31. Dezember 2015

Ein Plädoyer für den Erhalt der siebenbürgisch-sächsischen Kirchenburgen

Schon vor dem Wahlsieg von Klaus Johannis als Staatspräsident Rumäniens hatten viele (viele meint hier Siebenbürger Sachsen, aber auch Bewunderer der siebenbürgisch-sächsischen Kultur) Mutmaßungen angestellt: Die siebenbürgisch-sächsische Zivilisation ist noch nicht verloren, und selbst wenn sie Verfallserscheinungen erkennen lässt, kann noch etwas für sie getan werden. Die Sachsen, die letzten Nachfahren der einstigen Siebenbürger Sachsen, sind im Begriff, sich von dieser Welt und damit von ihrer eigenen Zivilisation zu verabschieden.
Dennoch kann für deren Erhaltung noch etwas getan werden. Alle sind dafür, alle Welt wünscht und denkt es. Es geht um die Erhaltung der Burgen, der Kirchen und bestimmter Denkmäler in dem von dieser Zivilisation geprägten Lebensraum. Sie können gerettet, konserviert und für die Zukunft erhalten werden. Schönheit, Wert und Wahrheit stehen über jedem Vorbehalt.

Was ist zu tun, mit welchem Einsatz und vor allem unter welchen Bedingungen und mit welchem Aufwand? Was die sächsischen Häuser – die Baudenkmäler mit der höchsten Dichte – angeht, sind zwar kaum noch Rechnungen offen, auf Kirchen und Burgen trifft das jedoch nicht zu.

Die sächsischen Häuser, ehrwürdig nicht nur vom Alter her (ihr Stil gründet auf Maß, guten Geschmack, Selbstbesinnung – gleichsam mit Händen zu greifen – und Tradition), zum einen, vielleicht großen Teil von Verfall und Einsturz bedroht, zum anderen standfest, die einen (wenngleich wenigen) de jure, die anderen de facto bewohnt oder mit rechtlich ungesichertem Status, können noch restauriert und renoviert werden. Kurzum, ihnen mag ein zweites Leben beschieden sein.

Kirchen und Burgen, die – aus unschwer auszumachenden Gründen! – nicht in der Obhut Interessierter sind, befinden sich in einem im Vergleich zu den Häusern fortgeschrittenen Stadium der Vernachlässigung und des Verfalls. Sie bieten keinen Wohnraum und können auch nicht gewinnbringend umgenutzt werden. Deshalb sind sie gefährdet.

Die Häuser haben aufgrund ihrer Funktionalität den einen oder anderen Interessenten und somit ihre Rettung gefunden, Kirchen und Burgen jedoch sind auf das Interesse der Öffentlichkeit angewiesen. Dabei weiß man nur zu gut, wie wenig aktiv und effizient das Interesse der Öffentlichkeit ist, wenn es um ein stummes, verschlossenes, dem eigenen Schweigen verhaftetes Objekt geht, weder Aufregung noch Lärm im Spiel sind, keine Klagen bei der Regierung eingereicht und keine europäischen Forderungen erhoben werden.
Bußd bei Mediasch, spätgotische Saalkirche von ...
Bußd bei Mediasch, spätgotische Saalkirche von Anfang des 15. Jahrhunderts, Wehrbarmachung um 1500. Bemerkenswert ist der durch drei Wehrgeschosse erhöhte und mit Maschikulis versehene Chorturm (sehr ähnlich dem von Wurmloch). Bedingt durch die Feuchtigkeit in Dach und Wänden, bröckelt der Putz an vielen Stellen und der Fußboden ist morsch. Auch die Ringmauer müsste saniert werden. Foto: Alexander Kloos
Infolgedessen kümmern sich derzeit eher die einstigen Besitzer und die Nostalgievereine um diese Angelegenheiten.

Die einstigen Besitzer, das sind die nach Deutschland ausgereisten Sachsen, die in verschiedenen Verbänden – Nichtregierungsorganisationen – für Restauration und Erhaltung plädieren und agitieren. Es gibt ziemlich viele Vereine – wenngleich weniger, als man sich wünschen würde! –, denen es gelungen ist, Kirchen in ehemals sächsischen Dörfern zu retten.

Allzu viel allerdings haben auch diese Vereine – bewundernswert, aber wenig finanzkräftig! – nicht geschafft. Ziel und vollkommenes Gelingen einer solchen Unternehmung wären erreicht, wenn alle ehemaligen sächsischen Wehrkirchen renoviert wären. Davon sind wir allerdings weit entfernt!

So sind wir gezwungen, einen anderen Weg einzuschlagen: ein Eingreifen des deutschen Staates durch das Kulturministerium. Wie ist das zu bewerkstelligen?

Emil Hurezeanu äußerte zu Beginn seiner Amtszeit als Botschafter Rumäniens in Deutschland (siehe Interview in der Siebenbürgischen Zeitung Online) einen Vorschlag, den er offenbar reiflich überlegt hatte: Er regte die Umwidmung solcher Wehrkirchen zu europäischen Sommerschulen an. Sollte sich der Gedanke durchsetzen, meinte Emil Hurezeanu, könnte man für entsprechende Programm europäische Mittel einwerben.

Es gibt jedoch eine weitere Möglichkeit, die mit Deutschlands Selbstachtung zusammenhängt, genauer mit der Wertschätzung, die Deutschland für die eigene Kultur und Zivilisation jenseits seiner Grenzen hegt. Ist diese Wertschätzung real und aktiv, dann kann Deutschland sich in die Rettung all dessen einbringen, was seine Präsenz außerhalb der real existierenden Grenzen ausmacht, genauer in die Konservierung und Erhaltung von Zeugnissen seiner Kultur und Zivilisation an Orten, an denen seine Kräfte im Einsatz waren.

Ein solcher Ankerpunkt der Verbreitung deutscher Kultur und Zivilisation ist Siebenbürgen. Es kann durch eine von wirklichem Interesse getragene kulturelle Intervention gerettet werden. Das setzt natürlich eine gewisse Investition voraus. Wird Deutschland diese leisten? Wenn besagte Selbstachtung besteht, und daran zweifeln wir nicht, dann wird es sie sich leisten. Vielleicht muss man sie ihm lediglich in Erinnerung rufen.

Sicher, Deutschland hat derzeit viele verschiedene Probleme, die alle auf einer Warteliste ­stehen und nach einer bestimmten Rangfolge abgearbeitet werden müssen. Die siebenbürgisch-sächsische Zivilisation aber besteht nicht erst seit gestern oder heute, und auf dieser Liste steht sie auch schon lange. Die Dringlichkeit ist eine ganz unmittelbare. Diese Zivilisation, sofern sie noch besteht, kann nicht mehr warten. Ihre letzte Stunde naht, ihr Schlag wird schmerzlich sein und endgültig.

Es gibt eine lyrische Komponente, eine Poesie dieser Zivilisation, und niemand, der heute nach Siebenbürgen gelangt, vermag sich ihr zu entziehen und ihr seine Bewunderung zu verwehren. Nur geht es hier weder um Lyrik noch um Poesie. Gnadenlos verdrängt die Zeit die Poesie, vordringlich ist die sofortige Intervention. Noch kann etwas getan werden, noch kann gerettet werden, was wir lieben.

Dabei ist kategorisch anzumerken: Der Weg steht offen. Man kennt die Richtung, man weiß, was zu tun ist und welche Methoden anzuwenden sind. Die diversen Verbände, die Nichtregierungsorganisationen, die Privatinitiativen haben schon eine Plattform begründet, von der man starten kann. Wir stehen nicht am Anfang.

Es gibt unzählige Beispiele von Initiativen, die von Erfolg gekrönt waren. Sie müssten einzeln aufgeführt und gelobt werden. Persönlich kenne ich mehrere und weiß sie alle zu schätzen. Nicht zuletzt seit diesem Sommer, als ich als Gast beim Sachsenfest in Zied/Veseud war, einem Dorf, mit dem mich manche Erinnerung und ebenso viel unheilbare Wehmut verbindet und wo ich völlig überrascht war von dem neuen Straßenbild. Zied ist – wie die Zieder gerne glauben – der Mittelpunkt Rumäniens, ja – warum auch nicht? – der Welt und sieht ganz anders aus als jenes Dorf, das ich vor fünfundzwanzig Jahren verlassen habe. Ein herrlich erneuertes, beinahe modernisiertes Dorf – wobei es dessen gar nicht bedarf, stoßen wir doch allenthalben dauernd auf Modernisierung und Abermodernisierung. Die schöne alte sächsische Kirche in der Dorfmitte, deren schwierige Renovierung beinahe abgeschlossen ist, umgeben von einem klug angelegten Kanalsystem und einem wunderbaren, mehr als hundert Jahre alten Park, das alles gemahnt an die Märchen der Brüder Grimm. Die aufwendige Renovierung und bauliche Erneuerung ist der Tüchtigkeit von Friedrich Rottman zu verdanken und hat wunderbare Ergebnisse erbracht. Fritz, mein Freund von früher, hat keine Mühe gescheut und Sommer für Sommer seinen Urlaub diesem noblen Ziel geopfert. Glücklicherweise hat er es erreicht. Man muss ihn umarmen und beglückwünschen. Er hat es verdient.

Prof. Dr. Ion Militaru

(Aus dem Rumänischen von Georg Aescht)


Der Autor ist wissenschaftlicher Forscher ersten Grades am Institut für gesellschaftlich-humanwissenschaftliche Forschungen „C. S. Nico­lă­escu-Plopșor“ in Craiova.

Schlagwörter: Siebenbürgen, Kirchenburgen, Kulturerbe

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Neueste Kommentare

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  • 04.01.2016, 15:18 Uhr von Karin Decker-That: Als kurz vor der Revolution von 1989 ein Siebenbürger Sachse namens Hans Konnerth die lang ... [weiter]
  • 01.01.2016, 02:14 Uhr von getkiss: Na, @bankban es gibt halt bei den "offiziellen Forschern" in Rumänien halt auch so etwas. ... [weiter]

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