25. November 2014

Aktualisierte Rückschau: Siebenbürger Sachse wird Staatsoberhaupt Rumäniens

Wie bereits eingehend berichtet, hat der Siebenbürger Sachse Klaus Johannis als Präsidentschaftskandidat der Christlich-Liberalen Allianz (ACL) die Stichwahl am 16. November gegen den amtierenden Ministerpräsidenten und Vorsitzenden der Sozialdemokratischen Partei (PSD) Victor Ponta gewonnen. Nach dem amtlichen Endergebnis erhielt der bürgerliche Kandidat 54,43 Prozent der Stimmen. Premier Ponta, der auf 45,56 Prozent kam, hat seine Niederlage gegen den Bürgermeister von Hermannstadt noch am Wahlabend eingeräumt und Johannis zu seinem Sieg gratuliert. Mitentscheidend für den Ausgang der Stichwahl war das Votum der Auslandsrumänen, die zu rund 90 Prozent Johannis wählten. Die Wahlbeteiligung war laut Angaben der Zentralen Wahlbehörde mit 64,10 Prozent historisch hoch.
20 Uhr Mitteleuropäischer Zeit. Die Wahllokale in Rumänien schließen. Die ersten Nachwahlbefragungen und Schätzungen werden veröffentlicht, sie deuten auf ein Kopf-an-Kopf-Rennen der beiden Bewerber um das höchste Staatsamt hin. Der Paukenschlag gegen 23 Uhr Ortszeit: Victor Ponta äußert vor Medienvertretern: „Ich habe Herrn Johannis angerufen und ihm gratuliert. Das Volk hat immer Recht.“ Kurz darauf triumphiert Johannis auf seiner Facebook-Seite: „Wir haben gesiegt, wir haben unser Land zurückgewonnen.“ Die erste Hochrechnung nach Mitternacht bestätigt den überraschenden Wahlausgang: Laut amtlichem Endergebnis erreicht Klaus Johannis mit 54,43 Prozent fast neun Prozent mehr als der sozialdemokratische Regierungschef Ponta.

Stimmungswechsel: Ponta verliert Glaubwürdigkeit und die Wahl


In der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen am 2. November hatte Victor Ponta mit 40,44 Prozent der Stimmen noch einen komfortablen 10-Prozent-Vorsprung auf Johannis (30,37 Prozent) errungen. Johannis‘ Erfolg bei der Stichwahl gründet in überwiegendem Maße auf der im Vergleich zur ersten Wahlrunde wesentlich stärkeren Mobilisierung der Wähler, darunter ein erheblicher Anteil „Wutbürger“ und auffällig viele junge Wähler. 64,10 Prozent Wahlbeteiligung ist für rumänische Verhältnisse ein Rekordergebnis; im ersten Wahlgang lag sie noch bei 53,17 Prozent. Johannis gewann vornehmlich in Siebenbürgen und im Banat, dazu Bukarest, Ponta im Süden und Osten des Landes.
Bad in der Menge: Klaus Johannis feiert seinen ...
Bad in der Menge: Klaus Johannis feiert seinen Sieg bei der Präsidentschaftswahl inmitten seiner begeisterten Anhänger in Bukarest. Foto: REUTERS/Radu Sigheti
Empörung und Proteststimmung trafen Pontas Regierung infolge der offenkundigen Wahlbenachteiligungen für die im Ausland lebenden, traditionell konservativ wählenden Rumänen im ersten Wahlgang. So war weder die von der Opposition geforderte Briefwahlmöglichkeit eingeführt worden, noch waren annähernd faire Bedingungen für das Ausüben des Wahlrechts im Ausland gewährleistet: den rund drei Millionen Auslandsrumänen standen bei beiden Wahlgängen jeweils lediglich 294 Wahllokale zur Verfügung, fünf davon in Deutschland. Dem rumänischen Außenministerium widersprechend, hatte das Zentrale Wahlbüro vergebens klargestellt, dass „die rechtliche Grundlage für eine Aufstockung der Wahllokale im Ausland“ gegeben sei. Ohne Wirkung blieb letztlich auch eine Initiative des Bundesvorsitzenden des Verbandes der Siebenbürger Sachsen in Deutschland, Dr. Bernd Fabritius, MdB, der in einem Schreiben an den rumänischen Botschafter in Berlin, Dr. Lazăr Comănescu, die chaotischen Verhältnisse beim ersten Wahlgang kritisierte, als tausende Wahlberechtigte ihre Stimme nicht abgeben konnten, und gleichzeitig appellierte, zusätzliche Wahllokale einzurichten (siehe Neue Wahllokale für Stichwahl dringend gefordert). Diese Forderung wiederholte der Bundestagsabgeordnete auch in einem Gespräch mit dem rumänischen Außenminister Teodor Meleșcanu am Vortag der Stichwahl in München (Rumäniens Außenminister sichert "fließenden und zivilisierten Wahlvorgang" in München und anderen Städten Europas zu).

Am 16. November gaben rund 378 000 Rumänen ihre Stimme im Ausland ab, mehr als doppelt so viele wie in der ersten Runde (rund 161 000 Wähler). 89,73 Prozent dieser Stimmen konnte Johannis für sich gewinnen. Wieder waren lange Warteschlangen vor Wahllokalen zu beobachten, so unter anderem in Paris, London und Turin. In Paris ging die Polizei mit Tränengas gegen aufgebrachte Rumänen vor, die bei der Schließung der rumänischen Botschaft am Abend in das Gebäude einzudringen versuchten, um noch ihre Stimme abzugeben. In vielen Städten kam es zu Massenprotesten gegen die sozialistische Regierung. Tausende Demonstranten forderten in Bukarest den Rücktritt von Ministerpräsident Victor Ponta, der indessen seine Demission ablehnte.
Die Ergebnisse des zweiten Wahlgangs der ...
Die Ergebnisse des zweiten Wahlgangs der Präsidentschaftswahlen in Rumänien: die von Klaus Johannis gewonnenen Wahlkreise sind blau markiert. Quelle: Allgemeine Deutsche Zeitung für Rumänien (Druckausgabe vom 19.11.2014, Seite 1)
Neben der Wahlbenachteiligung der Auslandsrumänen hatten in jüngster Vergangenheit zudem etliche Korruptionsskandale mit sozialdemokratischer Beteiligung den öffentlichen Vertrauensverlust von Premier Ponta verstärkt. In seiner Wahlkampagne ging Ponta dann mit kostspieligen, schlicht unrealistischen Versprechungen auf Stimmenfang und spielte obendrein die nationalistische Karte, indem er seine Identität als stolzer Rumäne mit orthodoxer Religionszugehörigkeit hervorhob gegenüber seinem (rumänien)deutschen, evangelisch-lutherischen Herausforderer. In den beiden TV-Duellen mit Johannis, der betont sachorientiert und ohne Polemik gemäß seinem Wahlprogramm für ein „Rumänien der gut gemachten Arbeit“ warb, konnte der Regierungschef das Blatt nicht wenden. In der Wahlnacht skandierten tausende Menschen auf dem Bukarester Universitätsplatz „Johannis, Johannis“, als der Sieger der Präsidentenwahl ein Bad in der Menge nahm.

Reaktionen und Gratulationen


Nach 14-jähriger überaus erfolgreicher Amtszeit als Bürgermeister von Hermannstadt wird der 55-jährige gebürtige Hermannstädter Klaus Johannis Nachfolger von Präsident Traian Băsescu. Der ehemalige Bürgermeister der Landeshauptstadt Bukarest hat das höchste Staatsamt am 20. Dezember 2004 übernommen und zehn Jahre lang bekleidet. Sein Mandat endet am 21. Dezember 2014, wenn Johannis für seine fünfjährige Amtszeit als Staatspräsident vereidigt wird. Am Tag nach seinem Wahlsieg, nach dem harten, vielfach unfairen und mit diffamierenden Angriffen gegen seine Person geführten Wahlkampf, versprach Johannis: „Ich werde der Präsident aller Rumänen sein!“ Im Interview mit der Siebenbürgischen Zeitung (Klaus Johannis: „Schritt für Schritt am neuen Rumänien bauen”) erklärte er selbstbewusst: „Ich mute mir zu, die am Fortschritt des Landes und am Wohlstand in Rumänien interessierten Repräsentanten aus den politischen Parteien und der Zivilgesellschaft, aus den Berufsverbänden und den Gewerkschaften zusammenbringen zu können, um Schritt für Schritt am neuen Rumänien zu bauen“. Besonderes Augenmerk werde er auf die Intensivierung der deutsch-rumänischen Beziehungen legen, kündigte der Siebenbürger Sachse an.

Der Wahlsieg von Klaus Johannis hat ein gewaltiges Medienecho ausgelöst. Die deutschsprachige Presse würdigte einhellig den überraschenden Erfolg des bürgerlichen Kandidaten. Dabei wurde Johannis – womöglich ein „Kopier-Reflex“ – fast ausnahmslos als „deutschstämmig“ (statt deutsch oder rumäniendeutsch) bezeichnet. Jedenfalls ist selten zuvor so intensiv über die deutsche Minderheit, respektive die Siebenbürger Sachsen und Hermannstadt in Schrift, Ton und Bild berichtet worden. Zuletzt erschien in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 25. November 2014 eine ganzseitige Hermannstadt-Reportage über die Stadtentwicklung während der 14-jährigen Amtszeit von Bürgermeister Klaus Johannis. Im Fokus der Medienberichterstattung stand und steht freilich der strahlende Wahlsieger. Hier nur eine winzige Auswahl von Pressestimmen aus dem von Meldungen und Berichten, Analysen und Kommentaren rauschenden Blätterwald, ein funkensprühendes Feuerwerk der Schlagzeilen: „Wahlen in Rumänien: Wir werden Präsident“ (WirtschaftsWoche) – „Rumänien wählt ‚den Deutschen‘“ (Bild) – „Ein Heiler aus Hermannstadt“ (Süddeutsche Zeitung) – „Bürgerpräsident“ (Frankfurter Allgemeine Zeitung) – „Sieg der Haushaltsdisziplin“ (Neue Zürcher Zeitung) – „Saubermann mit deutschen Wurzeln“ (Süddeutsche.de) – „Allein gegen die Mafia“ (Spiegel Online) – „Ein störrischer Bürgermeister wird Präsident“ (Zeit Online) –„Der unschlagbare Exot“ (Schwäbisches Tagblatt) – „Wertschätzung der Deutschen hat lange Tradition“ (Thüringer Allgemeine) – „Ein Durchschnittstyp auf der Erfolgsspur: Dem Siebenbürger Sachsen Klaus Werner Iohannis gelingt mit der Präsidentschaft eine politische Blitzkarriere“ (Mannheimer Morgen) – „Iohannis Erfolg leitet neue Ära in Rumänien ein“ (Euronews) – „Klaus Johannis will Rumänien besser machen“ (Tages-Anzeiger). Diese und weitere Presseartikel finden Sie in unserem Pressespiegel ab dem 17. November 2014.

Aus Deutschland nahm Johannis Glückwünsche von höchster Stelle entgegen. Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel, die seine Kandidatur für das Amt des rumänischen Staatspräsidenten persönlich unterstützt hatte, gratulierte ihm in einem Telefonat herzlich und sagte zu, Deutschland werde „Rumänien bei den Reformen, die für Ihr Land und für die Europäische Union wichtig sind, weiterhin mit Rat und Tat zur Seite stehen und ein verlässlicher Partner bleiben“. Bundespräsident Joachim Gauck versicherte seinem künftigen Amtskollegen in einem Glückwunschschreiben, „dass Deutschland Rumänien bei der Umsetzung der wichtigen Reformen (…) – insbesondere zur Verbesserung der Rechtssicherheit – auch künftig unterstützen wird“. Er sei zuversichtlich, fügte Gauck hinzu, „dass wir in vertrauensvoller Zusammenarbeit die guten und freundschaftlichen Beziehungen zwischen unseren Ländern auch im europäischen und internationalen Rahmen weiterentwickeln und vertiefen werden“.

Ebenso wie das Demokratische Forum der Deutschen in Rumänien (DFDR) hat auch der Verband der Siebenbürger Sachsen in Deutschland Klaus Johannis bei seiner erfolgreichen Kandidatur offensiv unterstützt. In den Gratulationserklärungen des Verbandes bzw. des DFDR (siehe Verband gratuliert Klaus Johannis zum Wahlsieg) offenbaren sich neben der Freude über den Wahlsieg des Siebenbürger Sachsen auch die Zuversicht und das Vertrauen in seine Fähigkeiten, das höchste Staatsamt zum Wohle Rumäniens und seiner Bürger auszuüben.

Überglücklich zeigten sich die heute in Würzburg lebenden Eltern Gustav und Susanna Johannis. Vater Gustav Johannis sagte der SbZ: „Wir sind froh und stolz, dass Klaus es trotz Schmähungen und heftigen Gegenwind geschafft hat, die Wahl zu gewinnen. Wir hoffen, dass Rumänien mit ihm als Präsident vorankommt, das Land ein besseres Ansehen haben wird und dass sich alles zum Guten wendet.“

Erste Auswirkungen der Wahl


Nach nur acht Tagen im Amt ist der rumänische Außenminister Teodor Meleșcanu zurückgetreten. Der frühere Chef des Auslandsgeheimdienstes entschuldigte sich bei all jenen Exil-Rumänen, die aufgrund zu weniger Wahlbüros ihre Stimme nicht hatten abgeben können. Als Reaktion auf Protestkundgebungen nach der ersten Wahlrunde hatte bereits Außenminister Titus Corlățean am 10. November sein Amt aufgeben müssen. Zum neuen Außenminister ist der bis dahin als Staatssekretär im Auswärtigen Amt tätige, parteilose Bogdan Aurescu (41) ernannt worden.

Ein weiteres Indiz für die Signalwirkung dieser Präsidentenwahl vermeldet die Allgemeine Deutsche Zeitung für Rumänien (ADZ) am 20. November auf ihrer Website: Die Abgeordnetenkammer hat den äußerst umstrittenen, monatelang im Rechtsausschuss verschleppten Amnestie- und Begnadigungsgesetzesentwurf am 18. November abgelehnt. Überdies gaben die Abgeordneten dem Ansuchen der Antikorruptionsbehörde DNA statt und hoben die parlamentarische Immunität dreier korruptionsverdächtiger Kollegen auf. Johannis begrüßte diese Entscheidungen und erklärte gegenüber der Siebenbürgischen Zeitung, „die gesamte politische Klasse“ habe „die Botschaft der Wählerschaft verstanden“. In diesem Zusammenhang ist noch ein spektakulärer Korruptionsfall publik geworden, die ADZ berichtete gar über ein „Erdbeben in der rumänischen Justiz“: Die Chefermittlerin der obersten Behörde zur Bekämpfung des organisierten Verbrechens und Terrorismus (DIICOT), Alina Bica, ist am 20. November von der Antikorruptionsbehörde DNA festgenommen worden. Die 40-jährige Staatsanwältin wird des Amtsmissbrauchs verdächtigt. Wie die DNA erklärte, soll Bica mit drei weiteren verhafteten Mitgliedern der Entschädigungskommission einem Immobilien-Unternehmer für 13 Hektar Land in Bukarest eine Entschädigung von knapp 90 Millionen Euro genehmigt haben. Der Steuerzahler sei um 62,5 Millionen Euro geschädigt worden, da das Land de facto weniger als 30 Millionen Euro wert gewesen sei.

Erst die nächsten Monate und Jahre der Präsidentschaft von Klaus Johannis werden erweisen, ob nach dieser politischen Protest- und Richtungswahl die für das Land so notwendigen rechtsstaatlichen, wirtschaftlichen und sozialen Reformen Platz greifen. Im SbZ-Interview antwortete Klaus Johannis auf die Frage, ob die Korruptionsbekämpfung und die zu sichernde Unabhängigkeit der Justiz über den Erfolg seiner Präsidentschaft entscheiden würden: „Ganz sicher. Sie werden die Voraussetzungen dafür sein, dass die Steuerhinterziehungen zumindest reduziert werden, dass die Mittel dort ankommen, wofür sie eingeplant worden sind, dass eine Finanzdisziplin in Rumänien möglich sein wird. Auf dieser Grundlage kann eine Sanierung und Entwicklung in allen Bereichen der Gesellschaft stattfinden.“

Christian Schoger




Lesen Sie dazu auch das Exklusivinterview: Klaus Johannis: „Schritt für Schritt am neuen Rumänien bauen”

Schlagwörter: Rumänien, Wahl, Staatspräsident, Johannis, Ponta, Pressespiegel

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