11. Dezember 2015

Jugendparlament – erleben, was Demokratie bedeutet

Bukarest – Blutjunge Männer und Frauen, die meisten in Anzug und Kostüm, nehmen Platz an den ausladenden Doppelpulten. Mikrofonprobe, dann gehen die Bildschirme an. Der Anblick ist vertraut, den Sitzungssaal im rumänischen Parlament kennt jeder aus dem Fernsehen. Nur die Gesichter sind alle neu!
6. November 2015: Auf dem Universitätsplatz skandieren Demonstranten. Die jungen Leute haben die Nase voll von der aktuellen Politikerklasse. Schluss mit Korruption, Seilschaften und Nepotismus! Es ist derselbe Tag, teilweise sogar sind es dieselben Leute, die an den Straßenprotesten teilnahmen und jetzt in den Ledersesseln der Parlamentarier probesitzen. Dort verbringen sie die nächsten drei Tage, um zu lernen, was es bedeutet, eine Meinung zu vertreten, bis zum Konsens zu debattieren und einen Gesetzesvorschlag daraus zu machen. Das Jugendparlament wird jährlich von der Agenția Pro Democrația (APD) und der Hanns Seidel Stiftung (HSS) Bukarest organisiert. Zugelassen sind Schüler und Studenten in Rumänien zwischen 18 und 26 Jahren, 100 bis 150 werden auf der Basis eines einzureichenden Gesetzesvorschlags ausgewählt. Cristian Pîrvulescu, Politologe, Universitätsprofessor und Ehrenvorsitzender der APD, erklärt, man wolle den Geist des parlamentarischen Kon­senses lehren und das Image des Parlaments verbessern, das in Rumänien denkbar schlecht sei.

Bei der Debatte der 22 Gesetzesvorschläge, ein gigantisches Pensum, stößt man an vielerlei Grenzen: rechtliche, zeitliche, persönliche, gruppendynamische. Neben vier Ausschüssen gibt es auch ein Presseteam, das alle Diskussionen beobachtet und die Zeitschrift „Stimme des Jugendparlaments“ herausgibt. Was die jungen Teilnehmer motiviert, fasst Diana Trăncuță (21) zusammen: der spürbare Wunsch, Veränderungen zu sehen – eine Reform der Gesellschaft auf allen Niveaus, doch transparent und korrekt! Und: nicht die Fehler wiederholen, die man an jetzigen Parlamentariern beobachtet.

Die Themen der Gesetzesvorschläge sind vielfältig, häufig betreffen sie typische Probleme der Jugend. Mentoren aus der echten Abgeordnetenkammer inspirieren sich gelegentlich an den Ideen. Pîrvulescu bedauert zwar, dass bisher noch kein vom Jugendparlament „verabschiedetes“ Gesetz übernommen wurde, doch geht es in erster Linie um den Lernprozess. „Die Kommission für Außenpolitik hat festgestellt, wie viel man über internationales Recht wissen muss“, schreibt Emma Manolache (21). Tatsächlich erfahren die meisten, dass ihre Vorschläge daran scheitern, weil sie bestehenden Gesetzen widersprechen oder nicht verfassungskonform sind.

„Nur fünf Prozent der bisherigen Teilnehmer gingen tatsächlich den Weg in die Politik“, resümiert Pîrvulescu. Doch alle sind sich einig, viel gelernt zu haben, berichten ihren Freunden oder in den Sozialen Medien darüber. Wenn man die heutigen Teilnehmer mit denen früherer Veranstaltungen vergleicht, fällt auf, dass erstere dank der Sozialen Medien deutlich informierter sind, beobachtet auch Projektmanagerin Nicol Grama (HSS). Jurastudentin Lara Stegarescu resümiert: „Das Jugendparlament hat die Beziehung zwischen Parlament und Bürger für mich transparenter gemacht. Man denkt meist, das Parlament sei ein Ort, der den einfachen Menschen verschlossen ist, aber das ist ein Irrtum. Es ist eine Institution, die so nah wie möglich am Menschen sein will.“

Nina May

Schlagwörter: Rumänien, Parlament, Jugend, Politik

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