1. Mai 2015

Dipl.-Ing. Erwin Hellmann zum 80. Geburtstag

„Ich habe das getan, was getan werden musste“, antwortet Erwin Hellmann unkompliziert auf die Frage, was ihn zu seinem langjährigen ehrenamtlichen Engagement im Dienste der siebenbürgisch-sächsischen Gemeinschaft bewegt habe. „Meine Motivation waren die Schwierigkeiten selbst – denn es war eine Zeit, in der sich viele von den anstehenden Aufgaben zurückzogen.“ Der Kronstädter Diplom-Ingenieur, der am 28. April seinen 80. Geburtstag feierte, weiß genau, wovon er spricht, denn zwei Jahrzehnte lang spielte er eine maßgebliche Rolle im Gemeindeleben der Kronstädter Evangelischen Kirche A.B.: von 1986 bis 2006 war er Kurator des Kirchenbezirks, von 1993 bis 2001 zusätzlich Kurator der Honterusgemeinde.
Die Gemeinden, die er in der Umgebung Kronstadts betreute, waren in den neunziger Jahren nicht mehr wiederzuerkennen: „Von Gottesdienst zu Gottesdienst spürte man den Kollaps in den Dörfern immer stärker. Menschen, mit denen man an einem Sonntag noch zusammengearbeitet hatte, waren am nächsten Sonntag schon ausgewandert“, so Hellmann. Die schwierigste Zeit waren für ihn die neunziger Jahre: „Wir steckten in einem Haufen von Aufgaben, die mit großer Verantwortung verbunden waren, und zum Schluss war auch noch die Stadtpfarrerstelle vakant. Es war nicht einfach, einen Amtsnachfolger zu finden, aber es ist uns gelungen.“

Gelungen ist dem Kirchenkurator noch viel mehr. Während seiner Amtszeit konnten die Renovierung der Schwarzen Kirche sowie der großen Buchholz-Orgel abgeschlossen werden, und mit der Honterusfeier im Jahr 1998 trat die siebenbürgisch-sächsische Gemeinschaft in Kronstadt ins Scheinwerferlicht der Öffentlichkeit. Hellmann engagierte sich zudem im Vorstand des Demokratischen Forums der Deutschen im Kreis Kronstadt und übernahm Ende der neunziger Jahre auch die Vertretung in Rumänien des Volksbundes Deutscher Kriegsgräberfürsorge e.V.

Die massive Auswanderung der Landsleute und die Herausforderungen des gesamten Jahrzehnts nach der Wende konfrontierten die Gemeinschaft mit zahlreichen sozialen Fragen. Junge Familien waren ausgereist, Senioren waren in der siebenbürgischen Heimat mehr oder weniger sich selbst überlassen, ehemalige Russlanddeportierte konnten mit den durch die Inflation stark geschrumpften Einkünften kaum ihren Lebensunterhalt sichern. Doch nachdem in Temeswar und Hermannstadt mit finanzieller Hilfe seitens der Bundesrepublik Altenheime gegründet werden konnten, änderte sich die deutsche Gesetzeslage, die Unterstützung entfiel und die Kronstädter mussten ihr Seniorenheim „Blumenau“ in Eigenregie errichten. „Wir haben berechnet, was wir aufbringen konnten, und mit welchen Nachfolgekosten wir in den ersten fünf Jahren rechnen mussten“, erinnert sich Erwin Hellmann. „Es war nicht einfach, die gesamte Summe zusammenzubringen. Aber dank der unbürokratischen Hilfe von vielen Organisationen und dank großzügiger Spender war es möglich.“ Heute arbeiten rund zwanzig hauptberufliche Mitarbeiter in den zwei Wohnbereichen und der Pflegestation der „Blumenau“. Aufgenommen werden vorrangig Mitglieder der evangelischen Kirche, doch auch für Andersnationale öffne sich das Heim immer mehr.

Erwin Hellmann.	Foto: Christine Chiriac ...
Erwin Hellmann. Foto: Christine Chiriac
Für seinen Einsatz im Dienste der Gemeinschaft wurde Hellmann 2011 mit der Honterus-Medaille des Siebenbürgenforums und 2014 mit dem Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland geehrt. „Die Arbeit, die hinter den schönen Ergebnissen steckt“, erklärt Hellmann, „ist vor allem den engagierten Mitarbeitern, den Mitgliedern des Presbyteriums, den Fachleuten im Denkmalausschuss, den zahlreichen Helfern zu verdanken.“ Dankbar für die Unterstützung ist er natürlich seiner Ehefrau Christa Hellmann, die ebenfalls in der Honterusgemeinde tätig war.

Neben dem umfassenden Ehrenamt blickt Erwin Hellmann auch auf eine langjährige Karriere als Maschinenbauingenieur zurück. Die Berufswahl war für ihn schon immer selbstverständlich: „Wenn man mich als Kind unglücklich machen wollte, musste man mir nur sagen, dass ich Arzt werden soll. Ich habe nur geheult: Ich will Ingenieur werden!“, erinnert sich Hellmann. Er besuchte Mitte der fünfziger Jahre die Technische Hochschule in Kronstadt und arbeitete anschließend im Traktorenwerk. Gezwungen durch den schnellen Abbau der Kronstädter Industrie nach der Wende, arbeitete er von 1992 bis zum Ruhestand (1997) als Vertreter in Rumänien für die Außenhandelsorganisation der ehemaligen ostdeutschen Maschinenbauindustrie. „Es war eine interessante Tätigkeit, keine eintönige Büroarbeit mit Stechuhr. Ich war flexibel und konnte mich gleichzeitig auf die Arbeit in der Kirchengemeinde konzentrieren“, sagt der Ingenieur.

An Auswanderung habe er selbst nie ernsthaft gedacht: „In meinem Alter war es 1990 beruflich nicht mehr attraktiv, nach Deutschland zu gehen. Hinzu kam, dass man hierzulande sinnvoll gebraucht wurde. Man konnte in Siebenbürgen effektiv etwas leisten – das hat uns hier gehalten. Es war eine anstrengende, aber erfüllende Zeit“, zieht Erwin Hellmann Bilanz. Seine Tochter lebt heute in Deutschland, sein Sohn hat seine Nachfolge als Bezirkskirchenkurator und als Leiter des Altenheims „Blumenau“ angetreten. Ob der Vater dazu beigetragen hat, dass sich der Sohn für das Ehrenamt berufen fühlte? „Nicht direkt“, sagt Erwin Hellmann. „Aber das beste Mittel, jemanden zu animieren, ist das Beispiel. Er hat immer gesehen, dass für uns die Gemeinschaft im Vordergrund stand.“

Auf die Frage, was er sich für die siebenbürgisch-sächsische Gemeinschaft heute wünscht, antwortet Hellmann optimistisch: „Als der Exodus fast vorüber war, schätzte man, dass wir es noch höchstens zehn-fünfzehn Jahre schaffen würden. Seither sind fünfundzwanzig Jahre vergangen und wir stehen nicht schlechter da als damals.“ Vieles habe sich gewandelt, und trotzdem sei es möglich gewesen, Dinge aufzubauen, die bis in die Gegenwart sinnvoll seien. „Sicherlich wird die Zukunft nicht so aussehen, wie sie sich die Vorkriegsgeneration vorgestellt hat oder wie wir sie uns gewünscht haben. Aber ich habe Gottvertrauen, dass das, wofür wir den Grundstein gelegt haben, weiterbesteht.“

Christine Chiriac

Schlagwörter: Porträt, Geburtstag, Kronstadt, Kirche

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