21. September 2015

25. Sachsentreffen in Mediasch: Von Schulbildung und Herzensbildung bei den Siebenbürger Sachsen

Schule und Bildung standen im Mittelpunkt des 25. Sachsentreffens, das am 19. September bei wunderschönem Sommerwetter in Mediasch stattfand. „Schule – gestern, heute, morgen“ lautete das Motto des Festes, das jährlich von dem Demokratischen Forum der Deutschen in Siebenbürgen (DFDS) in Zusammenarbeit mit der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien (EKR) veranstaltet wird.
Zu Beginn des Gottesdienstes in der prachtvollen Stadtpfarrkirche hieß Bischof Reinhart Guib die Gäste willkommen zum „silbernen Jubiläum dieses uns ans Herz gewachsenen Festes“. Das Motto des Tages stellte er in Zusammenhang mit den Worten des namhaften Sohnes der Stadt, Stephan Ludwig Roth, der gesagt hatte, dass die Kirche die Schule der Großen und die Schule die Kirche der Kleinen sei. Auch Stadtpfarrer Gerhard Servatius-Depner ging in der Predigt auf die Rolle der Bildung für das Leben des Einzelnen und das Überleben der Gemeinschaft ein.

Im Anschluss an den Gottesdienst wurde die Ausstellung „Kuratoren unserer Kirche“ eröffnet. Die „Fotografische Würdigung“, wie der Untertitel lautet, beruht auf eine Initiative von Moni Schneider-Mild und besteht aus Lichtbildern, die der Landeskirchenkurator der EKR, Friedrich Philippi, realisiert hat. Bei der Vernissage unterstrich er den maßgeblichen Beitrag der Kuratoren und Kuratorinnen zur Instandhaltung von Kirchen, Friedhöfen, Pfarrhäusern sowie zur diakonischen Arbeit, vor allem in den Gemeinden, die keinen eigenen Pfarrer und nur noch wenige Mitglieder haben. Man solle vielleicht öfter mal einen Abstecher in die eine oder andere Ferngemeinde machen, um diese engagierten Menschen in deutscher Muttersprache zu begrüßen und ihnen für ihr Wirken zu danken, so Philippi.
Festliche Stimmung beim Gottesdienst in der ...
Festliche Stimmung beim Gottesdienst in der Margarethenkirche in Mediasch. Fotos: Christine Chiriac
Sprachgewandt, fachkundig und unterhaltsam führte der Mediascher Kurator Hugo Schneider durch die Margarethenkirche, ein imposantes spätgotisches Bauwerk mit wertvollen Fresken und Taufbecken, einem kunstvollen Flügelaltar und der barocken Orgel von Johannes Hahn (1755). Durch das Gebäude des Stephan-Ludwig-Roth-Lyzeums, das 1912 von Architekt Fritz Balthes errichtet worden war, führte die ehemalige Lehrerin und Schulleiterin Inge Jekeli.

Für gute Laune, lautes Gelächter und viel Applaus sorgte im Traube-Saal die Theateraufführung in siebenbürgisch-sächsischer Mundart „As Susi huet Geest“. Der idyllisch-dörfliche Frieden, in dem Susi, Misch, Trudi und Patrick leben, wird von dem Besuch des frechen Bukaresters Helmut und der schüchternen Banaterin Elfriede endgültig erschüttert – ein Abenteuer folgt dem anderen, wobei nicht nur die Vokuhila-Frisur von „Helmi“ (vorne-kurz-hinten-lang) an die achtziger Jahre erinnert, sondern auch die „Carpați“-Zigaretten und die Ärgernisse bei der Feldarbeit im „Colectiv“. Der vom Publikum sehr geschätzte Auftritt der Siebenbürgischen Theatergruppe Augsburg wurde durch eine Förderung des bayerischen Sozialministeriums ermöglicht. Für Regie und Bühne zeichnete Maria Schenker verantwortlich, die das Laienensemble seit einem Vierteljahrhundert erfolgreich leitet.

Die Festveranstaltung, die ebenfalls im Traube-Saal stattfand, wurde von dem Vorsitzenden des Siebenbürgenforums, Martin Bottesch, moderiert. Allein die Grußworte, die dabei gesprochen wurden, hätten gereicht, um inhaltlich ein Kolloquium zum Thema Bildung zu gestalten – ein Thema, das quer durch die Jahrhunderte und abgesehen vom jeweiligen politischen Kontext einen besonderen Stellenwert im Leben der sächsischen Gemeinschaft einnimmt. Wie der Vorsitzende des Landesforums Dr. Paul-Jürgen Porr hervorhob, gab es schon „im finsteren Mittelalter“ in den Dörfern Siebenbürgens einen Lehrer oder Pfarrer, der die Kinder Lesen und Schreiben lehrte. Als positive Ausnahme in Osteuropa konnte das deutsche Schulwesen in Rumänien sogar in der kommunistischen Ära erhalten werden; allein die Lücke, die durch die Auswanderung der meisten Siebenbürger Sachsen nach der Wende entstanden sei, könne nur sehr mangelhaft geschlossen werden. Gerade deshalb sei die von bundesdeutscher Seite zugesprochene Unterstützung für das muttersprachliche Schulwesen (750 000 Euro pro Jahr ab 2015) „von fast vitaler Bedeutung“, so Porr.

Einige Streiflichter auf die Geschichte und Gegenwart der deutschen Schulen in Siebenbürgen warf der Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in Bukarest, Werner Hans Lauk: 1334 wurden die Schulen der Sachsen erstmals urkundlich erwähnt, 1722 bestand bereits allgemeine Schulpflicht für Jungen und Mädchen, heute wird an 65 Schulen in Rumänien auf Deutsch unterrichtet, während 19 Universitäten insgesamt 70 nichtgermanistische Studiengänge in deutscher Sprache anbieten. Angesichts des Mangels an Lehrkräften sei es jedoch besonders wichtig, die Attraktivität des Lehrerberufs wieder zu steigern, so der Diplomat. Dem schloss sich mit seiner Ansprache der Bundestagsabgeordnete Dr. Christoph Bergner an, ehemaliger Bundesbeauftragter für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten, und einer der Initiatoren der erwähnten Lehrerförderung durch die Bundesrepublik. Er wünsche sich „ein Umdenken in der auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik“ seines Landes, so dass nicht allein das Goethe-Institut oder das Institut für Auslandsbeziehungen als Mittlerorganisationen wahrgenommen werden, sondern auch das Potential der deutschen Minderheiten als „authentische Partner vor Ort“ erkannt und geschätzt wird.

Ebenso wichtig sei es, innerhalb der deutschen Minderheit jenseits von staatlichen Grenzen die Kräfte zu bündeln und zu zeigen, dass man eine einzige Gemeinschaft sei, bemerkte der Bundestagsabgeordnete Dr. Bernd Fabritius, Bundesvorsitzender des Verbandes der Siebenbürger Sachsen in Deutschland und Präsident des Bundes der Vertriebenen. In diesem Sinne seien 25 Jahre nicht nur seit der Wiedervereinigung Deutschlands vergangen, sondern ebenso „seit dem Beginn einer siebenbürgisch-sächsischen Wiedervereinigung“. Volker Petri, Bundesobmann des Bundesverbandes der Siebenbürger Sachsen in Österreich, und Ovidiu Ganț, Abgeordneter der deutschen Minderheit im rumänischen Parlament, sprachen abschließend von der Rolle der Schulbildung als Herzens- und Elitenbildung im Sinne eines Engagements im Dienste der Gemeinschaft.
Sehr gut beim Publikum kam die Aufführung der ...
Sehr gut beim Publikum kam die Aufführung der Siebenbürgischen Theatergruppe Augsburg an.
Einen Überblick über Historie, Gegenwart und Zukunft der deutschen Schulen in Siebenbürgen lieferte der Festredner des Sachsentreffens, der Historiker Thomas Șindilariu, der in Kronstadt das Archiv und die Bibliothek der Honterusgemeinde sowie das Stadtforum leitet. Das Bildungswesen der deutschen Minderheit habe vielmals im Laufe der Jahrhunderte sein hohes Niveau bewiesen. Șindilariu belegte dies mit Namen wie Johannes Honterus, dessen Werk „Rudimenta cosmographica“ den „weltweit ersten Schulatlas enthält“, sowie Oskar Pastior und Herta Müller, deren schriftstellerische Tätigkeit auch auf die rumäniendeutschen Lehreinrichtungen zurückgeführt werden könne. „Völlige Hoffnungslosigkeit“ habe die deutsche Gemeinschaft infolge der Deportation und der Agrarreform von 1945 erfahren, nichtsdestotrotz habe sie ein bewundernswertes Durchhaltevermögen an den Tag gelegt, das dazu geführt habe, dass selbst nach dem Exodus in den neunziger Jahren das deutschsprachige Schulwesen überleben konnte. Heute übertreffe die Anfrage bei weitem die Kapazitäten, und Nichtdeutsche seien längst ein fester Bestandteil der deutschen Schulen. Die Zugehörigkeit zur Gemeinschaft solle deshalb nicht mehr nur von der Abstammung, sondern auch von dem Bekenntnis zu Sprache und Kultur bestimmt werden, sagte Șindilariu, der seine Rede mit einem „Historikerscherz“ beendete: „Zukunft allein ist sicher, die Vergangenheit verändert sich andauernd.“

Passend zum Thema des Festtages wurde die Honterus-Medaille des Siebenbürgenforums und der Landeskirche an einen bedeutenden Lehrer der Siebenbürger Sachsen für „hervorragende Dienste“ in Rahmen der Kirche und Gemeinschaft verliehen: den 1932 geborenen Theologen Dr. Hermann Pitters. Die Laudatio hielt Pfarrer Dietrich Galter. Pitters prägte über mehrere Jahrzehnte als Dozent die Studentengenerationen am Protestantisch-Theologischen Institut in Hermannstadt, das er als Dekan in den schweren achtziger und frühen neunziger Jahren koordinierte, bevor er dann den Aufbau der Evangelischen Akademie Siebenbürgen in Neppendorf unterstützte und diese als erster Vorsitzender leitete. Er gehörte außerdem zu den Gründern des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien und war von 1979 bis 1999 Chefredakteur der „Kirchlichen Blätter“.

Ein reiches Kulturprogramm rundete die Feier in Mediasch ab. Am Hauptplatz konnten die Besucher an Verkaufsständen der Handarbeitskreise, Verlage, Jugendzentren, Umweltinitiativen und Bildungseinrichtungen verweilen, im Schullerhaus war die Ausstellung „Die deutsche Minderheit in Rumänien“ zu sehen, in der Hermann-Oberth-Schule gab es erstmals ein Sachsentreffen-Alternativangebot für Kinder und Jugendliche mit Workshops für sächsischen Volkstanz, Physik und Chemie, Bastelkursen und einer Theateraufführung. Reichlich Beifall gab es für die Tanzgruppen, Blaskapellen und Bands, die auf der Bühne im Freien auftraten, für den Klausenburger Chor „Viva la musica“ in der Stadtpfarrkirche sowie für Pfarrer Gerhard Servatius-Depner (Violine) und die Musikerin Liv Müller (Klavier), die den musikalischen Rahmen im Traube-Saal meisterhaft gestalteten.
Die Kronstädter Kindertanzgruppe „Korona ...
Die Kronstädter Kindertanzgruppe „Korona Edelweiß“ (Leitung Dagmar Cloos) auf dem Mediascher Hauptplatz.
Man freut sich jetzt schon auf das nächste Sachsentreffen am 17. September 2016 in Sächsisch-Regen – und auch im Sommer 2017 wird sich ein Besuch in Siebenbürgen lohnen. Dann feiert Mediasch siebeneinhalb Jahrhunderte seit seiner ersten urkundlichen Erwähnung, wie Bürgermeister Teodor Neamțu in seiner Ansprache unterstrich, während das Sachsentreffen in Hermannstadt gefeiert wird. Hans Gärtner kündigte an, dass der von ihm geleitete Verband der Siebenbürgisch-Sächsischen Heimatortsgemeinschaften in Deutschland sich dabei erstmals an der Organisation des Festes beteiligen werde.

Christine Chiriac

Schlagwörter: Sachsentreffen, Mediasch, Schule, Forum, Kirche

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