21. August 2009
Widerstand gegen die Ceaușescu-Diktatur
Carl Gibson, in Sackelhausen im Banat aufgewachsen, wurde früh zum Bürgerrechtler, Dissidenten und Gewerkschaftsgründer und erlebte schon als 20-Jähriger Verhaftungen, Gefängnis und Folter. Seit 1992 lebt der Historiker und Schriftsteller Carl Gibson in Bad Mergentheim, wo er in historischen Arbeiten seine Dissidenten-Vergangenheit aufarbeitet. Die Autobiografie „Symphonie der Freiheit – Widerstand gegen die Ceaușescu-Diktatur“ ist sein jüngstes Werk, dem noch in diesem Jahr der zweite Teil „Gegen den Strom – Deutsche Identität und Exodus“ folgen wird.
Carl Gibson, ein notorischer Nonkonformist, der schon als Jugendlicher gegen jede Form von Zwang, Bevormundung und Fremdbestimmung aufbegehrte, lehnte sich schon bald gegen das totalitäre System in Rumänien auf, mit dem Ziel, seine Ausreise in die Bundesrepublik Deutschland voranzutreiben, wo er die absolute „Freiheit“ vermutete. Die Idee der „Freiheit“ zieht sich wie ein roter Faden durch den gesamten Band, der sich ausschließlich auf die oppositionelle Tätigkeit des Autors in den Jahren von 1977 bis 1989 bezieht.
In dem totalitären Rumänien, in dem das kommunistische Einparteiensystem herrschte, war eine Opposition praktisch unvorstellbar. Und dennoch entstand 1977 in Bukarest eine oppositionelle Bewegung um Paul Goma, der in einem offenen Brief über Radio Freies Europa auf die Nichtrespektierung der Menschenrechte in Rumänien hingewiesen hatte und demzufolge zunächst in Bukarest unter Hausarrest gestellt und später ins Exil nach Paris verbannt wurde. Der damals 18-jährige Carl Gibson erfuhr davon und beschloss, sich dieser Menschenrechtsbewegung als Sympathisant anzuschließen. Bei dem Versuch, sich mit Paul Goma zu treffen, wurde er von der Securitate festgenommen und anschließend nach Temeswar zu weiteren Verhören in die Haftanstalt Popa Șapcă eskortiert.
Nach der Entlassung aus der Haft begann sich auch in Temeswar eine Oppositionsbewegung herauszukristallisieren. Eine Gruppe um Carl Gibson, bestehend vorwiegend aus ausreisewilligen Banater Schwaben, forderte das Menschenrecht auf Reisefreiheit bzw. Familienzusammenführung ein. Die Mitglieder der Gruppe trafen sich regelmäßig zum Gedankenaustausch über Menschenrechtsfragen. Prominentestes Mitglied war Prof. Fenelon Sacerdoteanu, der zwar nie ausreisen wollte, aber aus Prinzip gegen die Kommunisten protestierte. Sacerdoteanu gehörte einem alten Bojarengeschlecht aus Coștesti/ Vâlcea an, dessen Besitztümer der Nationalisierung zum Opfer gefallen waren und der wegen seiner „ungesunden Herkunft“ viele Jahre in stalinistischer Haft verbracht hatte.
Als Folge der Goma-Bewegung kam es 1979 in Bukarest zur Gründung der Freien Gewerkschaft der Werktätigen in Rumänien SLOMR (Sindicatul liber al oamenilor muncii din România). Nach einem Treffen im Februar 1979 mit den SLOMR-Gründungsmitgliedern in Bukarest rief Carl Gibson in Temeswar eine regionale Freie Gewerkschaft ins Leben. Prof. Sacerdoteanu wurde die Präsidentschaft der SLOMR in Temeswar anvertraut. Am 4. April 1979, nachdem Radio Freies Europa den Namen von Carl Gibson als Kopf der in Temeswar gegründeten Regionalgruppe der freien Gewerkschaft SLOMR preisgegeben hatte, wurde dieser umgehend ohne Prozess und ohne Verteidiger zu sechs Monaten Gefängnishaft in der Anstalt Popa Șapcă in Temeswar wegen der „Gründung einer Organisation mit antisozialistischem Charakter“ verurteilt.
Die Verhöre während der Untersuchungshaft werden im Buch ausführlich geschildert: Psychoterror in Form von Drohungen und Beschimpfungen, gefolgt von Schlägen und Tritten, Nahrungs- Flüssigkeits- sowie Schlafentzug bis zur fast vollständigen Erschöpfung des Häftlings sind nur einige Verhörmethoden, die hier erwähnt werden sollen. Der Zeit im Gefängnis wird ein ganzes Kapitel gewidmet. Eingebettet in zahlreiche philosophische Ausschweifungen, werden die Gedankenwelt und die wechselhafte seelische Stimmungslage des Gefangenen geschildert – das Euphorisch-Manische ebenso wie das Melancholisch-Depressive.
Im Herbst 1979, nachdem er aus der Haft entlassen worden war, reiste Gibson in die Bundesrepublik Deutschland aus. Vom freien Westen aus setzte er sich weiterhin für demokratische Strukturen in Rumänien ein, indem er aufklärte und die Menschenrechtsaktivitäten gegen die Ceaușescu-Diktatur fortführte. 1981, als die UNO eine Klage gegen die Ceaușescu-Regierung einleitete, trat Gibson als positiver Kronzeuge und Sprecher der SLOMR im Westen auf.
Dem Bürgerrechtler Carl Gibson ist es in diesem Band zweifelsohne gelungen, die Anfänge der Opposition gegen das kommunistische Regime in Rumänien glaubhaft zu schildern. Der Band kann als ein gesellschaftliches Zeitdokument über die Entstehung der antikommunistischen Bewegung in Rumänien während der Ceaușescu-Diktatur betrachtet werden. Parallel zu der oppositionellen Tätigkeit des Autors wird die Auswanderungswelle der Banater Schwaben in den 1970er Jahren historisch dokumentiert und dient als Hintergrundkulisse der gesamten Handlung. Der Band ist übersichtlich in fünf Kapitel gegliedert, die wie in einer Symphonie vom ersten bis zum fünften Satz durchnummeriert und zwischen Prolog und Epilog eingebettet sind. Zahlreiche Unterkapitel machen den Band überschaubar. Unter den zahlreichen philosophischen Betrachtungen leidet stellenweise die Kurzweiligkeit der Handlung. Subjektive Einschätzungen und persönliche Betrachtungen zeitgenössischer Schriftstellerkollegen gegenüber lassen den Leser an der Objektivität einiger Passagen zweifeln.
Carl Gibson, wurde 1959 in Temeswar geboren, wo er das Nikolaus-Lenau-Lyzeum besuchte. Er übersiedelte 1979 in die Bundesrepublik Deutschland, wo er ab 1982 Politische Wissenschaft, Geschichte und Philosophie an den Universitäten Erlangen-Nürnberg, Tübingen, Freiburg und Würzburg studierte, und schließlich den Studiengang Philosophie, Germanistik, Geschichte 1991 abschloss. Anschließend wirkte Gibson mehrere Jahre als Hochschuldozent und wissenschaftlicher Mitarbeiter, bevor er eine freiberufliche Selbständigkeit aufnahm. Carl Gibson veröffentlicht seit 1982 und ist auch journalistisch tätig. Aus seiner Feder stammen mehrere historische und kulturhistorische Sach- und Fachbücher, zudem literaturwissenschaftliche Arbeiten über Nikolaus Lenau, Rezensionen und wissenschaftlich-literarische Essays.
Carl Gibson: „Symphonie der Freiheit. Widerstand gegen die Ceaușescu-Diktatur“. Chronik und Testimonium einer tragischen Menschenrechtsbewegung in literarischen Skizzen, Essays, Bekenntnissen und Reflexionen. J. H. Röll Verlag, Dettelbach 2008, 418 Seiten, 39,90 Euro, ISBN 978-3-89754-297-6.
In dem totalitären Rumänien, in dem das kommunistische Einparteiensystem herrschte, war eine Opposition praktisch unvorstellbar. Und dennoch entstand 1977 in Bukarest eine oppositionelle Bewegung um Paul Goma, der in einem offenen Brief über Radio Freies Europa auf die Nichtrespektierung der Menschenrechte in Rumänien hingewiesen hatte und demzufolge zunächst in Bukarest unter Hausarrest gestellt und später ins Exil nach Paris verbannt wurde. Der damals 18-jährige Carl Gibson erfuhr davon und beschloss, sich dieser Menschenrechtsbewegung als Sympathisant anzuschließen. Bei dem Versuch, sich mit Paul Goma zu treffen, wurde er von der Securitate festgenommen und anschließend nach Temeswar zu weiteren Verhören in die Haftanstalt Popa Șapcă eskortiert.
Nach der Entlassung aus der Haft begann sich auch in Temeswar eine Oppositionsbewegung herauszukristallisieren. Eine Gruppe um Carl Gibson, bestehend vorwiegend aus ausreisewilligen Banater Schwaben, forderte das Menschenrecht auf Reisefreiheit bzw. Familienzusammenführung ein. Die Mitglieder der Gruppe trafen sich regelmäßig zum Gedankenaustausch über Menschenrechtsfragen. Prominentestes Mitglied war Prof. Fenelon Sacerdoteanu, der zwar nie ausreisen wollte, aber aus Prinzip gegen die Kommunisten protestierte. Sacerdoteanu gehörte einem alten Bojarengeschlecht aus Coștesti/ Vâlcea an, dessen Besitztümer der Nationalisierung zum Opfer gefallen waren und der wegen seiner „ungesunden Herkunft“ viele Jahre in stalinistischer Haft verbracht hatte.
Als Folge der Goma-Bewegung kam es 1979 in Bukarest zur Gründung der Freien Gewerkschaft der Werktätigen in Rumänien SLOMR (Sindicatul liber al oamenilor muncii din România). Nach einem Treffen im Februar 1979 mit den SLOMR-Gründungsmitgliedern in Bukarest rief Carl Gibson in Temeswar eine regionale Freie Gewerkschaft ins Leben. Prof. Sacerdoteanu wurde die Präsidentschaft der SLOMR in Temeswar anvertraut. Am 4. April 1979, nachdem Radio Freies Europa den Namen von Carl Gibson als Kopf der in Temeswar gegründeten Regionalgruppe der freien Gewerkschaft SLOMR preisgegeben hatte, wurde dieser umgehend ohne Prozess und ohne Verteidiger zu sechs Monaten Gefängnishaft in der Anstalt Popa Șapcă in Temeswar wegen der „Gründung einer Organisation mit antisozialistischem Charakter“ verurteilt.
Die Verhöre während der Untersuchungshaft werden im Buch ausführlich geschildert: Psychoterror in Form von Drohungen und Beschimpfungen, gefolgt von Schlägen und Tritten, Nahrungs- Flüssigkeits- sowie Schlafentzug bis zur fast vollständigen Erschöpfung des Häftlings sind nur einige Verhörmethoden, die hier erwähnt werden sollen. Der Zeit im Gefängnis wird ein ganzes Kapitel gewidmet. Eingebettet in zahlreiche philosophische Ausschweifungen, werden die Gedankenwelt und die wechselhafte seelische Stimmungslage des Gefangenen geschildert – das Euphorisch-Manische ebenso wie das Melancholisch-Depressive.
Im Herbst 1979, nachdem er aus der Haft entlassen worden war, reiste Gibson in die Bundesrepublik Deutschland aus. Vom freien Westen aus setzte er sich weiterhin für demokratische Strukturen in Rumänien ein, indem er aufklärte und die Menschenrechtsaktivitäten gegen die Ceaușescu-Diktatur fortführte. 1981, als die UNO eine Klage gegen die Ceaușescu-Regierung einleitete, trat Gibson als positiver Kronzeuge und Sprecher der SLOMR im Westen auf.
Dem Bürgerrechtler Carl Gibson ist es in diesem Band zweifelsohne gelungen, die Anfänge der Opposition gegen das kommunistische Regime in Rumänien glaubhaft zu schildern. Der Band kann als ein gesellschaftliches Zeitdokument über die Entstehung der antikommunistischen Bewegung in Rumänien während der Ceaușescu-Diktatur betrachtet werden. Parallel zu der oppositionellen Tätigkeit des Autors wird die Auswanderungswelle der Banater Schwaben in den 1970er Jahren historisch dokumentiert und dient als Hintergrundkulisse der gesamten Handlung. Der Band ist übersichtlich in fünf Kapitel gegliedert, die wie in einer Symphonie vom ersten bis zum fünften Satz durchnummeriert und zwischen Prolog und Epilog eingebettet sind. Zahlreiche Unterkapitel machen den Band überschaubar. Unter den zahlreichen philosophischen Betrachtungen leidet stellenweise die Kurzweiligkeit der Handlung. Subjektive Einschätzungen und persönliche Betrachtungen zeitgenössischer Schriftstellerkollegen gegenüber lassen den Leser an der Objektivität einiger Passagen zweifeln.
Carl Gibson, wurde 1959 in Temeswar geboren, wo er das Nikolaus-Lenau-Lyzeum besuchte. Er übersiedelte 1979 in die Bundesrepublik Deutschland, wo er ab 1982 Politische Wissenschaft, Geschichte und Philosophie an den Universitäten Erlangen-Nürnberg, Tübingen, Freiburg und Würzburg studierte, und schließlich den Studiengang Philosophie, Germanistik, Geschichte 1991 abschloss. Anschließend wirkte Gibson mehrere Jahre als Hochschuldozent und wissenschaftlicher Mitarbeiter, bevor er eine freiberufliche Selbständigkeit aufnahm. Carl Gibson veröffentlicht seit 1982 und ist auch journalistisch tätig. Aus seiner Feder stammen mehrere historische und kulturhistorische Sach- und Fachbücher, zudem literaturwissenschaftliche Arbeiten über Nikolaus Lenau, Rezensionen und wissenschaftlich-literarische Essays.
Elisabeth Packi
Carl Gibson: „Symphonie der Freiheit. Widerstand gegen die Ceaușescu-Diktatur“. Chronik und Testimonium einer tragischen Menschenrechtsbewegung in literarischen Skizzen, Essays, Bekenntnissen und Reflexionen. J. H. Röll Verlag, Dettelbach 2008, 418 Seiten, 39,90 Euro, ISBN 978-3-89754-297-6.
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Schlagwörter: Rezension, Banat, Vergangenheitsbewältigung, Kommunismus
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- 21.08.2009, 06:08 Uhr von der Ijel: Dank den zahlreichen philosophischen Betrachtungen darf stellenweise die Kurzweiligkeit der ... [weiter]
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