19. Mai 2010

60 Jahre Siebenbürgische Zeitung: Ihr Wirken im Spannungsfeld zwischen Identität und Integration

Die erste Folge der Siebenbürgischen Zeitung erschien im Juni 1950 in München, trug den Untertitel „Nachrichten für die Siebenbürger Sachsen in Deutschland“, umfasste vier Seiten etwa in Foliogröße und wurde im Auftrag des „Verbandes der Siebenbürger Sachsen e.V.“ herausgegeben. Heute veröffentlicht die Siebenbürgische Zeitung mit dem Untertitel „Zeitung der Gemeinschaften der Siebenbürger Sachsen“ im Durchschnitt 32 Seiten im Berliner Format. Dazwischen liegt eine 60-jährige Entwicklung, die in einer Jubiläumsausgabe anhand von ausgewählten Texten und Fotos beleuchtet wird.
Wir stehen auf einem breiten geschichtlichen Fundament, das unsere Vorgänger gebaut haben und das wir in ihrem Sinne fortzuführen versuchen. Die verantwortlichen Redakteure haben sich, mal streitbar, mal versöhnlich in den Dienst ihrer Gemeinschaft gestellt: Hermann Otto Bolesch (1950-1952), Hans Hartl (1952-1957), Alfred Hönig (1957-1970), Hans Bergel (1971-1989), Hannes Schuster (1989-2001) und seit 2002 der Autor dieser Zeilen.

Die Geschichte der Siebenbürgischen Zeitung ist eine des Wiederaufbaus, der Pioniere, die in einer für sie neuen Umgebung die Schulter anlegen, sich eine neue Existenz aufbauen und mitbauen an der Gesellschaft, sich in Politik, Kultur und Wirtschaft einbringen. Die meisten Siebenbürger Sachsen sind ausgewandert und haben neue Wurzeln in Deutschland, in Österreich, in Kanada, in den USA geschlagen. Sie alle sind angesehene Bürger ihrer jeweiligen Heimatländer. In Siebenbürgen leben heute 14000 Siebenbürger Sachsen, deren Einsatz für den Erhalt der siebenbürgisch-sächsischen Kultur eben­falls unseren Respekt verdient.
Die erste Ausgabe der Siebenbürgischen Zeitung ...
Die erste Ausgabe der Siebenbürgischen Zeitung erschien im Juni 1950.
Die Zeitung bietet eine Chronik der Besinnung auf die eigene Herkunft, die Geschichte und Kulturpflege, eine Chronik des Zusammenhalts und der Weitergabe von Werten an die junge Generation. Wer die Zeitung liest, findet zugleich eine Chronik des Einsatzes für die Rechte der Siebenbürger Sachsen, die überall eine Minderheit sind und ihre Rechte oft erstreiten müssen. Es ist eine der wichtigsten, ureigensten Leistungen des Verbandes, die Interessen der Landsleute in der Öffentlichkeit zu vertreten. Der landsmannschaftliche Verband hat sich im Laufe der Jahrzehnte große praktische Verdienste erworben, um den rechtlichen Rahmen zu schaffen, der uns heute eine sorgenfreie Existenz ermöglicht: Lasten­aus­gleich, Familienzusammenführung, Einsatz für die Minderheitenrechte in Rumänien, Aussiedler­zuzug, Renten, Eigentumsrückgabe, um nur einige Bereiche zu nennen. In der Rentenfrage ist ein Durchbruch beim Fiktivabzug gelungen (Siebenbürgische Zeitung vom 15. Juli 2009). Die Schieflage, die viele Landsleute belastet hatte, wurde von unserem Verband in Verhandlungen mit den deutschen und rumänischen Rentenbehörden abgewendet. Alle Demarchen wurden dabei publizistisch durch diese Zeitung begleitet und vorangebracht. Die SbZ ist zugleich eine Chronik von Partnerschaften, Verbündeten, Gleichgesinnten, neuen Nachbarn, die einen aufnehmen und helfen, von Politikern, die sich für Siebenbürgen und die Siebenbürger Sachsen begeistern und sie fördern.

„Behalten Sie Ihr eigenes Gepräge und bringen Sie es zum Leuchten!“, rief Bischof Dr. Michael Bünker im September 2008 den Siebenbürger Sachsen beim Heimattag im oberösterreichischen Wels zu. Diese Aufforderung verdeutlicht, dass die Grenzen beim Erhalt der siebenbürgisch-sächsischen Identität nicht mehr von außen gesetzt werden, wie das im kommunistischen Rumänien der Fall war, sondern eher von innen, von der mittleren und jüngeren Generation, die ihr Augenmerk fast ausschließlich auf die Eingliederung, auf den hiesigen Alltag richtet. Deshalb versucht die Siebenbürgische Zeitung den Blick für die eigene Herkunft zu schärfen und bietet eine Fülle von siebenbürgischen Themen an, erinnert an Persönlichkeiten, an Krieg und Deportation, an kulturelle und geschichtliche Ereignisse, betreibt Mundartpflege in der eingerichteten Rubrik „Sachsesch Wält“, die seit 2005 ehrenamtlich von Bernddieter Schobel und Hanni Markel betreut wird. Auch andere Bausteine sollen den Lesern helfen, ihre Kultur, Geschichte und Traditionen besser kennen zu lernen.

Die Zeitung wirkt in diesem Spannungsfeld zwischen Identität, der Fortführung siebenbürgisch-sächsischen Lebens, und der Integration, der Öffnung hin zum anderen. Wer diese Spannung nicht aushält, wird sich entweder in die sächsische Schmollecke zurückziehen, der Vergangenheit nachtrauern, oder sich – am anderen Pol – assimilieren, die Identität vergessen oder verdrängen. Je besser wir die Ausdrucksformen der Siebenbürger Sachsen kennen und in ihrem Geiste leben, desto authentischer sind wir. Und wir werden eines Tages feststellen, dass wir als selbstbewusste Siebenbürger anerkannt und offen für andere sind, getragen von einem gemeinsamen europäischen Geist.
Das heutige Zeitungsteam in München, von links ...
Das heutige Zeitungsteam in München, von links nach rechts: Hans-Werner Schuster, Christian Schoger, Detlef Schuller, Doris Roth, Siegbert Bruss. Foto: Erhard Graeff
In der SbZ wurde der europäische Einigungsprozess als Chance begrüßt, die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zu verbessern. Der Bundes- und Föderationsvorsitzende Dr. Bernd Fabritius (seit November 2007) sprach sich für ein neues grenzüberschreitendes kollektives Selbstverständnis aus. Die innersächsischen Auseinandersetzungen über „Bleiben oder Gehen“ bzw. die Auslegung darüber, wer Recht hatte oder nicht, gehören der Vergangenheit an. Das ist auf einen Generationswechsel zurückzuführen und auf die erwähnte Stabilisierung der Sachsen in ihren jeweiligen Heimatländern.

Immer wichtiger werden die Kooperationen zwischen siebenbürgisch-sächsischen Organisationen und anderen Partnern, die ähnliche Ziele verfolgen. Die Zeitung fördert daher die Vielfalt der siebenbürgisch-sächsischen Organisationen und räumt ihnen – neben den Untergliederungen des landsmannschaftlichen Verbandes und den Heimatortsgemeinschaften – einen breiten Raum ein.

Inhaltlich widerspiegelt die Siebenbürgische Zeitung heute die aktuellen Lebensbereiche und Wirkungsfelder der Siebenbürger Sachsen vor allem in Deutschland, aber auch in anderen Ländern. Sie ist nach wie vor Informationsblatt und Sprachrohr ihrer politischen und rechtlichen Interessen, sie trägt zur Kulturpflege bei, stiftet Identität und fördert nicht nur den Zusammenhalt der Landsleute, sondern auch den europäischen Dialog zwischen Ost und West. Über die kulturellen Aktivitäten der in der neuen Heimat verwurzelten Siebenbürger Sachsen, die Kulturtage, die jährlichen Heimattage in Dinkelsbühl, die Sachsentreffen in Übersee, Österreich und Siebenbürgen oder die Veranstaltungen der gut organisierten Siebenbürgisch-Sächsischen Jugend in Deutschland (SJD) wird ausführlich in Wort und Bild berichtet.

Die Auflage des Blattes ist entsprechend den Mitgliederzahlen des Verbandes rückläufig und beträgt zurzeit 23500 Exemplare. Die Zeitung geht an Leser in 21 Ländern, und zwar hauptsächlich in Deutschland, Österreich, Rumänien, Kanada, den USA und in der Schweiz. Der Verband der Siebenbürger Sachsen ist seit zehn Jahren mit einem Mitgliederschwund konfrontiert, was eine gezielte Mitgliederwerbung erforderlich macht.

Die Siebenbürgische Zeitung hat sich seit 2000 durch den Einsatz der neuen Medien erheblich gewandelt. Die elektronische Umstellung wurde als Priorität vom Bundesvorstand vorgegeben. Dieser strukturelle Prozess wurde erfolgreich bewältigt und kommt dem Verband und den Mitgliedern in vielfacher Weise zugute. Einsparungen bei den Druckkosten tragen zur finanziellen Stabilisierung des Verbandes bei, der das Blatt herausgibt und der – wie oben erwähnt – mit einem Mitgliederschwund konfrontiert ist.

Seit dem 30. September 2007 wird die Zeitung in der Druckerei Mayer & Söhne in Aichach zur Hälfte in Farbe hergestellt. Sie ist damit bunter und attraktiver für unsere Leserinnen und Leser geworden. Der Neuanfang bedeutete zugleich einen Abschied – von der Druckerei Jägerhuber in Starnberg, wo die Siebenbürgische Zeitung seit dem 23. April 1951 ununterbrochen gedruckt worden war. Aus dem schmalen Blatt im Berliner Format mit einer bescheidenen Auflage in den wirtschaftlich kargen Nachkriegsjahren entwickelte sich eine ­ansehnliche, moderne Zeitung. Dafür ist dem 84-jährigen Unternehmer Josef Jägerhuber herzlich zu danken.

Erfolgreich ist der im Oktober 2000 gestartete Internetauftritt des Verbands unter www.siebenbuergeR.de. Die Inhalte werden maßgeblich von den Redakteuren gestaltet. Täglich werden drei ­aktuelle Artikel in der Siebenbürgischen Zeitung Online, dem Herzstück des Internetauftritts, veröffentlicht, täglich wird der Pressespiegel aktualisiert und monatlich wird der Newsletter SiebenbuergeR.de versendet.

Ein Mehrwert für Mitglieder und Forscher ist zudem das elektronische Archiv: Alle Ausgaben der Siebenbürgischen Zeitung seit Juni 1950 wurden kürzlich digitalisiert und stehen den Mitgliedern in Deutschland und Österreich, den Abonnenten im Ausland und Siebenbürgenforschern weltweit im Internet zur Verfügung.

Die Siebenbürgische Zeitung ist eine Gemeinschaftsleistung der hauptamtlichen Redakteure sowie der ehrenamtlichen Pressereferenten und Mitarbeiter, die das Blatt vielseitig mitgestalten. Für ihren Einsatz sei ihnen an dieser Stelle herzlich gedankt.

Unsere Zeitung hat sich als wichtiges Instrument zum Erhalt der siebenbürgisch-sächsischen Identität sowie der Integration in die neue Heimat und in ein zusammenwachsendes Europa bewährt. Möge sie auch künftig ihre jungen und alten Leser dazu bewegen, sich auf ihre Geschichte und Kultur zu besinnen und ihre Gemeinschaft weiterzuleben.

Siegbert Bruss

Leitartikel der Jubiläumsausgabe "60 Jahre Siebenbürgische Zeitung"

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Premiumbenutzer können die Jubiläumsausgabe im SbZ-Archiv lesen.

Schlagwörter: Siebenbürgische Zeitung, Verband, Föderation, Hannes Schuster, Hans Bergel

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  • 20.05.2010, 12:16 Uhr von seberg: Zitat: „’Behalten Sie Ihr eigenes Gepräge und bringen Sie es zum Leuchten!’, rief Bischof Dr. ... [weiter]

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