28. Mai 2008

Viktor Kästner in Gundelsheim gewürdigt

Als anlässlich des Pfingstreffens der Siebenbürger Sachsen in Dinkelsbühl 2008 die vier Mu­si­ker der „Lidertrun“ die Ballade „De Brokt um Ålt“ anstimmten, sang das Publikum verhalten mit. Viele siebenbürgisch-sächsische Mundartsprecher kennen das Lied, die wenigsten dessen Dichter. Verfasst wurde die Ballade von Viktor Kästner am 28. Oktober 1847 in Kerz, seinem Geburtsort. Den Stoff lieferte eine wahre Begebenheit: Ein junger Mann ertrank im Alt, als er eine Frau aus den Fluten des Flusses retten wollte.
Friedrich Schuster, selbst gebürtiger Kerzer, hat in jahrzehntelanger Arbeit das Leben und dich­terische Schaffen von Viktor Kästner er­forscht, die Archivalien zu seiner Biographie so­wie viele Originalschriften seiner schriftstellerischen Betätigung zusammengetragen. Die Aus­stel­lung, die am 17. Mai in den Räumen des Sie­benbürgischen Museums in Gundelsheim eröffnet wurde, zeigt eine Auswahl wichtiger Doku­men­te aus dem Nachlass des Schriftstellers.

In ihrer Eröffnungsrede dankte Dr. Irmgard Sedler, die Vorsitzende des Siebenbürgischen Mu­seums e.V., dem Journalisten und Forscher Schuster für seine Arbeit und forderte die An­we­senden auf, dem Beispiel Kästners folgend, Mundartausdrücke, Redewendungen und münd­liches Erzählgut aufzuschreiben, da diese mit der siebenbürgischen Erlebnisgeneration unwiderruflich verloren gehen würden. Die Aus­ste­l­lungseröffnung gab den Rahmen für die Buch­präsentation der Gedichte Viktor Kästners, de­ren Herausgabe Friedrich Schuster unter dem Titel „Drǻ Wängsch“ im Honterus-Verlag Her­mannstadt betreut hat.
Friedrich Schuster während seiner Ansprache in ...
Friedrich Schuster während seiner Ansprache in Gundelsheim. Foto: Werner Sedler
Schuster lieferte dem zahlreich erschienenen Pub­likum einen Einblick in das Leben und Schaf­fen des Dichters, der am 30. Dezember 1826 als fünftes von acht Kindern des evan­ge­li­schen Pfarrers Daniel Kästner geboren wurde. „Viktor war ein wilder Junge, dessen Geist und Gemüt vom Zauber der Umgebung geprägt wur­de. Die Ruinen der Zisterzienserabtei, die an das Geburtshaus heranreichen, das Dorf mit seinem Volksleben regten seine Phantasie reich­lich an“, so Schuster.

Nach dem Besuch des Gymnasiums in Her­mann­stadt und der Rechtsfakultät ebenda trat er in den Dienst des Hermannstädter Stadt­ma­gis­­trats. 1851 fasst Kästner sein Schrei­ber­lings­schicksal ironisch in dem Gedicht „Der Kanz­list“ in Reime. Nach der Revolution von 1848 ver­öffentlicht Kästner unter einem Pseu­do­nym politisch-wirtschaftliche Aufsätze in der Kron­städ­ter Zeitung, in denen er seine Ent­täu­schung über die politische Entwicklung zum Aus­druck bringt.

1854 heiratet Kästner Pauline Simonis, eine Pfar­rerstochter aus Petersdorf bei Mühlbach. Zwei Kinder entspringen dieser Verbindung. Aber schon im Sommer des Jahres 1857 er­krankt Kästner an Milzbrand und stirbt nach kur­zer Krankheit am 29. August desselben Jah­res im jungen Alter von dreißig Jahren.

„Kästners Mundartgedichte schöpfen aus dem reichen Wortschatz der [siebenbürgisch-säch­sischen] Volkssprache. Er legte sich ein Idio­tikon an, eine Sammlung von besonderen Aus­drücken und Redewendungen, die er reichlich in seine Gedichte einbaute. Er hat, wie sein Bio­graph Adolf Schullerus feststellt, sächsisches Le­­ben im sächsischen Gewande eingefangen, doch auch sächsisches Fühlen und Anschauen“, so Friedrich Schuster. „Mit seinen Gedichten ver­schafft Kästner der siebenbürgisch-sächsischen Mundart literarischen Rang.“

Für die gelungene fachmännisch-museale Ge­staltung der Exposition im Siebenbürgischen Mu­seum zeichnet als Kurator Marius J. Tataru. Die optisch zurückgenommene, aber edle Dar­stel­lungsart ist den Inhalten angepasst. Zu se­hen sind Originalurkunden, Manuskripte, Briefe und Fotos von Viktor Kästner und seiner Fa­mi­lie. Dazu alte und neuere Aufnahmen von Kerz, Buchausgaben seiner Gedichte, ein Portrait des Dichters, gezeichnet von Trude Schullerus, und vieles mehr.

Werner Sedler

Schlagwörter: Siebenbürgisches Museum, Viktor Kästner, Mundart

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