16. März 2011

Trutzige Kirchen und mächtige Türme, Teil 5

Friedrich Schuster, der diesen Winter im siebenbürgischen Kerz verbringt, hat sich aufgemacht, um noch einmal nachzusehen, wie unsere sächsischen Ortschaften aussehen. Mit Witzen aus den 1980er Jahren sowie Fotos aus Birthälm und Eibersdorf setzt er seine Reihe in der Siebenbürgischen Zeitung fort.
In den 1980er Jahren, als die Menschen in Rumänien mehr Zeit hatten, erzählten sie bei jeder Gelegenheit Witze und anekdotenhafte Geschichten. Sie spotteten über die kommunistischen Machthaber, nahmen die schlechte Versorgung aufs Korn oder machten sich einfach über Alltagsprobleme und liebe Mitmenschen lustig, die sie karikierten.

Wenn Sachsen zusammenkamen, erzählten sie mitunter sächsische Anekdoten und Schwänke. Wenn sie über das Auswandern lachen wollten, berichteten sie über die Erlebnisse einer schlagfertigen Sächsin aus einem abgelegenen Dorf. Bereits am Bahnhof in Wien, wo sie umgestiegen war, hatte die Frau mit den Vergleichen begonnen und alles gepriesen, was in Siebenbürgen besser war. Man horchte auf, wenn Geschichten über das Abkaufen der Sachsen zum Besten gegeben wurden. Die Zuhörer lachten aber selten darüber, wohl weil auch eine Portion Ironie mitschwang. Mit dem Geheimnis und der Heuchelei, die diesem Thema innewohnten, konnten viele nicht umgehen. Man schmunzelte zum Beispiel über den Burzenländer, der das Geld für den Abkauf im Garten vergraben hielt, den Repser, der die Tausender einem unbekannten Bukarester auf der Straße in die Tasche gesteckt hatte, man witzelte über den Hermannstädter, der sein Haus und sein Geld einem Bonzen schenken wollte, über den Harbachtaler, der sich mit der Wusch, der Schmalspurbahn, in eine entlegene Ortschaft aufgemacht hatte, um sich auf die Vorzugsliste zu setzen. Solche Witze taten weh, vor allem dann, wenn man selbst Gegenstand des Spottes wurde. Da die sächsische Welt ins Wanken geraten war und fast jeder weg wollte, akzeptierte man Spötteleien und Anzüglichkeiten als Teil des Spiels, in das man sich eingelassen hatte.
Birthälm. Dreischiffige gotische Hallenkirche aus ...
Birthälm. Dreischiffige gotische Hallenkirche aus dem 16. Jahrhundert mit wertvoller Innenausstattung: spätgotischer Flügelaltar, Chorgestühl, Kanzel, Epitaphe, Sakristeitüre. Die Wehranlage mit drei Ringmauern, sieben Türmen und einer Bastei wurde 1468 zum ersten Mal erwähnt. Eine Holztreppe führt zum Innenhof auf dem Burghügel. Foto: Friedrich Schuster
Witzbolde stellten in jener Zeit auch Fragen wie etwa diese: „Weißt du, warum die Sachsen ihr Geld nicht mehr im Speckturm aufbewahren?“ - „Nein, erzähle!“ - „Weil sie nicht wissen, wann sie es übergeben müssen!“

„Weißt du, warum sächsische Brüder nicht mehr miteinander sprechen?“ - „Nein, erzähle!“ - „Weil der eine dem anderen das Geheimnis um den Abkauf nicht verraten wollte!“

Fragen und Antworten, deren Sinn oft nur Eingeweihte erkannten. Die sächsischen Dorfbewohner haben in der Neuzeit weder Geld noch Wertsachen in der Kirchenburg aufbewahrt, dafür aber Speckseiten, für den Bauern ein wichtiges Lebensmittel, das ihm auch den Spottnamen Specksachs (Bōflīschsåckz) eingetragen hat. Zum Turm, wo der Speck hing, hatten die Leute aber nur einmal in der Woche Zugang. Das Schmiergeld für den Pass, der mit allen Fasern angestrebt wurde, musste aber für eine Übergabe stets bereitgehalten werden. Im zweiten Fall war der ausgewanderte Bruder nicht bereit gewesen, zu helfen. Er, dem geholfen worden war, wollte seinerseits für den Abkauf seines Bruders kein Geld aufbringen.

„Weißt du, warum die Sachsen so groß wachsen?“, fragt ein Rumäne den anderen. „Nein, erzähle!“ - „Damit sie den Speck im Speckturm erreichen können!“

Sächsische Witze und Anekdoten über Sachsen wurden auch 1990 und danach erzählt. Wie sie sich nach Deutschland aufmachten, in Nürnberg ankamen und was sie dort erlebten und über sich ergehen lassen mussten. Die Ausgewanderten merkten bald, dass der Weihnachtsbaum mit den Geschenken nicht vorhanden war, dass die in Siebenbürgen für einen Pappenstiel veräußerten oder voreilig weggegebenen Güter für immer verloren waren. Ihren Humor, der manchmal sehr trocken ist, haben sie trotzdem nicht verloren. Ihre Probleme in Ost und West, ihre Art zu denken und zu handeln, bringen sie auch heute in Witzen, manchmal sehr pointiert, unter. Wenn aber ihre siebenbürgischen Nachbarn sich über sie lustig machen, kann ihnen die Galle schwellen. Die Sachsen sind halt wie die Kartoffeln, sagen sie selbst über sich, das Gute liegt verborgen in der Erde, das Ungenießbare und Giftige draußen.

„Kennst du den?“ - „Nein, erzähle!“ - „Ein unbemittelter Mann machte sich eines Tages zu unserem Herrgott auf. Er klopfte an die Himmelspforte und wurde von Petrus eingelassen, der ihn auch gleich vor den Allmächtigen führte. ‚Lieber Herrgott’, begann der Mann, ‚wie du weißt, bin ich arm und mittellos, meine zehn Kinder leiden oft Hunger, weil ich ihnen nichts vorsetzen kann. Aber höre, der Sachs hat ein schönes Haus, hat Pferde, Kühe, Schweine. Ich aber habe nichts!’ - ‚Gehe nach Hause, lieber Mann, dir wird auch gegeben!’, tröstete ihn Gott. Schon am Ortsrand kamen ihm seine Kinder entgegengelaufen und jubelten. Die Agrarreform hatte ihm ein sächsisches Haus und eine sächsische Wirtschaft zugesprochen, mit allem, was dazugehörte. Darüber waren sie alle glücklich. Nach einem Jahr stand der Mann wieder vor Gott. ‚Lieber Herrgott’, begann er, ‚ich danke dir für das sächsische Haus, für alles, was ich erhalten habe. Aber auf etwas hast du vergessen, den sächsischen Fleiß hast du mir nicht gegeben!’“

Als die Sachsen in den Dörfern nach zehn Jahren ihre Häuser zurückerhielten, befanden sich diese in einem erbärmlichen Zustand. Nach weiteren zehn oder zwanzig Jahren, als sie ihre Wirtschaften aufgebaut hatten, waren dieselben Sachsen aber bereit, sie zu „verschenken“, um auswandern zu können. Ihre Nachbarn, Rumänen, Roma und Ungarn, kamen so in den Besitz von Häusern, die mit fließendem Wasser und Bad ausgestattet waren, keine Selbstverständlichkeit im damaligen Rumänien. Ein Roma, der eine große Familie hatte, schrieb daher jedes Mal, wenn ein Sachs aus seiner Ortschaft auswanderte, an die Regierung in Bukarest und bat um ein „sächsisches Haus mit Komfort“. Eine Wohnung im Block, die man ihm anbot, schlug er beharrlich aus. Das gewünschte Haus hat er, da sein Einfluss nicht weit reichte, nicht bekommen, seine Formulierung „casă de sas cu confort“ ist im Alt- und Zibinstal aber zum geflügelten Wort geworden.

Zum Schluss einen Witz, über den man zurzeit in Siebenbürgen lacht: „Wusstest du, dass es heute nur noch zweierlei Arten von Sachsen gibt?“ - „Nein, erzähle!“ - „Zurückgebliebene und Heruntergekommene!“

Zwei Kirchenburgen mit besonderem Reiz

Diesmal zeigen wir Fotos aus Birthälm und Eibesdorf, zwei Ortschaften aus dem Weinland, deren Kirchenburgen für Maler und Fotografen einen besonderen Reiz ausüben. Birthälm, das in einem Seitental der Großen Kokel liegt, wurde 1283 erstmals erwähnt. Dreihundert Jahre lang, von 1572 bis 1867, war der Ort Sitz des evangelischen Bischofs und hat daher für die Siebenbürger Sachsen eine symbolische Bedeutung erhalten. Folglich wurden nach der Wende 1990 die Sachsentreffen in Siebenbürgen hier veranstaltet. Die Kirchenburg kam 1993, einige Jahre später auch der Ortskern, auf die Weltkulturerbeliste der UNESCO. Vor dem Zweiten Weltkrieg lebten in dem Weinbauort 1 300 Sachsen, ihre Anzahl ist, bedingt durch Krieg, Deportation und Auswanderung, stark zusammengeschrumpft. Heute hat die Kirchengemeinde, die von Pfarrer Ulf Ziegler seelsorgerisch betreut wird, 86 Mitglieder. Die Gottesdienste werden abwechselnd in der Ortschaft und im benachbarten Reichesdorf abgehalten.

Ihren Speck hielten die Sachsen von Birthälm im Torturm des zweiten Mauergürtels (im Bild Turm mit Spitzhelm links), der den Namen Speckturm bekommen hat.
Eibesdorf. Gotische Saalkirche mit bewehrtem Chor ...
Eibesdorf. Gotische Saalkirche mit bewehrtem Chor und sechsgeschossigem Glockenturm aus dem 15. Jahrhundert. Westportal und Chor enthalten schöne Steinmetzarbeiten. Die Ringmauer wurde im 16. Jahrhundert errichtet und durch einen Zwinger, einen Torturm, einen Rundturm, eine Bastei und ein Fruchthaus verstärkt. Foto: Friedrich Schuster
In Eibesdorf, 1305 zum ersten Mal urkundlich genannt, hingen die Speckseiten im wehrhaften Fruchthaus (Speckkammer) der Burg. Ende der 1980er Jahre lebten in der Ortschaft rund 700 Sachsen, heute hat die evangelische Gemeinde elf Mitglieder. Pfarrer Gerhard Servatius-Depner aus Mediasch hält alle vier Wochen einen Gottesdienst ab, an dem auch die Großprobstdorfer teilnehmen. Kurator der Gemeinde ist der 82-jährige Stefan Wagner. 1985 übernahm er das Amt. Er sei geblieben und nicht ausgewandert, sagt er, bei seiner Wahl habe er sich nämlich verpflichtet, auf die Kirche zu sorgen. In seiner Amtszeit ist der Kirchenbau geweißt und ringsum mit Dränagen versehen worden. Nun soll die Wehrburg einer Sanierung unterzogen werden.

Friedrich Schuster

Friedrich Schuster, der Autor dieses Beitrags, wird in diesem Jahr einen Band mit Märchen und Sagen herausbringen, die er in den sächsischen Ortschaften Siebenbürgens aufgezeichnet hat. Das Buch mit dem Titel „Hans, der Ziegenhirt“ kann über folgende E-Mail-Adresse vorbestellt werden: Friedrich.Schuster [ät] ymail.com.

Schlagwörter: Fotografie, Humor, Kirchen, Kirchenburgen

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