2. Juni 2012

Wir machen gemeinsam europäische Politik

Die Siebenbürger Sachsen können optimistisch in die Zukunft blicken eingedenk ihrer wichtigen europäischen Leistung, unterstrich der Präsident des Hessischen Landtages, unser Landsmann Norbert Kartmann, MdL, Mitglied im Ausschuss der Regionen der Europäischen Union, in seiner Ansprache bei der Kundgebung am Pfingstsonntag in Dinkelsbühl. Acht Jahrhunderte hätten die Siebenbürger Sachsen sich auf fremdem Boden friedlich eine Heimat aufgebaut, aber auch ihr Schicksal verkraftet und hier in der neuen Heimat wieder für sich selbst, für Deutschland und für Europa an der neuen Zukunft gebaut. Dafür müsse ihnen der Dank auch aller Deutschen gewiss sein. Norbert Kartmanns Rede wird im Folgenden im Wortlaut wiedergegeben.
Sehr verehrter Herr Bundesvorsitzender Dr. Fabritius, sehr geehrter Innenminister Herrmann, Herr Minister Diaconescu, lieber Freund, Herr Botschafter Comănescu, Vertreter der Stadt Dinkelsbühl, Herr Oberbürgermeister Dr. Hammer, lieber Jürgen Porr für die Siebenbürger in Siebenbürgen, meine Damen und Herren, liebe Landsleute, es bewegt mich zutiefst, dass mir heute die Ehre zuteil geworden ist, auf der Kundgebung unseres diesjährigen Heimattages zu Ihnen sprechen zu dürfen. Dafür möchte ich mich zunächst beim Bundesvorstand herzlich bedanken. Ich bin sehr gerne nach Dinkelsbühl gekommen, es ist ja nicht das erste Mal, und lieber Herr Innenminister, auch gern nach Bayern. Ich glaube, dass ich für alle aus dem „Restteil“ der Republik reden kann: Wir sind gerne nach Dinkelsbühl, nach Bayern gekommen, nicht nur wegen des guten Wetters, sondern auch, weil sich hier die Siebenbürger Sachsen treffen. Das ist ein großer Zusammenschluss, der alljährlich hier stattfindet.

Landtagspräsident Norbert Kartmann spricht bei ...
Landtagspräsident Norbert Kartmann spricht bei der Kundgebung vor der Schranne. Foto: Christian Schoger
Als ich im frühen Jugendalter, vor 50 Jahren, in Hetzeldorf meine Großmutter sah, im gleichen Jahr erstmals hier war, in Dinkelsbühl, war ich schon sehr beeindruckt von der großen Zahl der Menschen, die sich hier trafen, die sich miteinander freuten, die sich umarmten, weil sie sich so lange nicht gesehen hatten und weil sie eine lange Erinnerung verband, und deren Gedanken immer wieder in der Heimat kreisten, die so weit weg war. Und dies war natürlich anders als heute, lebten doch damals viele enge und weitere Verwandte noch hinter dem Eisernen Vorgang, in der kommunistischen Diktatur, also unten, wie man zu sagen pflegt. Und so waren damals, vor ca. 50 Jahren, die Gespräche irgendwie immer ähnlich: lebt Deine Mutter noch, lebt Dein Vater noch, wie geht es Deinem Bruder, Deiner Schwester, wann warst Du zuletzt zu Hause, wann fährst Du wieder runter, haben Deine Geschwister schon eingereicht - so konnte man es hier auf und ab hören.

Der sächsische Dialekt beherrschte die Straßen intensiver noch als heute, aber heute immer noch, Gott sei Dank. Niemand war aus der Heimat da, aus dem Land, wo die Siebenbürger ihre Heimat gefunden hatten über Jahrhunderte, und auch kein Vertreter des rumänischen Staates. Die Anwesenheit rumänischer Regierungsvertreter, heute insbesondere von Minister Diaconescu und von Botschafter Comănescu, zeigt die fundamentale Veränderung in Europa der letzten 25 Jahre. Dieses müssen wir uns immer wieder in Erinnerung rufen. Beispielhaft und im besten Sinne des Wortes wird Jahr für Jahr hier in Dinkelsbühl demonstriert, dass man seine verlorene Heimat lieben kann, ohne dem Land die kalte Schulter zu zeigen, in dem diese Heimat liegt.

Hier wird jedes Jahr an Pfingsten deutlich, dass wir Siebenbürger Sachsen ganz im Sinne der Charta der Heimatvertriebenen am Aufbau Europas teilhaben: „Wir werden durch harte, unermüdliche Arbeit teilnehmen am Wiederaufbau Deutschlands und Europas.“ Und diese Charta ist auch von den Siebenbürgern unterzeichnet. Und diese Verpflichtung hat seit 1990 eine Dynamik erfahren, von der wir davor nur zu träumen gewagt haben. Wenn ich in diesen Tagen als Mitglied des Ausschusses der Regionen in Brüssel bin, dann sitze ich Seit’ an Seit’ mit Regionalvertretern aus Rumänien begegne ich natürlich auch den Vertretern rumänischer Regionen, und wir machen gemeinsam europäische Politik, mal miteinander, mal gegeneinander, demokratisch legitimiert, für dieses Europa. Europa ist ganz eng zusammengerückt, dies können auch die aktuellen Probleme nicht vollends verbergen. Dass wir sie nicht negieren können, ist auch klar.

Dr. Hammer, Sie haben es gestern zum Ausdruck gebracht, der Euro ist nicht alles, und ich füge hinzu: Europa ist viel mehr. Gerade wir als Siebenbürger Sachsen, die wir insbesondere mit ganz hoher Intensität an dieser Brücke in das Land der Vorfahren bauen und mitgebaut haben, haben ein besonderes Bewusstsein für Entwicklungen in Europa. Und auf der anderen Seite müssen wir immer wieder erwähnen, auf der anderen Seite dieser Brücke, in Rumänien, wissen wir um die Offenheit und Bereitschaft, diese Brücke mit großer Intensität zu nutzen und an der Zukunft Europas mitzubauen. Und der diesjährige Heimattag geht wahrlich in die Geschichte ein mit den wesentlichen Mitteilungen, die wir vom Staatspräsidenten erfahren haben. Wir sind aufgerufen, deswegen die Zukunft optimistisch zu betrachten, es gibt keinen Anlass zu Pessimismus. Denn übrigens die 1500 oder 2000 Kilometer von hier nach Siebenbürgen waren früher eine Weltreise. Heute ist es eine Tagesreise. Näher kann man nicht zusammenrücken. Also ist der Optimismus begründet, dass wir Siebenbürger in Deutschland, in Siebenbürgen, Rumänien, in aller Welt näher zusammenrücken und zusammenhalten. Und wir sind aufgerufen, gemeinsam Geschichte und Kultur der Siebenbürger Sachsen, wie sie in über 800 Jahren gewachsen sind und auf fremdem Boden erhalten wurden, jetzt öffentlich kund zu tun, auch hier in diesem Lande und darüber hinaus.

Liebe Freunde, das Lied der Sachsen besteht ja nicht nur aus drei Strophen, die wir singen. Da heißt es in einer Strophe: „Siebenbürgen, Land der Duldung, jedes Glaubens sichrer Hort. Mögst du bis zu fernen Tagen, als ein Hort der Freiheit ragen und als Wehr dem treuen Wort.“ So heißt es in diesem Vers. Man verspürt daraus das Vermächtnis, das aus diesen Worten zu uns zu uns spricht und das uns Auftrag gibt für die Zukunft. Es erinnert aber auch aus der Sicht der Sachsen an eine unverschuldete Bruchstelle des Vermächtnisses, an das Schicksal der Unfreiheit, welches erlitten wurde gerade in der jüngeren Geschichte.

Ich will Ihnen und uns, den Siebenbürger Sachsen, zurufen, welche Ideale unserer Geschichte zugrunde liegen, Ideale, die auch Grundlage liberaler, demokratischer Gesellschaften unserer heutigen Zeit sind. Da brauchen wir uns nicht zu verstecken. Wir sind also auch heute noch aktuell und damit auch zukunftsfähig. Wir blicken nach vorne, sonst hätten die Siebenbürger Sachsen es nicht geschafft, sich acht Jahrhunderte auf fremden Boden friedlich eine Heimat aufzubauen, eine wichtige europäische Leistung zu vollbringen, aber auch ihr Schicksal zu verkraften und hier in der neuen Heimat wieder für sich selbst, für Deutschland und für Europa an der neuen Zukunft zu bauen. Dafür muss den Siebenbürger Sachsen der Dank auch aller Deutschen gewiss sein. Siebenbürger Sachsen haben einen großen Fundus an Motivation, ihre politische und kulturelle und damit auch ihre religiöse Geschichte, die der Kitt ist, der uns auch zusammenhält, zu pflegen. Ich freue mich sehr, dass ich den kanadischen Landsleuten „Guten Tag“ sagen kann, wenn ich in Kitchener Urlaub mache, und ich hoffe sehr, dass ich dort viele Landsleute treffe.

Liebe Landsleute, meine sehr geehrten Damen und Herren, so soll auch vom diesjährigen Heimattag die Botschaft der Gemeinsamkeit ausgehen, der Gemeinsamkeit einer Landsmannschaft, die hier in Deutschland und an anderen Orten auf diesem Globus neue Wurzeln geschlagen hat. Es ist dies eine Gemeinsamkeit, deren Geist weiter zu geben zu den Verpflichtungen gehört, die uns in unsere Wiegen gelegt wurde und die von Generation zu Generation weiter gereicht werden muss. Dies ist eigentlich ganz normal, will man den eigenen Kindern oder Enkelkindern von seinem eigenen Leben etwas mitgeben, ihnen etwas bewusst machen, was selbst für wertvoll hält. Und wenn man gar mit tiefer Überzeugung das Sachsenlied singt: „….und um alle Deine Söhne schlinge sich der Eintracht Band“, dann wird erst deutlich, wie wichtig und auch wie wunderbar es ist, diese Gemeinsamkeit zu leben, in den Heimatortgemeinschaften, in den Landesverbänden, bei den verschiedenen Treffen und einmal im Jahr hier in Dinkelsbühl. Und dann dürfen wir sicher mit der den Siebenbürger Sachsen angemessenen Bescheidenheit sagen, es ist etwas Besonderes, Siebenbürger Sachse zu sein.

Schlagwörter: Heimattag 2012, Kartmann

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