22. Mai 2010

Grußwort von Kulturstaatsminister Bernd Neumann zum Heimattag

Bei seinem Hermannstadt-Besuch im Jahr 2007 habe er Siebenbürger Sachsen kennen gelernt, die „aktiv, lebendig und weltoffen sind und in sympathischer Weise ihre deutsche Herkunft mit einer Prise romanischer Leichtigkeit des Seins verbinden“, erinnert der Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, Staatsminister Bernd Neumann, MdB, in seinem im Folgenden ungekürzt wiedergegebenen Grußwort zum diesjährigen Heimattag der Siebenbürger Sachsen in Dinkelsbühl. Im Zuge der fortschreitenden Integration Rumäniens in die Europäische Union könnten die heute in Deutschland lebenden Siebenbürger ihre Verbindungen zur alten Heimat „mit neuen und zukunftsfähigen Inhalten“ ausbauen und weiter entwickeln.
Im Jahre 2007 habe ich Hermannstadt, das heutige Sibiu, besucht, das zu dieser Zeit mit großem Recht Kulturhauptstadt Europas war. Die Schönheit der Stadt hat mich ebenso beeindruckt wie ihre ethnische und religiöse Vielfalt. Der orthodoxe Metropolit Dr. Alexandru Streza zeigte mir seine großartige Kathedrale, der lutherische Bischof Dr. Christoph Klein die evangelische Stadtpfarrkirche. Beide sprachen vom Respekt für die jeweils anderen Glaubensbrüder und für deren Kultur, von gemeinsamer Gegenwart und Zukunft. Oberbürgermeister Klaus Johannis lebt diese gemeinsame Gegenwart und gestaltet die gemeinsame Zukunft der Stadt. Als Angehöriger einer verschwindend kleinen Minderheit in einer bedeutenden siebenbürgischen Stadt, gewählt als Vertreter aller Bürger von der überwältigenden Mehrheit der rumänischen Bevölkerung.

Staatsminister Bernd Neumann, Beauftragter der ...
Staatsminister Bernd Neumann, Beauftragter der Bundesregierung für Kultur und Medien.
Spätestens seit meinem Besuch in Hermannstadt hat mein Bild von den Siebenbürger Sachsen klare Konturen und eine farbige Gestaltung gewonnen. Ich habe Menschen kennengelernt, die aktiv, lebendig und weltoffen sind und in sympathischer Weise ihre deutsche Herkunft mit einer Prise romanischer Leichtigkeit des Seins verbinden. Trotz der furchtbaren Erlebnisse im Zeitalter der Weltkriege des 20. Jahrhunderts, Unterdrückung, Verschleppung, Flucht, Aussiedlung sowie der zunehmenden Entrechtung und Einschränkung in der Zeit der kommunistischen Diktatur haben sie dieses Lebensgefühl bewahrt. Und über die Jahrhunderte bis hinein in die heutige Zeit haben sie es verstanden, diesem Gefühl vielfältigen Ausdruck in einem einzigartigen und ganz besonderen Kulturschaffen zu verleihen.

Der 2006 verstorbene Dichter und Schriftsteller Oskar Pastior war ein besonders herausragender Vertreter dieses künstlerischen Schaffens. Sein persönliches Schicksal der Deportation in die Sowjetunion verband ihn mit vielen Leidensgenossen unter seinen Siebenbürger Landsleuten. Zugleich wurde es wesentliche Grundlage des Romans „Atemschaukel“ von Herta Müller, die mit Pastior diese tief berührende literarische Aufarbeitung in wöchentlichen gemeinsamen Schreibterminen entwarf. Die Verleihung des Literaturnobelpreises 2009 an Herta Müller steht deshalb auch in einem unmittelbaren Zusammenhang mit dem Schicksal und der Lebenswelt der Siebenbürger Sachsen und ist eine herausragende aktuelle Würdigung. Wir konnten Herta Müller, aber auch anderen bedeutenden Vertretern der deutschen Literatur wie den Hermannstädtern Franz Hodjak und Joachim Wittstock, im September 2007 im Bundeskanzleramt ein öffentlichkeitswirksames Forum bieten, das die rumäniendeutsche Literatur als bedeutenden Beitrag zur gesamtdeutschen Literatur bekannt gemacht hat. Siebenbürgische Kultur sind aber auch die Kirchenburgen und Stadtbilder, Gemälde und Bildhauerarbeiten, Archivalien und Bibliotheksbestände, Sprachpflege und bäuerliche Gebrauchskunst. All dies ist beeindruckend und vermittelt etwas von der besonderen Lebenswelt Siebenbürgens, die es zu erhalten gilt, weil sie Bestandteil ebenso der deutschen wie unserer gemeinsamen europäischen Identität ist.

Siebenbürgen hat aber nicht nur eine Vergangenheit, die konserviert werden müsste. Es lebt in erstaunlicher Vielfalt auch in der Gegenwart und ist gerade dadurch auch zukunftsfähig. Geprägt durch die besondere Geschichte der Deportation und des mehr oder weniger freiwilligen schrittweisen Fortzuges aus der alten Heimat gibt es auch für die Siebenbürger, die heute in Deutschland leben, vielfältige und sicher sehr unterschiedliche Erinnerungen und ebenso viele sehr lebendige Verbindungen dorthin. Mit der voranschreitenden Integration Rumäniens in die Europäische Union wachsen die Möglichkeiten, diese Verbindungen mit neuen und zukunftsfähigen Inhalten auszubauen und weiter zu entwickeln. Dies dient zum einen der Bewahrung und Weiterentwicklung der über Jahrhunderte gemeinsam geprägten Kultur dieses Raumes. Es fördert aber auch die europäische Integration ganz praktisch in unserer heute und in der absehbaren Zukunft durch Migration und Integrationsprozesse geprägten Lebenswelt. Nicht zuletzt aus diesem Grunde werde ich mich auch weiterhin intensiv für den Erhalt und die Förderung der Kultur der ehemaligen Vertreibungs- und Siedlungsgebiete der Deutschen engagieren. Deshalb freut es mich auch ganz besonders, dass erst vor wenigen Wochen ihr Bundesvorsitzender, Dr. Bernd Fabritius, gemeinsam mit Vertretern kultureller und wissenschaftlicher Einrichtungen der Siebenbürger Sachsen am Standort Gundelsheim in meinem Hause war, um neue Akzente für die dortige Arbeit zu setzen.

Träger und Handelnde in diesem Aufgabenfeld sind jedoch Sie alle, die sich für ihre siebenbürgische Heimat und die siebenbürgische Kultur in vielfältiger Weise einsetzen. Für Ihr Engagement, Ihre Mühen und Ihre erfolgreiche Arbeit möchte ich Ihnen herzlich danken und sie ermuntern, in dieser wichtigen Arbeit nicht nachzulassen. Heute aber ist für Sie ein Tag zum Feiern, zu dem ich dem Verband der Siebenbürger Sachsen und seinen zahlreichen Gästen aus dem In- und Ausland viel Freude, vielfältige Begegnungen und einen guten Verlauf wünsche.

Bernd Neumann, MdB
Staatsminister bei der Bundeskanzlerin

Schlagwörter: Heimattag 2010, Kulturhauptstadt, Kultur, Hermannstadt

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