10. Februar 2009

Hexenprozess in Mediasch anno 1693: Opfer des Aberglaubens

Am 13. Juli 1693 wurde die Hannes Schebeschin, eine Bäuerin aus Bogeschdorf, vom Judicat (Gericht) des Mediascher Stuhls zum Tode verurteilt und als Hexe auf einem Scheiterhaufen vor den Stadtmauern verbrannt. Das Urteil stützte sich auf die Aussagen von insgesamt 40 Personen aus ihrem Heimatdorf, die vor Gericht geschworen hatten, dass sie „Schuld habe an dem Irigten und gewisslich eine Hexe sei“. Was war dem vorausgegangen?
Im Archiv der Evangelischen Kirche in Mediasch hat sich eher durch Zufall die Abschrift eines Bandes städtischer Gerichtsprotokolle aus dem 17. Jahrhundert erhalten, aus dem hervorgeht, dass in der Zeit vom 1. Juli 1667 bis zum 13. Juli 1693 vor dem Mediascher Stuhlsgericht acht Hexenprozesse verhandelt und zum Urteil gebracht wurden, von denen wir einen besonders spektakulären Fall herausgreifen. Aus den Unterlagen geht hervor, dass nur in den seltensten Fällen der durch Zauberei Geschädigte Anklage führte, sondern die der Hexerei Verdächtigte (es waren in allen acht Fällen Frauen) verpflichtet war, den Beleidiger vor Gericht zu bringen, um ihre Unschuld zu beweisen.

Die siebenbürgische Hexe, mundartlich „Trud“ genannt, ist im mittelalterlichen Volksglauben eine abscheuliche weibliche Gestalt mit überirdischen Kräften, die mit dem Teufel im Bunde steht und darauf ausgeht, die Mitmenschen an Gesundheit und Leben, am Besitz und Vieh zu schädigen. Bei den vermeintlichen mitternächtlichen Versammlungen der Hexen, die sich oft in Tiere verwandelten (schwarze Katze oder Elster), spielt der „Trudegejer“ mit Geige und Trommel zum Tanze auf. Seit Anfang des Mittelalters steigerte sich der Hexenglaube zum Hexenwahn, unter dessen Einfluss eine schonungslose Hexenverfolgung einsetzte, die von Frankreich nach Deutschland übergriff und um die Mitte des 16. Jahrhunderts auch Siebenbürgen erreichte.
Hexenverbrennung. Meist waren die Opfer ältere ...
Hexenverbrennung. Meist waren die Opfer ältere Frauen, so wie die Schebeschin in Mediasch 1693.
Das Leben der Schebeschin aus Bogeschdorf in der Nähe von Mediasch ändert sich schlagartig, als im Juni 1693 die Richtherrn von Mediasch erfahren, was sich Nachbarn bis dahin wohl hinter vorgehaltener Hand erzählten: Als ein Amtsmann ihren Besitz pfänden will, werden er und seine Tochter unheilbar krank. Ein Knecht, der das Messer ihres Sohnes zerbricht, erkrankt ebenfalls und stirbt am achten Tag. Dasselbe Schicksal erleidet eine Nachbarin, weil sie ein Schwein der Schebeschin geschlagen hatte. Schon als junge Magd gerät die Bogeschdorferin in Verdacht, denn die Kinder auf der Straße schreien ihr nach, dass sie nicht fromm wäre, und nennen sie eine „Trud“, worauf sie antwortet: „Ich will wohl niemand drumb suchen, der, was an mir was haben will, wird mich schon [ver]teidigen“. Von da an war der Weg der Schebeschin vorgezeichnet, ein Weg, von dem es kaum mehr Abweichungen gab und der fast immer zum Tode führte.

Am 28. Mai 1693 erscheint der Procurator Paul Gierling als Anwalt der Hannes Schebeschin im Mediascher Rathaus und unterbreitet eine Klage gegen Mathes Gräser aus Bogeschdorf, der vor mehreren Zeugen die Frau des Johann Schebesch als Hexe bezeichnet hat. Gierling verlangt Beweise für diese Anschuldigung oder eine harte Bestrafung des Verleumders. Eine Woche danach bekennt sich der Beschuldigte zu seiner Aussage und nennt sofort mehrere Zeugen, die seine Behauptung bestätigen können. Damit wird die Klägerin zur Angeklagten. Während des Zeugenverhörs werden zuerst 14 Frauen und 18 Männer vernommen, schließlich noch weitere acht Frauen und Männer, also insgesamt 40 Personen aus Bogeschdorf und Kirtsch.

Mehrere Zeugen sagen aus, dass schon die alte Gottschling Gret, die ebenfalls wegen Hexerei verbrannt wurde, bei der Tortur die Schebeschin zusammen mit der inzwischen verstorbenen Kürren Thumesin als Hexen angegeben habe. Auch die Nachbarin Anna Lörincz bestätigt die plötzliche Erkrankung ihrer Kühe, die erst wieder gesund wurden, nachdem sie sich bei der Schebeschin beklagt habe. Dem Kind der Anna Franzen hat man „acht Knöchelchen aus dem Arm ausgelesen, so eingefüllt gewesen“, wobei die zu Rate gezogene Walachin behauptet, die Schmerzen seien eine Folge des „Nachtführens“ durch eine Hexe, die sie als Schebeschin erkannt haben will. Dem Kind der Katharina Gräserin hat die Schebeschin durch Hexerei die Achseln umgedreht, so dass es elend zugrunde geht, und dem Andreas Gräser ist sie als Hase drei Mal über den Weg gelaufen, was zum Tod seines Ochsen führt, „dessen Herz voll Blut und dessen Fleisch inwendig ganz aufgefressen ist“.
Hexen machen Donner. Holzschnitt, 16. ...
Hexen machen Donner. Holzschnitt, 16. Jahrhundert, Illustration aus Carl Göllner: Hexenprozesse in Siebenbürgen, Klausenburg (Cluj) 1971.
Mathes Kormes und sein Knecht haben die Schebeschin mit zwei anderen Weibern frühmorgens auf dem Feld gesehen, wie sie mit Handtüchern und „Werg“ (Hanf) den Tau einsammelten. Der Knecht ist bald darauf gestorben und Kormes liegt seitdem todkrank im Bett. Aus dem Weinberg ihres Nachbarn Hannes Gräser zieht sie die Trauben in ihren eigenen Garten, so dass der Nachbar keinen Ertrag mehr hat, und am Georgentag, als man die Kuhherde zum ersten Mal austreibt, schreitet sie im Hemd und mit gelösten Haaren vor der Herde einher, was auch nichts Gutes bedeuten kann. Die Tochter des Andreas Knodden aus Kirtsch fährt während der Feiertage nach Bogeschdorf und kehrt bei der Schebeschin ein. Nachdem sie dort gegessen und getrunken hat, erkrankt sie schwer und stirbt wenige Tage später in dem Bewusstsein: „Die Schebeschin hat an mir Schuld“. Verheerend für die Angeklagte wirkt sich jedoch die Aussage ihres eigenen Ehemannes aus. So behauptet Johann Schebesch unter Eid: „Sie ist schon drei Jahre allein in einer Stube gelegen bei dem Teufel. Da sie in den drei Jahren gelegen, soll sie auch nun liegen.“

Damit gibt es für die Richter kaum noch Zweifel daran, dass die Schebeschin mit dem Teufel im Bunde steht, doch gestehen will sie nicht. Ein Urteil war jedoch nur „nach geistigen Mund“, das heißt nach dem Geständnis der Angeklagten möglich. Um ein Geständnis zu erzwingen, wurde die verdächtige Person in einem ersten Schritt zur Wasserprobe verurteilt. War die Angeklagte unschuldig, musste ihr Körper im Wasser versinken, schwamm er aber an der Oberfläche, so galt sie als schuldig, da das Wasser nach damaligen Vorstellungen unreine Wesen nicht aufnimmt. Erfolgte auf das Gottesurteil der Wasserprobe kein Geständnis, schritt man zur Folter, die in den meisten Fällen den gewünschten Erfolg brachte und die Hinrichtung nach sich zog.

Nach Abschluss der Beweisaufnahme wird die Schebeschin am 13. Juli 1693 zur Wasserprobe und Folter verurteilt. Das Protokoll berichtet, wie sie beim Verlassen des Gerichtsraumes auf der Holztreppe von Trabanten (Mitglieder der Stadtwache) gepackt und auf die Leiter gebunden wird. Nach mehreren Stunden schleppt man sie mitsamt Leiter wieder vor Gericht, doch die vermeintliche Hexe ist nicht bereit, irgendetwas zu gestehen. Es folgen zwei weitere Tage mit Folter, Drohungen und Verhören durch den Secretarius, ohne dass ein Geständnis erpresst werden kann. Am dritten Tag nach Verkündung des Urteils wird sie zum Elend-Weyer vor der Stadtmauer gebracht, an einem Strick festgebunden und vom Henker, einem Zigeuner, ins Wasser geworfen. Was nun geschieht, beschreibt ein Augenzeuge so: „[Sie] … so auffm Wasser liegend blieb, dass ihr Rücken nicht nass worden, ward wieder hinein geworfen, die eine Hand freihaltend, umb Letten (Morast) mitzubringen, kam aber nicht hinunter.“ Obwohl die Verurteilte protestiert, der Zigeuner habe sie am Strick festgehalten, so dass sie nicht im Wasser versinken konnte, ist für die anwesenden Richter und Ratsherrn der Schuldbeweis erbracht. Um alle Zweifel zu zerstreuen, wirft man den bekannten Stadtzigeuner Dodo „mit einem lahmen Fuß“ ebenfalls in den Weyer, wo er auch ordnungsgemäß versinkt und mit einer handvoll „Letten“ wieder auftaucht. Das Protokoll vermerkt, dass Dodo für dieses Opfer von der Obrigkeit ein Trinkgeld und etliche Maß Wein erhielt.

„Nach etlichen Tagen im Kasten“ (Gefängnis) wird die Schebeschin aufs Rad gebunden, mit allen gängigen Mitteln gefoltert und anschließend auf dem Scheiterhaufen verbrannt, ohne dass ein Geständnis erzwungen werden konnte. Nach Vollstreckung des Urteils vermerkt das Protokoll voller Ehrfurcht: „Was vor Befragung bei diesem Casu vorgegangen, wie heftig sie geleugnet, alles Zeugen zu Lügnern gemacht, fleissig gesungen und gebetet, immer um Gnade zu relegieren, ist unglaublich. War auch verstockt bis ins Feuer, absolut alles negierend.“ Einige Wochen nach der Hinrichtung erscheint der Procurator Gierling vor Gericht und klagt sein Honorar bei den Nachkommen der Verurteilten ein. Die Söhne der Schebeschin werden zur Zahlung von zwölf Gulden, zwanzig Eimern Most und zwei Kübeln Korn verurteilt, eine fürstliche Entlohnung, wenn man bedenkt, dass der im gleichen Jahr neu eingestellte Lektor des Gymnasiums ein Jahresgehalt von zwanzig Gulden erhielt. Zum Lohn des Henkers gibt das Protokoll keine Auskunft.
Ansicht der Stadt Mediasch, Stich von Johann ...
Ansicht der Stadt Mediasch, Stich von Johann Blössing aus dem Jahre 1736 – da waren Hexenverfolgungen schon Vergangenheit.
Neuere Forschungen belegen, dass häufig ältere Frauen und sozial Benachteiligte der Hexerei verdächtigt wurden. Dabei genügten oft Gerüchte oder Denunziationen, um die Frauen durch Folter zu falschen Geständnissen zu bewegen. So wurde auch die Schebeschin ein Opfer des Aberglaubens, der Unwissenheit, der Missgunst und Klatschbegierde einer Dorfgemeinschaft, die die Ursachen persönlichen Unglücks bei anderen suchte. Nur wenige wagten den allgemein anerkannten Lehren über die Hexen Widerstand entgegenzusetzen. In Siebenbürgen war es der aufgeklärte Arzt Andreas Teutsch, der in seiner Amtszeit als Comes (1710-1730) den Kampf gegen die Hexenverfolgung aufnimmt. Den entscheidenden Wendepunkt bringt das Jahr 1718, als der Hermannstädter Magistrat, der wieder in mehreren Hexenprozessen entscheiden musste, die Wiener und Leipziger juristische Fakultät um ein Gutachten zur Hexerei bittet. Während die vom Hexenwahn noch befallene Wiener Fakultät die Tortur für zulässig hält, die Wasserprobe aber als Beweis ablehnt, sprechen sich die Leipziger gegen jede Art von Hexenverfolgung aus, weil man in solchen Fällen „lieber Gott die Strafe überlassen als Unrecht tun solle“. Damit finden zumindest in Mediasch und Hermannstadt die Hexenprozesse für immer ein Ende.

Hans Gerhard Pauer

Schlagwörter: Mediasch

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Neueste Kommentare

  • 10.02.2009, 19:35 Uhr von Wittl: ....schon bemerkenswert, dass seit je her weiblichen Wesen dieses übermenschliche Einwirken ... [weiter]
  • 10.02.2009, 08:34 Uhr von der Ijel: ja in Mediasch, (es ging so schnell) Zentrum für Lehrerfortbildung in deutscher Sprache ... [weiter]
  • 10.02.2009, 07:59 Uhr von der Ijel: ---aber abergläubig waren sie schon, unsere alten und was hat´s mit Winteraustreiben, Fasching und ... [weiter]

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