31. Mai 2011

20 Jahre Restitutionsgesetzgebung in Rumänien

Der Gedanke der Restitution, der Rückerstattung geraubten Eigentums aus der Zeit des Kommunismus wurde erst nach der Wende 1989 überhaupt möglich, ist aber auch nach mehr als 20 Jahren unbefriedigend verwirklicht. Der Versuch, einen Beitrag zu diesem Thema, von den Anfängen der Enteignung bis zur Gegenwart, mit Ausblick auf die Chancen der Restitution „in natura“ oder Entschädigung zu verfassen, würde den Rahmen dieser Zeitung sprengen. Die Siebenbürgische Zeitung hat kontinuierlich und lückenlos über die Entwicklung, sämtliche Antragsfristen und die Neuigkeiten in der Gesetzgebung und Restitutionspraxis der Gerichte in Rumänien berichtet. – Hinweis der Redaktion: Der Verfasser dieses Beitrags, Heinz Götsch, Beauftragter für Restitutionsfragen des Verbandes der Siebenbürger Sachsen in Deutschland, wird beim Heimattag in Dinkelsbühl am 11. Juni 2011, um 15.30 Uhr, im Kleinen Schrannensaal zu diesem Thema ausführlich referieren.
Das Bodenrückgabegesetz Nr. 18/1991 (vierzig Mal geändert) war ursprünglich eher eine kleine Agrarreform und hatte bloß den rumänischen Staatsbürger mit Wohnsitz in Rumänien als Adressaten. Es diente den jeweiligen Bürgermeistern, Gemeinderäten und politisch einflussreichen Leuten als „Selbstbedienungsladen“. Es bekamen vornehmlich Leute Grund zugewiesen, denen nie etwas enteignet wurde und die keinen Bezug zur Scholle hatten. Die so verteilten Grundstücke wurden zum Spekulationsobjekt für Neureiche. Ein Großteil der so vergebenen Flächen liegt brach. Landwirtschaftliche Produkte werden zunehmend aus dem Ausland importiert.

Der Weg zu den Äckern und Wiesen bleibt steinig

Erst durch die ergänzenden Bestimmungen des Gesetzes Nr. 247/2005 wurde auch den Erben der ehemaligen Eigentümer die Möglichkeit gegeben, die Rückerstattung landwirtschaftlicher Flächen zu beantragen. Ende der sehr kurzen Antragsfrist war der 30. November 2005. Anspruch auf die ursprünglich enteigneten Flächen hat man jedoch nur, wenn sie noch nicht vergeben wurden. Ersatzgrundstücke können auch auf der Gemarkung anderer Gemeinden angeboten werden. Einige Gemeinden nahmen die Anträge der Siebenbürger Sachsen und Banater Schwaben gar nicht entgegen mit dem Hinweis, sie seien keine rumänischen Staatsbürger mehr. Die fristgerecht gestellten Anträge wurden nur schleppend und widerwillig bearbeitet. Vielen wurden die Anträge widerrechtlich wegen der fehlenden rumänischen Staatsangehörigkeit abgelehnt. Erfolg hatten nur diejenigen, welche sich in den Landkreisen Hermannstadt und Arad auf dem Klageweg durch zwei Instanzen ihr Recht erstritten.

Die Praxis der Gerichte ist bis heute uneinheitlich. Das Landgericht (Tribunal) ist die letzte Instanz in Rumänien, die ein rechtskräftiges Urteil in Sachen Bodenrückgabe fällen kann. Der Oberste Gerichtshof Rumäniens könnte ein richtungsweisendes Urteil sprechen, will sich der Sache jedoch anscheinend nicht annehmen, da das Verfassungsgericht in etlichen Urteilen mit einer fadenscheinigen Begründung befunden hat, dass die rumänische Staatsangehörigkeit Voraussetzung für den Anspruch auf Rückerstattung von Grundstücksflächen sei. Diese Urteile sind für die Gerichte jedoch nicht bindend, werden von der politisch gesteuerten unwilligen Bürokratie jedoch als Vorwand für eine Ablehnung benutzt. Ein Grundsatzurteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte steht noch aus.
Das Gebäude der ehemaligen sächsischen ...
Das Gebäude der ehemaligen sächsischen Ackerbauschule in Marienburg im Burzenland (Foto: Wolfgang Wittstock) wurde 1887/88 errichtet und zusammen mit dem dazugehörigen Grund nach dem Zweiten Weltkrieg enteignet. Das Deutsche Kreisforum Kronstadt, das im Besitz eines definitiven Gerichtsurteils ist, das es als Rechtsnachfolger des Siebenbürgisch-Sächsischen Landwirtschaftsvereins (Bezirksverein Kronstadt/Burzenland) ausweist, hat den Restitutionsantrag bei der zuständigen Kommission in Bukarest im September 2004 registrieren lassen. Das Restitutionsverfahren ist ins Stocken geraten, weil, laut offizieller Mitteilung des Grundbuchamtes, das Grundbuch dieser Immobilie aus dem Inventar verschwunden ist und folglich die Erstellung der nötigen Dokumentation nicht möglich ist.
Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel hat bisher zwei Mal bei der rumänischen Regierung für eine Beschleunigung der Restitution interveniert. Die Deutsche Botschaft in Bukarest übergab der Regierung eine Sammlung von ca. 200 ungelösten Fällen der RESRO-Mitglieder. Die Reaktionen der Behörden waren meist erbärmlich. Nach der gemeinsamen Intervention der Delegation des Verbandes der Siebenbürger Sachsen in Deutschland und der Landsmannschaft der Banater Schwaben am 2. März 2010 bei der Nationalen Restitutionsbehörde (ANRP) und dem Innenministerium in Bukarest änderte Rumänien das Gesetz Nr. 18/1991 erneut und gab durch das Gesetz Nr. 67/2010 zusätzliche Landwirtschaftsflächen aus Staatsbesitz für die Restitution frei. Bei der Nationalen Verwaltungsstelle für Staatsbesitz (ADS) scheint dieses Gesetz jedoch nicht angekommen zu sein. Die Herausgabe von Zusatzflächen wird bürokratisch verschleppt.

Bei vielen Bürgermeisterämtern wird vorgegeben, das Gesetz sei nicht bekannt, oder man warte auf Ausführungsbestimmungen. Es sei jedoch der Hinweis erlaubt, dass die Behörde nur auf Antrag der Betroffenen, deren Anträge verwaltungsrechtlich oder gerichtlich schon abgeschlossen wurden und welche aufgrund fehlender Flächen auf Entschädigung in Wertpapieren oder Geld verwiesen wurden, das Verfahren wieder neu aufnehmen und wertgleiche Ersatzgrundstücke „in natura“ aus Staatsbesitz anbieten muss. Das jeweilige Bürgermeisteramt ist verpflichtet, die Freigabe entsprechender Flächen von der ADS zu fordern. Meistens besitzen die Gemeinden noch freie verpachtete Flächen, behaupten aber, nichts mehr zu haben. Diese Flächen sind jedoch nach dem Gesetz rückgabefähig. Viele Gemeinden verkaufen Landwirtschaftsflächen, um ihre klammen Kassen aufzufüllen, obwohl die Rückerstattung Vorrang hätte. Viele Bürgermeister gebärden sich wie Großgrundbesitzer, scheren sich nicht um Gesetze und Vorschriften. Interessen und immer wieder aufgedeckte Korruption diktieren die Verwaltung. Die Aufsichtsbehörden sind (noch) nicht imstande, den Dschungel zu lichten. Nochmals der Hinweis: Das Gesetz 67/2010 sieht keine Frist für den Antrag vor, beinhaltet jedoch auch keine neue Frist für Anspruchsteller, die bisher keinen Antrag gestellt hatten. Fristgerecht gestellte Anträge sollten mit Nachdruck betrieben werden. Geben Sie nicht auf, denn das wird von Ihnen erwartet!

Die Tür zum Haus bleibt meist verschlossen

Über das Häuserrückgabegesetz Nr. 10/2001 (achtzehn Mal geändert) wurde in dieser Zeitung auch schon viel berichtet. Fristende für einen Antrag war der 14. Februar 2002. Das Gesetz kam für viele zu spät. Durch Gesetz Nr. 112/1995 wurde den Mietern die Möglichkeit gegeben, die bewohnte Immobilie zu erwerben. Die meisten haben davon Gebrauch gemacht und die Immobilien zu einem Bruchteil ihres Wertes gekauft. Das meiste Tafelsilber wurde demnach schon vor 2001 verschleudert. Es ist sehr wenigen gelungen, derartige Kaufverträge gerichtlich anzufechten. Die Anfechtung war auch an eine Frist gebunden und ist laut Gesetz 1/2009 nun gar nicht mehr möglich. Viele Anträge liegen noch in den Regalen der Verwaltung oder werden bei Gericht verhandelt. Nunmehr gibt es in Rumänien nur noch zwei Gerichtsinstanzen für die Klagen – Landgericht (Tribunal) und Oberlandesgericht (Curte de Apel) -, danach binnen sechs Monaten nach Rechtskraft der letzen Entscheidung, die Klage beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg. Rechtskräftige Entscheidungen werden nach einer Änderung der Prozessordnung nicht mehr zugestellt. Vielen Beharrlichen ist die Rückerstattung ihrer Immobilie „in natura“ meist erst auf dem Klageweg geglückt. Die meisten wurden jedoch auf Entschädigung in Wertpapieren oder Geld verwiesen. Diese sollte von dem Entschädigungsfond (Fondul Proprietatea) geleistet werden. Dieser 2005 gegründete Entschädigungsfond war bis 2010 nicht funktionell. Bisher wurden angeblich etwa 3 000 Personen von insgesamt rund 214 000 Antragstellern entschädigt. Der Wert des Fonds ist zu gering, um daraus allen Anträgen gerecht werden zu können. Laut Analysten müsste das Finanzministerium noch ca. 4 Milliarden Euro zuschießen, um die Ansprüche zu befriedigen. Das Finanzministerium hält lediglich 36,77 Prozent der Aktien, der Rest ist in Privatbesitz. Der gesamte Wert des Fonds wird mit ca. 4 Milliarden Euro beziffert. Die Dividende der Aktie ist nicht erwähnenswert. Gehandelt werden die Aktien zu unter 50 Prozent ihres Nominalwertes. Bekanntlich hat die Regierung durch die Dringlichkeitsverordnung Nr. 62/2010 die Entschädigungszahlungen bis 1. Juli 2012 ausgesetzt. Sie hat das ausgesetzt, was sowieso ausgesessen wurde. Die Regierung hängt am Tropf des IWF. Die Auslandverschuldung ist dramatisch gestiegen.
Die Evangelische Kirche A.B. in Rumänien ist ...
Die Evangelische Kirche A.B. in Rumänien ist heute wieder rechtmäßiger Eigentümer des Brukenthalpalais und der Brukenthalschen Sammlungen in Hermannstadt. Die Rückerstattung des 1948 verstaatlichten Brukenthalmuseums erfolgte Ende 2005. Das entsprechende Abkommen unterzeichneten der damalige rumänische Kultur- und Kultusminister Adrian Iorgulescu und Bischof D. Dr. Christoph Klein am 28. Dezember 2005 im Barocksalon des Brukenthalpalais. Foto: Volkmar Kirres
Nachdem eine Flut von Klagen beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg eingegangen war, dieser Rumänien wiederholt wegen der Verletzung von Eigentumsrechten verurteilt hatte, erging im Oktober 2010 ein Präzedenzurteil in einem sogenannten Pilotprozess gegen Rumänien. Der Regierung wurde aufgegeben, binnen 18 Monaten die gesetzlichen und administrativen Voraussetzungen zu schaffen, damit Eigentumsrechte künftig geachtet und die Zahlung von Entschädigungen tatsächlich gewährleistet werden. Das Urteil konfrontiert Rumänien mit einem ambivalenten Kapitel seiner Restitutionspraxis. Es könnte also zu einer unfreiwilligen Wende bei der Restitution kommen. Es wird ein Spagat, einerseits ein Gesetz zur Beschleunigung und effizienteren Restitution oder Entschädigung zu schaffen, andererseits die Interessen der Mieter (Käufer) und Wähler zu berücksichtigen. Wie diese Vorgaben mit den gegensätzlichen Interessen überbrückt werden können, bleibt ein Rätsel. Eine erfolgreiche schnelle Bewältigung des Restitutionsproblems ist angesichts der leeren Staatskassen eher unwahrscheinlich. Eines ist gewiss: Die jetzige Verschleppungstaktik wird vom Europäischen Gerichtshof nicht mehr hingenommen. Zur Zeit wird an einer Gesetzesänderung gearbeitet. Details dringen nicht an die Öffentlichkeit. Es ist hier auch vor Spekulanten zu warnen, die Ansprüche von Ihnen für 15 bis 30 Prozent ihres Wertes erwerben möchten.

Ein möglicher Weg auch ohne bisherigen Antrag

Wenn die Immobilie noch nicht vom Staat veräußert wurde, kann diese bei Gericht von dem enteigneten Eigentümer oder dessen Erben einklagt werden (actiune in revendicare). Die Rechtsprechung hat sich diesbezüglich ziemlich gefestigt. Die Verwaltungen geben die Immobilien nicht freiwillig heraus. Um Prozesswillige abzuschrecken wurde die Gerichtsgebührenordnung dahingehend geändert, dass Klagen, wie nach Gesetz 10/2001, nicht mehr gerichtsgebührenfrei sind. Damit die Klage bearbeitet wird, muss eine Gebühr, die sich nach dem Wert des Hauses richtet, vorab bezahlt werden. Es wird jedoch geraten, genau zu recherchieren, da viele Käufer den Kaufvertrag nicht im Grundbuch eingetragen haben, und qualifizierten Rechtsbeistand in Anspruch zu nehmen, um die bürokratischen und juristischen Hürden erfolgreich zu überwinden.

Aktuelle Änderung der Änderungen

Durch den Regierungsbeschluss Nr. 462/2011 vom 12. Mai 2011 wurden die Ausführungsbestimmungen des Gesetzes 247/2005 dahingehend geändert, dass die ANRP ermächtigt wird, auf begründeten Antrag, z. B. bei Krankheit und sozialer Not, sowie bei drohendem Wertverfall der Aktie von dem Prinzip der Bescheidung nach Reihenfolge des Eingangs der Akte abzusehen und Antragsteller auf Entschädigung vorzuziehen. Meines Erachtens ist das ein neues Einfallstor für Korruption und Vetternwirtschaft. Anfangs galt ein sogenanntes Zufallsprinzip bei der Bearbeitung, von welchem Abstand genommen wurde, da Zufälle lenkbar sind.

Nicht zum Trost: Auch in Rumänien ansässige Bürger mit Restitutionsansprüchen haben mit den Windmühlen der Bürokratie und der Justiz zu kämpfen. Die Kirchen haben auch noch unzählige laufende unerledigte Verfahren. Eine rumänische Anspruchstellerin sagte mir sehr treffend, sie empfinde all die Verfahren als abstrus und erniedrigend. Ihr Eigentum sei mit einem Federstrich an einem einzigen Tag entschädigungslos verstaatlicht worden und nun müsse sie seit mehr als zehn Jahren diese Verschleppungstaktik auf eigene Kosten erdulden.

Ich betrachte es als eine ethisch-moralische Pflicht, den eingeschlagenen Pfad nicht zu verlassen, darauf zu schauen und nicht zu schweigen.

Rechtsanwalt Heinz Götsch, Hermannstadt

Schlagwörter: Restitution, Rechtsfragen, Rumänien, Eigentumsrückgabe

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