8. März 2007

Herausragende schöpferische Musikerin: Berta Bock

Am 15. März jährt sich zum 150. Mal der Geburtstag der Hermannstädter Komponistin Berta Bock. Sie ist in der siebenbürgischen Musikgeschichte als schöpferische Musikerin eine absolute Einzelerscheinung. Während ihres Lebens gingen zwar im großen europäischen wie im siebenbürgischen Musikgeschehen die Zeiten, in denen Komponistinnen und Frauen, die es gerne geworden wären, gegängelt, abgedrängt oder sogar unterdrückt wurden – wie auch in prominenten Musikerfamilien Deutschlands –, ihrem Ende entgegen, und Berta Bock wurde im öffentlichen Musikleben zu einer bekannten und geschätzten Komponistin. Doch es ist überliefert, dass die junge Berta sich wünschte, ein „Bub zu sein, dem jedes Studium erlaubt war“.
Offenbar stellten sich ihr für ein Kompositionsstudium Hindernisse in den Weg. Auch waren Nachklänge der Frauenverachtung auf diesem Gebiet allenfalls noch zu spüren: Als es der Komponistin darum ging, Lieder im Verlag Fritz Schubert in Leipzig herauszubringen, musste sie ihren Vornamen mit B. abkürzen, damit man nicht merke, dass es sich um eine komponierende Frau handelt. Die Rezensionen, die darauf folgten, sprachen auch prompt von „talentvollen Leistungen eines jungen Musikers“ und in einer Berliner Anzeige war zu lesen: „Österreichischer Komponist, lebt in Hermannstadt“. Die siebenbürgisch-sächsische Presse benennt sie natürlich als Frau, hinkt jedoch in Beurteilung und Anerkennung hinterher.

Während die bedeutenden siebenbürgischen Interpretinnen – nur wenig jünger als Berta Bock –, Sängerinnen, Pianistinnen und Geigerinnen wie Mathilde von Larcher, Adele Reissenberger-Umling, Ella Gmeiner, Lula Mysz-Gmeiner, Helene Greger-Honigberger, Luise Gmeiner, Selma Erler-Honigberger, Olga Coulin(-Fogarascher) oder Irene von Brennerberg in Deutschland, Wien oder Budapest ihr Musikfach studier- ten, hat sich Berta Spech, so ihr Geburtsname, autodidaktisch zur Musikerin emporgearbeitet. Aber die Musik wurde in der Familie seit Generationen mit der Muttermilch eingesogen. Eine Urgroßmutter Bertas pflegte den Oratoriengesang, der Großvater, Magistratsobernotar (später Hof- und Ministerialrat) Wilhelm Conrad Baron von Konradsheim, Mitbegründer und erster Vorsitzender des Hermannstädter Musikvereins, spielte Klavier, Violine und Cello, die Mutter Berta Amalie, geborene Baronin von Kon- radsheim, hatte, wie sich Berta erinnert, „eine herrliche Stimme“ und sang „einzig schön“ bevorzugt alte italienische Arien.

Das künstlerische Leben der „Musikstadt“ Hermannstadt bot der gelehrigen Berta mannigfaltige Möglichkeiten des Einsteigens in die Welt der Tonkunst. Das öffentliche Konzertwesen stand in Blüte, die Musik- und Gesangsvereine führten Oratorien, Opern und sinfonische Werke auf, in den Kirchen erklangen die großen geistlichen Werke, Kammer- und Hausmusik regten sich, an den Schulen wurde eifrig musiziert. Hermann Bönicke, der verdienstvolle Hermannstädter Stadtkantor, Organist, Chorleiter, Dirigent, Komponist und musikalischer Direktor des Musikvereins, erkannte Bertas Talent und förderte sie. Berta sang im Musikvereinschor, nahm, gesanglich und pianistisch begabt, ausgestattet mit dem absoluten Gehör und einem ungewöhnlichen musikalischen Gedächtnis, Klavier- und Gesangsunterricht (bei Viktor von Heldenberg, Albert Geiger und Rosa Pfaff), lernte mit ihrer Freundin Lotte Seiverth, einer der späteren Sopransolistinnen des Musikvereins, die Solopartien aus den jeweils dargebotenen Opern und Oratorien, studierte, angeleitet von Wilhelm Weiß, musiktheoretische Abhandlungen und Lehrbücher der Komposition. So machte sie früh Bekanntschaft auch mit Opern Wagners und Vokalwerken von Brahms. Ihre ersten Kompositionen waren Lieder.

Als ausübende Musikerin trat sie als Pianistin auf, insbesondere als Begleiterin. Sie gab Gesang- und Klavierunterricht. Gelegentlich übernahm sie Gesangspartien in Aufführungen des Musikvereins. Ansonsten war sie Hausfrau und Mutter dreier Söhne. Geheiratet hatte sie 1881 den Direktor der Hermannstädter Bodenkreditanstalt Karl Ernst Bock, der die musikalischen Aktivitäten seiner Frau voll unterstützte. Nach dem Vorbild der Musikabende im Hause des Bischofs Teutsch, an die sie schöne Erinnerungen hegte, versammelte sie jeden Mittwoch in ihrem Haus in der Kreuzgasse 22 einen Kreis von Musikern und Musikliebhabern zu erlesenem Musizieren um sich. Seit 1936 war sie Witwe. Sie bezog eine Wohnung bei ihrem ältesten Sohn, dem Rechtsanwalt Karl Bock, in der Heltauergasse. Ihre jüngere Schwester gehörte seit Jahren mit zu ihrem Haushalt. Bis ins hohe Alter ließ sie sich am Klavier hören, unterrichtete und komponierte, obwohl ihre abnehmende Sehkraft sie behinderte. Aus Anlass ihres 80. Geburtstags wurden in Hermannstadt Konzerte und Feiern veranstaltet. Sie starb im Alter von 88 Jahren am 4. April 1945.

Berta Bock komponierte ihre rund 100 Lieder für Singstimme und Klavier vornehmlich zusammengefasst in Zyklen. 25 Lieder, op. 5 bis 10, erschienen bei Fritz Schuberth jun. in Leipzig in Einzelheften zwischen 1905 und 1915 und 5 Lieder, op. 9 a, verlegte Ries & Erler in Berlin 1909. Etwa 75 Lieder blieben Manuskript. Textdichter sind Siebenbürger (Michael Albert, Friedrich Wilhelm Schuster, Otto Piringer, Karl Römer, Anna Schuller-Schullerus, Friedrich Teutsch) und Dichter der Universalliteratur (Nikolaus Lenau, Detlev von Liliencron, Franz Karl Ginzkey, Reinhold Volker u.a.). Die Formen- und Ausdrucksvielfalt ihrer Lieder ist beachtlich. Gelobt wurde in der Presse vor allem Poesie und Lyrik der melodischen Gestaltung und „die reizvolle Harmonik“. Besonders beliebt waren und sind Lieder wie „Über den Bergen“, „Die alte Linde“, „Märzsturm“, „Mailied“, „Im Sommer“, „Begegnung“, „Vor der Schmiede“, „Sonnenwende“, „Noch bin ich jung“, „Fächerlied“, „Rote Rosen“, „Nelken“, „Wiegenlied“, „Erwartung“, „Leid“, „Meditation“, „Vagantenliedchen“.

Die Komponistin stand in freundschaftlich-fachlicher Verbindung zu den renommierten rumänischen Künstlerinnen, der Pianistin Aurelia Cionca und den Sängerinnen Veturia Triteanu und Lucia Cosma, die Berta Bocks Lieder auch im Ausland darboten. Unter den siebenbürgischen Sängerinnen sind als Interpretinnen der Lieder vor allem Mathilde von Larcher, Adele Reissenberger-Umling, Berta Binder-Martinowska, Margit von Kedves-Andrae und Brunhild Möckesch (verehelichte Greiner) hervorzuheben. Letztere machte Bocks Lieder in Deutschland bekannt. Zu Beginn der dreißiger Jahre waren einige in deutschen Rundfunksendern zu hören. Am meisten schätzte Bock die Interpretationen des Hermannstädter Sängers Wilhelm Orendt. In Berlin widmete sich die Gesangsprofessorin Marie Hedmondt dem Liedschaffen Berta Bocks.

An Bühnenwerken schrieb Bock zunächst die zwei Ballette „Klein Elschens Traum“ (Uraufführung 1905) und „Das erste Veilchen“ (UA 1906) auf Texte von Emil Sigerus. Ihre „Volksoper in drei Aufzügen. Die Pfingstkrone auf einen Text von Anna Schuller-Schullerus“ (W. Krafft, Hermannstadt 1927) hatte großen und nachhaltigen Erfolg. Die Uraufführung fand 1927 in Hermannstadt unter Arthur Stubbe statt, die weibliche Hauptrolle sang Mimi Jikeli-Hübner. Die Partitur zur Pfingstkrone ist leider verschollen.

Musikwissenschaft und Musikgeschichte haben sich kaum mit Berta Bock befasst. Das ist zu bedauern und müsste nachgeholt werden. Den Sängern seien ihre Lieder ans Herz gelegt, den Chören ihre Chorkompositionen.

Berta Bocks Name ist verzeichnet im Deutschen Musiker-Lexikon von Erich Müller (Dresden 1929), im Kurzgefassten Tonkünstler-Lexikon 1936, im International Encyclopedia of Women Composers von Aaron I. Cohen (New York/London 1981) und im Lexikon der Siebenbürger Sachsen (Thaur bei Innsbruck 1993).

Karl Teutsch

Schlagwörter: Musiker, Musikgeschichte

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