuell Impulse bringt. Generationenübergreifende Stammtische in Waldkraiburg kommen gut an. Ein mitreißendes Singspiel für die ganze Familie, verfasst von unserem Landsmann Gunter Roth, kann für einen Auftritt unter www.luther.gunter-roth.de gebucht werden. Die Beteiligung am jährlichen Weltgebetstag ist ebenfalls zu empfehlen.



Melitta Müller-Hansen, geboren in Großscheuern, lobte die vorbildliche Kultur der Diskussion und des Zuhörens während der Tagung. Es hat sie beeindruckt, dass und auch wie ernsthaft die theologischen Themen besprochen wurden. Die Teilnehmer waren ihrerseits sehr angetan, auch von der Andacht am Sonntag. Anni Filff aus Traunreut schrieb: „Rückblickend hat mich die Andacht von Melitta sehr inspiriert. Insbesondere der Bibelsatz: ‚Ich bin ein Gast auf Erden‘ im direkten Vergleich zu der Aussage, die sie immer wieder hört: ‚Es wird nie mehr so sein wie früher! Und Gott sei Dank haben wir es hinter uns‘ – die Assoziation ist sehr zutreffend in Bezug auf die Denkweise und das ‚Da-sein‘ der Siebenbürger Sachsen. Wunderbar!“

Christa Wandschneider, Frauenreferentin des Landesverbandes Bayern, und ich als Organisatorinnen der Tagung danken im Namen aller Teilnehmer für die finanzielle Förderung dieser Tagung durch das Haus des Deutschen Ostens in München und freuen uns über Rückmeldungen der Teilnehmer. Adelheid Kellinger aus Augsburg schreibt herzlich dankend: „Man geht jedes Mal voller Ideen und gestärkt nach Hause.“

Doris Hutter, Kulturreferentin des Landesverbandes Bayern

Schlagwörter: Tagung, Kulturreferenten, Frauenarbeit

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