1. Oktober 2015

Siebenbürger Sachsen aus Traun beim Münchner Oktoberfest

Links, zwo drei vier, links, zwo drei vier …. Hinter mir und den über 9000 anderen Trachtenträgern und -innen lagen sieben Kilometer durch die Münchner Innenstadt. Im Gleichschritt Marsch – Reihenabstände einhalten, den richtigen Abstand in unseren Fünferreihen einhalten, fleißig winken und lächeln bei einem ganz schön flotten Tempo – eine gar nicht so einfache Aufgabe! Außerdem versuchen wir elegant den „Roßknödeln“ auszuweichen, welche die beim Umzug beteiligten Pferde hinterlassen haben. Neben den Prachtgespannen der Münchner Brauereien, meist stattlichen Kaltblütern, nahmen über 40 festlich geschmückte Festwägen teil. Wenige Meter noch, und wir hatten unser Ziel erreicht, die Münchner Wies´n. Der Durst war schon groß, aber das Lächeln und Winken fiel mir und den anderen angesichts der zigtausend Menschen, die am Straßenrand standen und uns zujubelten, nicht schwer, im Gegenteil: Dabei sein zu können beim Höhepunkt des 182. Münchner Oktoberfestes, dem Trachten- und Schützenzug, zauberte uns allen ein Lächeln ins Gesicht!
Mehr als 9100 Mitwirkende bildeten an diesem 20. September einen in 60 Zugnummern gegliederten „Tausendfüßler“, der sich durch die Münchner Innenstadt zur Oktoberfestwiese windete. Welche bunte Vielfalt von Trachten und Brauchtum! Aus praktisch ganz Deutschland nahmen Trachten-, Schützen- und Musikvereine teil – von der Gruppe aus Nordfriesland (die Damen von der Insel Föhr in ihren wunderschönen Trachten entpuppten sich später im Bierzelt übrigens als richtig temperamentvoll) über die wie einst D´Artagnan und seine Musketiere gewandeten Kölner der Korpskapelle „Jan von Werth“ bis hin zum Münchner Traditionsverein war das ganze Land vertreten. Wobei die Gruppen aus der Region, also Oberbayern, natürlich schon stark in der Mehrzahl waren. Festlich gekleidete Trachtler wechselten sich mit Sport- und Gebirgsschützen, Musikkapellen, historischen Trachtengruppen, Spielmanns- und Fanfarenzügen und Fahnenschwingern ab. Viele der Teilnehmer kamen aus anderen Ländern – neben Österreich aus Südtirol, der Schweiz, Polen, Kroatien usw. Eine Gruppe ganz in unserer Nähe waren die „Kroaten zu Pferd“ – ähnlich gekleidet wie Kosaken, beheimatet in Mittelfranken und mit ihren großen Pferden der seltenen Rasse „Knabstrupper“ ein äußerst interessanter Blickfang! Die Reiter vollführten während des Umzugs sogar Kunststücke auf ihren Rössern und ernteten dafür stürmischen Applaus!

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Das „Münchner Kindl“, ein zartes, blondes Geschöpf, das jedes Jahr neu gekürt wird, führte den Zug hoch zu Ross an, und mittendrin, mit Zugnummer 46, wir – 100 Personen aus Traun! Vorneweg Rebecca mit unserer Tafel, es folgten der Stabführer der Trachtenkapelle mit Lena und Carina als Marketenderinnen, die Trachtenkapelle, die beiden Fahnenjunker mit der Vereinsfahne und dann wir in vierzehn 5er-Reihen. Pfarrer Mag. Georg Zimmermann samt Lebensgefährtin Gertraud, Verbandsobmann Kons. Manfred Schuller und Frauenreferentin Ingrid Schuller waren ebenfalls mit von der Partie, worüber wir uns ganz besonders freuten.

Siebenbürgen wird jedes zweite Jahr durch eine Trachtengruppe vertreten, 1987 waren von der Siebenbürger Jugend Traun bereits einmal 26 Personen in Waltersdorfer Tracht dabei – damals als Teil der Gruppe des Bundesverbandes der Siebenbürger Sachsen in Österreich. Zwei andere Traunerinnen (eine Cousine und ich) wirkten 1996 bei einer Gruppe der HOG Rode mit. Wir alle erinnerten uns daran als etwas Besonderes, auch wenn die meisten Erinnerungen schon verblasst waren, jedenfalls sprachen wir seit Jahren darüber, uns wieder einmal zu bewerben. Nachbarvater Dietmar Lindert schickte heuer im Frühjahr kurzerhand eine Bewerbung an den Festring München ab und bald darauf erhielten wir eine positive Antwort. Unsere Teilnahme beim Trachten- und Schützenzug des Münchner Oktoberfestes war somit fix! Auf uns wartete eine Menge Arbeit. Wir sollten und wollten eine stattliche Gruppe von insgesamt 100 Personen inkl. Musik sein. Dietmar informierte die Trachtenkapelle Traun „Siebenbürger“, ob sie uns nach München begleiten wolle – die war natürlich begeistert und bereitete sich mit Marschproben usw. gut darauf vor.
Gruppenbild der Trauner Siebenbürger Sachsen ...
Gruppenbild der Trauner Siebenbürger Sachsen (Nachbarschaft, Jugend, Alte Jugend und Trachtenkapelle), die beim Trachten- und Schützenzug des Münchner Oktoberfestes mitmarschierten. Foto: Wolfgang Luif / Wolfstudios Traun
Wir entwickelten eine Art Schlachtplan. Die „Alte Jugend“ und die Siebenbürger Jugend waren sofort Feuer und Flamme und konnten im Prinzip geschlossen mitkommen. Dazu wurden noch einige Verwandte, Freunde und weitere Nachbarschaftsmitglieder zum Mitfahren animiert – zwei Verwandte von mir reisten extra aus dem Raum Nürnberg an. Eine wichtige Voraussetzung für alle Teilnehmer war, gut zu Fuß zu sein.

Die Teilnahmebedingungen hinsichtlich Trachten und Erscheinungsbild sind sehr streng, stellten für uns aber kein Problem dar. Die Mitglieder der Siebenbürger Nachbarschaft Traun stammen aus über vierzig verschiedenen Gemeinden in ganz Siebenbürgen. Um ein möglichst einheitliches Erscheinungsbild zu gewährleisten, entschieden wir uns für die Tracht des Nösnerlandes. Ein Großteil unserer Vereinsmitglieder stammt bekanntlich aus Nordsiebenbürgen und sie bzw. deren Eltern und Großeltern konnten im Rahmen der Flucht mit Trecks ihre wertvollste Habe mitbringen. Deshalb sind in und um Traun besonders viele Orginaltrachten aus dieser Trachtenlandschaft erhalten und die meisten der Teilnehmer verfügen somit über ihre eigene Tracht, die nur mehr den letzten Schliff benötigte. Je näher der Termin rückte, desto emsiger wurden wir! Vom mit Borten, Häubchen, Kopftuch oder Männerhut bedeckten Scheitel bis zu den in Schnürschuhen und Stiefeln steckenden Zehenspitzen musste alles perfekt sein, auch dazwischen gab es jede Menge Arbeit – Schürzen und Hemden waren zu bügeln, dies und das enger oder weiter zu machen, zu erneuern, Schadhaftes auszubessern. Viele besorgten sich bei den Blumengeschäften und Gärtnereien der Umgebung Gerbera-Schachteln, da sich diese perfekt zum sicheren Transport der Trachten eignen. Nachbarvater Dietmar Lindert hatte in diesen Wochen stets alles im Griff, dirigierte sein Team mit Umsicht und verlor nie den Überblick.

Am 19. September verstauten wir unsere Gerberaschachteln, die Musikinstrumente und das restliche Gepäck und fuhren um 10 Uhr los. Zunächst steuerten wir unser Quartier am Starnberger See an, das Johannes Teutsch für uns reserviert hatte. Nach einer kurzen Verschnaufpause ging es, zünftig in Dirndl und Lederhosen gekleidet, wieder zurück nach München zur Wies´n, wo wir uns in kleinen Gruppen amüsierten. Ob Bierzelt oder Ringelspiel, für jeden war etwas dabei. Ein kurzer, aber intensiver Wolkenbruch machte uns einen Strich durch die Rechnung – unsere gute Laune ließen wir uns davon nicht austreiben! Nach der Ankunft im Hotel nahmen einige noch einen Schlummertrunk als Tagesausklang und zur Einstimmung auf den kommenden großen Tag.

Die Nacht war kurz, wir hatten einen straffen Zeitplan: 6 Uhr Frühstück, 7.15 Uhr Abfahrt nach München – um 9.15 Uhr sollten wir geschniegelt und gestriegelt beim Aufstellungsplatz sein! Beim Parkplatz auf dem Großmarktgelände kam daher kurz ein wenig Hektik auf – den Mädchen der Jugend wurden noch die Borten aufgesetzt, die Frauen vollendeten die Bockelungen, die Burschen legten die Kotzen und Hüte an usw. Jedes weibliche Wesen unserer Trachtengruppe bekam ein kleines Blumensträußchen – ganz so, wie einst beim Kirchgang in Siebenbürgen, war ein Rosmarinzweiglein dabei. Schließlich waren wir fertig und bestiegen die Shuttlebusse, die uns in die Nähe unseres Aufstellungsplatzes brachten. Trotz der frühen Uhrzeit warteten bereits hunderte interessierte Zuschauer und sicherten sich die besten Plätze.

Nun hieß es erst einmal warten, warten, warten. Wir hatten für das gesamte Wochenende Wolfgang Luif engagiert, einen professionellen Fotografen, und nutzten die Wartezeit nun u. a. für Gruppenfotos. Hans-Werner Schuster, der Bundeskulturreferent des Verbandes der Siebenbürger Sachsen in Deutschland, besuchte uns am Aufstellungsplatz, um uns persönlich zu begrüßen. Und einige Kapellen in unserer Nähe, auch die Trachtenkapelle, überbrückten die Wartezeit, indem sie abwechselnd Musikstücke zum Besten gaben!

Irgendwann zwischen elf und halb zwölf hatte die Warterei ein Ende. Bis zu unserem Ziel, der Theresienwiese, kam der ganze Zug insgesamt keine drei Minuten zum Stillstand – es ging die ganze Zeit mit relativ hohem Tempo dahin. Der Trachten- und Schützenzug fand erstmals 1835 zu Ehren der Silberhochzeit von König Ludwig I. und Therese von Bayern statt und wird jährlich live von der ARD übertragen. Millionen Zuschauer weltweit sehen sich den Umzug im Fernsehen an und wir winkten und lächelten daher alle besonders freundlich in die aufgebauten Fernsehkameras. Mit Erfolg, denn unsere Gruppe war relativ lange zu sehen und einige Personen sogar sehr gut zu erkennen!

Am Wies´ngelände marschierte unser Zug direkt zur Ochsenbraterei, dem Festzelt der Spatenbrauerei, wo für uns Plätze reserviert waren. Nun empfingen wir die „Gage“ für unsere Teilnahme – eine Maß Bier und ein halbes Grillhenderl. Es schmeckte einfach köstlich! Wir waren alle müde, aber glücklich und zufrieden und bester Laune. In dem riesigen Festzelt sorgten die auftretenden Musikkapellen und Bands für Stimmung, die wir noch weiter anheizten als Animateure für das ganze Zelt und so dauerte es nicht lange, bis viele auf den Bänken standen, mitklatschten und mitsangen. Nach drei Uhr verließen wir unser Zelt und formierten uns zum Abmarsch. Vorher spielte die Trachtenkapelle noch ein Ständchen und wir wagten, umringt von neugierigen Zuschauern, ein Tänzchen. Dann ging es im Block über das Wiesengelände, vorbei an der Ruhmeshalle und hinaus bis zur Busstation. Dieser gemeinsame Auszug, angeführt von der Trachtenkapelle, die die ganze Zeit flotte Märsche spielte, und unserem Fahnenjunker mit der Vereinsfahne, war für uns fast genauso unvergesslich wie der Festzug selbst, ein würdiger Abgang. Die Shuttle-Busse brachten uns wieder zu unseren Bussen beim Großmarkt. Dort tranken wir ein Bierchen oder ein Glas Wein zum Abschluss, Unsere beiden Busfahrer brachten ihre müde Fracht nun sicher zurück nach Traun.

Alle Vorbereitungen und Anstrengungen haben sich gelohnt. Ich danke allen ganz herzlich für ihr Mitwirken und ihren Beitrag. Besonderer Dank gebührt unserem Nachbarvater Kons. Dietmar Lindert für seinen unermüdlichen Einsatz. Die Siebenbürger Sachsen von Traun – Nachbarschaft, Jugend, Alte Jugend und Trachtenkapelle – haben ein tolles, gemeinsames Wochenende verbracht und in München einen sehr guten Eindruck hinterlassen! Diese schöne Erinnerung gibt uns viel Kraft für das kommende Vereinsjahr.

Irene Kastner

Schlagwörter: München, Oktoberfest, Traun, Österreich, Trachtenumzug

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  • 03.10.2015, 05:54 Uhr von Melzer, Dietmar: DANKE, an alle Trauner Landsleute aus Oberösterreich zusammen mit Dietmar Lindert und Ingrid & ... [weiter]

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