14. Februar 2015

Armutsbekämpfung: Victor Ponta stellt soziale Regierungsstrategie vor

Bukarest – Was Kinderarmut betrifft, liegt Rumänien auf Platz eins in der EU. 80 Prozent der Rentner müssen mit weniger als 800 Lei pro Monat auskommen. Einer von fünf Bürgern in Rumänien ist arm, weil sein Gehalt trotz geregelter Arbeit nicht zum Überleben reicht. Eine Million Angestellte erhalten den staatlichen Mindestlohn von 975 Lei, das sind umgerechnet etwa 220 Euro. Im öffentlichen Dienst liegen ebenso viele unter dem Durchschnittsgehalt, „schlimmer, ­sogar unter 1200 Lei“, begründete Premierminister Victor Ponta die „Nationale Strategie für soziale Inklusion und Armutsbekämpfung 2014-2020“ der rumänischen Regierung. Eine Tagung zu diesem Thema veranstaltete die Bukarester Friedrich Ebert Stiftung (FES) mit Vertretern von Presse und Nichtregierungsorganisationen (NGOs) am 29. Januar in Bukarest.
Brisant ist die Situation auch jenseits des materiellen Aspekts: Immer öfter werden sozial Schwache Opfer von Diskriminierung – allein 2013 gab es 414 Petitionen wegen Rechtsverletzungen, informiert die FES. „Sozialer Rassismus“ nennt sich das neue Phänomen, das mehr und mehr um sich greift. Obwohl die Wirtschaftszahlen derzeit nicht schlecht aussehen, wie Ponta feststellte, klafft die soziale Schere zunehmend auseinander: Die Reichen werden immer reicher, die Armen immer ärmer. Wirtschaftswachstum allein genüge nicht, um Armut zu mindern, erklärte der Premierminister die Notwendigkeit einer staatlichen Strategie. Die Ministerin für Arbeit und Soziales, Rovana Plumb, ergänzte: Armut birgt Gefahren, die sich auf die gesamte Gesellschaft auswirkten: Kriminalität, Nichtfunktionalität und Korruption im öffentlichen System, im schlimmsten Fall politischer Extremismus. Griechenland mache vor, was auch uns passieren könne, warnte Ponta. Die Mehrheit im Parlament in Bukarest sei daher für eine nachhaltige, langfristige Armutsbekämpfungsstrategie.

Premierminister Victor Ponta bei der ...
Premierminister Victor Ponta bei der Armutskonferenz in Bukarest: „Sozialabgaben sind keine Almosen“. Foto: George Dumitriu
Mit ein Grund für die Korruption im öffentlichen System sei die schlechte Bezahlung in einigen Behörden. Während Angestellte einzelner staatlicher Institutionen 300 bis 400 Prozent über dem mittleren Bruttolohn der Verwaltungsbehörden liegen – genannt wurden die Nationale Energiebehörde, die Finanzinspektion, DIICOT, Justizministerium, Antikorruptionsbehörde, Oberster Gerichtshof, Verfassungsgerichtshof, das Departement zur Bekämpfung von Steuerhinterziehung u.a. – liegen andere deutlich darunter: das Kulturministerium mit 44 Prozent, ebenso die Umweltaufsicht, zuständig für dem Kampf gegen illegale Abholzungen, das Wirtschaftsministerium mit 49 Prozent, das Arbeitsministerium mit 69 Prozent.

Die Regierung will den Mindestbruttolohn ab Juli 2015 auf 1050 Lei und bis 2016 auf 1200 Lei erhöhen. Langfristig könne Armut nur durch die Erhöhung von Beitragszahlern in das soziale System bekämpft werden. Plumb erwähnte, dass derzeit auf 5,2 Millionen Angestellte etwa 5 Millionen Rentner kämen, und das obwohl die Zahl der Beitragszahler in den letzten drei Jahren gestiegen sei. Schätzungsweise drei Millionen arbeitsfähige Staatsbürger befinden sich derzeit im Ausland. Das Argument, diese würden ihr Geld ohnehin in die Heimat schicken, ließ Ponta in diesem Zusammenhang nicht gelten, denn natürlich investierten sie es privat und nicht in Krankenhäuser, Schulen und Autobahnen. Würden die Auslandsrumänen – theoretisch – nur zehn Euro pro Monat in das staatliche Sozialsystem einzahlen, wäre ihr Beitrag deutlich spürbar, sagte Ponta. Für dieses Zahlenbeispiel erntete der Ministerpräsident heftige Kritik in den Medien, die ihn gewissermaßen falsch zitierten, als ob er tatsächlich Abgaben von den Auslandsrumänen gefordert hätte. Auch über eine höhere Besteuerung sehr großer Einkommen und Besitztümer solle man nachdenken, wie dies in den westlichen Gesellschaften geschehe, schlug Ponta vor.

Die Gesprächsbeiträge der NGOs verdeutlichten: Armutsbekämpfung bedeutet nicht nur Erhöhung auszuzahlender Sozialleistungen. Oft geht es darum, die Startbedingungen zu verbessern: Früherziehung für Kinder aus sozial extrem schwachen Familien, in denen sie nicht einmal lernen, wie man einen Buntstift hält; Wasser für abgelegene Roma-Siedlungen; Busse, die Bewohnern entlegener Dörfer den Anschluss an die Arbeitswelt sichern; Aufklärung für Jugendliche über den kostenlosen Zugang zu Verhütungsmitteln. „Geld ist vorhanden“, sagt Ponta, nur sei es in der Vergangenheit nicht immer sinnvoll eingesetzt worden. Essenziell bei allen Projekten sei, wie so oft, die Nachhaltigkeit.

Nina May

Schlagwörter: Rumänien, Konferenz, Armut

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Neueste Kommentare

  • 15.02.2015, 10:35 Uhr von BaBan: „Geld ist vorhanden“, sagt Ponta, nur sei es in der Vergangenheit nicht immer sinnvoll eingesetzt ... [weiter]
  • 15.02.2015, 10:02 Uhr von gloria: Aber konkret weiß Herr Ponta noch nicht ,wie das geschehen soll!!Bald gibt es keine jungen Menschen ... [weiter]

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