1. September 2012

Präsident Traian Băsescu zurück im Amt

Nach 52 Tagen hat der suspendierte rumänische Staatspräsident Traian Băsescu sein Amt am 28. August wiederaufgenommen. Eine Woche zuvor hatte das Verfassungsgericht das Referendum vom 29. Juli wegen zu geringer Wahlbeteiligung für ungültig erklärt.
Traian Băsescu hat damit das zweite Amtsenthebungsverfahren innerhalb von fünf Jahren überstanden. Allerdings hat er seither an Popularität verloren. Während 2007 etwa 77 Prozent für seine Wiedereinsetzung stimmten, sprachen sich 87,52 Prozent der Wahlbeteiligten, das waren 7,4 Millionen Bürger, für seine Absetzung aus. Das rumänische Verfassungsgericht erklärte am 21. August den organisatorischen Ablauf des Referendums vom 29. Juli zwar für verfassungskonform, aber die im Wahlgesetz vorgesehene und auf Druck der EU beibehaltene Mindestwahlbeteiligung von 50 Prozent und einem Wähler sei nicht erreicht worden. Nach dreistündiger Beratung entschied das Verfassungsgericht mit 6 zu 3 Stimmen das Referendum für ungültig.

Die Richter wurden von der Regierung so massiv unter Druck gesetzt, dass sich der Oberste Richter, Augustin Zegrean, bei der EU über Einmischungen durch Premier Victor Ponta in Gerichtsentscheidungen beklagte. Auch nach dem Entscheid über die Ungültigkeit des Referendums mussten sich die Richter gegen Anfeindungen von oberster Ebene wehren. Ponta befand die Entscheidung laut FAZ als „illegal und ungerecht“. Auch Interimspräsident Crin Antonescu wandte sich mit scharfen Worten gegen die Richter, die in diesen und ähnlichen Äußerungen eine Gefahr für die Autorität des Verfassungsgerichtes sehen.

Mit der Entscheidung wird der Machtkampf zwischen den verfeindeten politischen Lagern des regierenden Bündnisses USL und der oppositionellen PDL nicht beendet. Die USL, bestehend aus Sozialdemokraten (PSD), Nationalliberalen (PNL) und Konservativen (PC), verfehlte ihr erklärtes Ziel, den seit acht Jahren amtierenden Präsidenten seines Amtes zu entheben. Băsescu selbst kann zwar in den Cotroceni-Palast zurückkehren, weiß aber, dass sich über sieben Millionen Rumänen gegen ihn ausgesprochen haben.

PNL-Vorsitzender Crin Antonescu sagte, dass eine neuerliche Suspendierung von Băsescu „ohne Wenn und Aber“ angestrebt werde. Victor Ponta bezeichnete Băsescu einen „illegitimen Präsidenten“ und kündigte einen Vorschlag für eine „umfangreiche Verfassungsreform“ an, die eine „klare Aufgabenverteilung der Institutionen sowie ein Kontrollsystem zwischen den Kräften vorsehe“. Erinnert sei in diesem Zusammenhang an ein, auch von Ponta und Antonescu unterschriebenes Dokument des Nationalen Rates der Zivilgesellschaft (CNSC), einem neugegründeten Zusammenschluss mehrerer Organisationen unter Leitung von Mircea Dogaru, dem Vorsitzenden der Gewerkschaft der abgerüsteten militärischen Kader (SCMD). Laut FAZ handelt es sich um ein Auffangbecken früherer Securitate-Mitarbeiter und anderer kommunistischer Funktionäre. Das Dokument sieht unter anderem die Auflösung verschiedener staatlicher – von der EU wegen ihrer guten Arbeit ausdrücklich gelobter – Organisationen vor, wie der Antikorruptionsstaatsanwaltschaft, des Verfassungsgerichts oder der Behörde zur Erforschung der Securitate-Archive (siehe Bericht in der SbZ Online vom 1. August).

Das fehlgeschlagene Referendum führte Anfang August auch innerhalb der Regierung zu Spannungen und sofortigen Personalumstellungen. Sechs Posten wurden neu besetzt. Zuvor hatten Innenminister Ioan Rus (PSD) und der Minister für Verwaltung Victor Paul Dobre (PNL) – beide waren für die Organisation des Referendums verantwortlich – sowie der delegierte Minister für Unternehmen, Lucian Isar, ihren Rücktritt eingereicht. Außerdem entließ Premier Ponta Außenminister Andrei Marga. Neuer Innenminister ist Mircea Dușa (PSD), das Amt des Verwaltungsministers erhielt Radu Stroe (PNL). Der bisherige Justizminister Titus Corlățean (PSD) ist der neue Außenminister, das Justizressort übernahm die bisherige Richterin am Obersten Magistraturrat, Monica Pivniceru, eine erklärte Gegnerin von Băsescu. Sie wurde noch von Interimspräsident Antonescu vereidigt. Dan Șova (PSD) übernahm von Stroe das Amt des delegierten Ministers für die Beziehung zum Parlament, was im Ausland heftige Kritik hervorrief, da Șova den Holocaust geleugnet hat. Mihai Voicu, Vizepräsident der PNL, ist neuer delegierter Minister für Unternehmen. Eine Randnotiz: Am 6. August, dem Tag der Rücktritte, traf sich Ponta mit Klaus Johannis, Vorsitzender des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien, und bot ihm den Posten des Ministers für Europäische Angelegenheiten an, den der kürzlich wiedergewählte Hermannstädter Bürgermeister jedoch ablehnte.

Ioan Rus begründete seinen Rücktritt mit massivem Druck von Seiten des suspendierten Präsidenten Băsescu und des Interimspräsidenten Crin Antonescu (PNL). Ponta relativierte die Aussage und behauptete, Rus habe sich dem öffentlichen Druck gebeugt. Verschiedene Medien berichten, dass Rus den Auftrag hatte, 1,6 Millionen Wähler aus den Listen zu streichen, unter anderem die Auslandsrumänen, um die Wahlbeteiligung nachträglich zu erhöhen und damit die Gültigkeit des Referendums zu erreichen. Rus gab an, sich „an der Nichteinhaltung der Gesetze nicht beteiligen“ zu wollen, berichtet Der Standard.

Der anhaltende Machtkampf der verfeindeten politischen Lager hat das internationale Ansehen Rumäniens beschädigt. In ihrem jüngsten Fortschrittsbericht kritisierte die EU diese Entwicklungen. Die deutsche Regierung erwartet nach der Rückkehr Băsescus ein Ende der politischen Auseinandersetzungen. Die politische Instabilität wird aber voraussichtlich mindestens bis zu den Parlamentswahlen – nach jüngsten Meldungen sollen diese am 9. Dezember 2012 stattfinden – anhalten.

Letztlich haben die vergangenen Monate gezeigt, dass die staatlichen Institutionen Rumäniens widerstandsfähiger sind als anfangs befürchtet. Auch die Tatsache, dass einige offizielle Amtsträger sich unter massivem Druck nicht an mutmaßlichen Manipulationsversuchen beteiligten, stimmt vorsichtig zuversichtlich. Dennoch wird die USL nicht nachlassen, ihre Ziele weiterzuverfolgen, wenn auch vermutlich vorsichtiger als bisher, nachdem klar ist, dass die Europäische Union und die Vereinigten Staaten den rumänischen Rechtsstaat unterstützen und das fragwürdige Tun einiger Politiker verschärft beobachten.

HW

Schlagwörter: Rumänien, Politik

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