17. Juli 2013

"Treue zur Gemeinschaft – True to our Heritage"

Die Siebenbürger Sachsen aus den Vereinigten Staaten und aus Kanada feierten vom 21. bis 23. Juni in der eine Autostunde südwestlich von Toronto gelegenen Stadt Kitchener im kanadischen Bundesstaat Ontario ihren diesjährigen Heimattag. Gleichzeitig wurde in Kitchener auch das 50-jährige Bestehen der Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen in Kanada feierlich begangen. Heimattag und Jubiläum standen unter dem Motto „Treue zur Gemeinschaft – True to our Heritage“. An den dreitägigen Festlichkeiten nahmen in Vertretung des Bundesvorsitzenden Dr. Bernd Fabritius und auf Einladung des Bundesvorsitzenden der kanadischen Landsmannschaft, John Werner, auch der stellvertretende Bundesvorsitzende unseres Verbandes, Alfred Mrass, mit seiner Gattin teil. Mrass war, wie seinem nachfolgenden tagebuchartigen Bericht zu entnehmen ist, von der Herzlichkeit der Gastgeber, von der aufmerksamen Betreuung und der Begeisterung, mit der unsere Landsleute auf dem nordamerikanischen Kontinent sich zu ihrem Sachsen- und Deutschtum bekennen, tief beeindruckt.
In Nordamerika, vor allem in Kanada wird noch überraschend viel Deutsch und Sächsisch gesprochen. Die Texte von Flyern und Programmen sind ein Gemisch aus Englisch und Deutsch. Niemandem fällt es ein, etwa für Heimattag, Muttertagsfeier, Mitgliederabend u. a. ein englisches Wort zu suchen. So werden im englischen Text einfach die deutschen Begriffe verwendet. Unsere Landsleute freuen sich, das zu tun, sie sind stolz auf ihre Herkunft und erinnern sich oft an die alte Heimat Siebenbürgen. Ortschaftsnamen wie Bistritz, Weilau, Zendersch, Birk, Schäßburg, Hermannstadt, Kronstadt u. a. tauchen immer wieder auf, sie werden bei Wettbewerben von Mannschaften getragen und bleiben so in Erinnerung. Und die Landsleute freuen sich, mit Gästen über gemeinsame Bekannte aus der Jugendzeit, aus der alten Heimat zu sprechen. Das Erstaunliche dabei: Man trifft in Kanada Leute, mit denen man im Gespräch feststellt, dass beide Gesprächspartner eine dritte Person in Deutschland oder Siebenbürgen kennen. So lässt man schön grüßen: Sylvia aus Kitchener grüßt Maria aus Sachsenheim, John (ehemals Oberneudorf) grüßt Michael aus Sachsenheim, Agnes (ehemals Rode) grüßt Regina aus Renningen und Michael (jetzt Cleveland) grüßt Klaus aus Urwegen. Und das Schönste: Man kann auch die eigene Bekannte Helga aus der Jugend antreffen, so klein ist die Welt.

Die vielen Aktivitäten in Kitchener sind beeindruckend. Im Lauf des Jahres organisiert der dortige Transylvania Club zehn bis zwölf Veranstaltungen und übertrifft damit sicher einige Kreisgruppen unseres Verbandes in Deutschland. Dabei ist das ehrenamtliche Engagement der Mitglieder unverändert hoch. Sehr oft tut man sich mit den Banater Schwaben, mit den Gottscheerern oder anderen deutschen Vereinen zusammen. Das könnte und müsste auch für die Bundesrepublik ein Beispiel sein. Überhaupt rührt die Organisation und Stärke der kanadischen Landsmannschaft von dem Zusammenhalt der Mitglieder der drei Klubs Transylvania Klub Kitchener, Aylmer Sachsen Klub, Windsor Sachsen Klub. Und die Verpflichtung, für hilfsbedürftige Landsleute daheim in Siebenbürgen Geld zu spenden, ist im Bewusstsein der amerikanischen und kanadischen Landsleute noch immer vorhanden und wird praktiziert. Am beeindruckendsten ist jedoch die Energie und Impulsivität der Jugendlichen beim Tanzen in sächsischer Tracht. So viel Freude, Begeisterung und Schnelligkeit sind selten zu sehen.
Die sächsische Tanzgruppe aus Aylmer trat beim ...
Die sächsische Tanzgruppe aus Aylmer trat beim Festbankett auf. Foto: Alfred Mrass
Donnerstag, 20 Juni. Unsere Boeing 777 nähert sich dem Flughafen Toronto. Wir sehen viele Wälder, Wiesen, eingeschossige Fabrikhallen, Hochhäuser, den Ontario-See. Alles ist riesengroß. Beim Ausgang des Flughafens wartet John Werner mit einer blauroten Fahne als Erkennungszeichen in der Hand auf uns. Wir freuen uns, dass das Treffen geklappt hat, und fahren in das 120 km entfernte Kitchener.

Freitag, 21. Juni. Kitchener hieß bis 1916 Berlin. Etwa die Hälfte der Bewohner der Doppelstadt Kitchener/Waterloo haben deutsche Vorfahren. In der Nähe gibt es Städte, die Heidelberg, Mannheim, Baden, Breslau, Hannover heißen. Viele sind von Mennoniten, einer konservativ gesinnten Glaubensgemeinschaft, gegründet worden. Wir möchten uns die Gegend näher ansehen und werden zusammen mit Willy Schenker, dem Vorsitzenden der Kreisgruppe Ingolstadt, und seiner Partnerin nach St. Jacobs gefahren. Unsere Begleiter sind die langjährige Bundesvorsitzende der kanadischen Landsmannschaft, Käthe Paulini mit Ehemann, sowie das Ehepaar John und Judy Penteker. In St. Jacobs, einem Zentrum der Mennoniten, besuchen wir ein Museum und eine Mennonitenfamilie. Wir erfahren, wie diese Gemeinschaft heute lebt, wie der Ahornsirup, ein kanadischer Exportartikel, erstellt wird, wie von den Mennoniten benötigte alte Haushaltsgeräte (z. B. Besen) auch heute noch erzeugt werden. Auch mehrer Einspänner mit schwarzen Kutschen und schwarz gekleideten Menschen sehen wir. Köstlich das Mittagessen im Hause Paulini in Kitchener. Wir sind beeindruckt, wie viele führende Persönlichkeiten der Siebenbürger Sachsen aus Deutschland, Österreich und Rumänien Käthe Paulini und ihr Mann im Verlauf der Jahre schon beherbergt haben. Sie sind für uns ein Sinnbild für traditionelle und herzliche sächsische Gastfreundschaft.

Der Freitagabend ist für die Eröffnung des Heimattages vorgesehen. Seit dem Verkauf des Transylvania-Clubgebäudes finden viele Veranstaltungen im Alpine-Club, einem Haus der Gemeinschaft der Gottscheerer, statt. John Werner und seine Ehefrau Helgard fahren uns aus dem Hotel hin. Zwischenzeitlich sind Busse aus Cleveland, Youngstown, Windsor, Aylmer und anderen Städten eingetroffen. Rund 300 Menschen freuen sich, Bekannte und Freunde zu treffen, freuen sich aufs Feiern. In dem Club kommt es zu ersten überschwänglichen Begrüßungen zwischen Sachsen aus Kanada und den USA.

Der Abend steht unter dem Motto „Speck und Giggles“. Giggles bedeutet Lachen, Kichern. Der Saal ist schön geschmückt, die Farben Blau und Rot überwiegen. Ich bin beeindruckt, wie viel Jugend da ist, auf wie vielen T-Shirts Aufschriften mit sächsischem Bezug prangen (z. B. „Ich bin ein Siebenbürger Sachse“ oder „Ich habe Pali bekommen, folge mir“), wie viele Frauen Anhänger mit den sächsischen sieben Burgen tragen.

Den Abend moderiert der Veranstaltungsleiter des Transylvania-Clubs aus Kitchener, Reinhard Schmidt. Musik machen die „Sevencastles“. Alles ist locker, es gibt (noch) keine Reden. Sehr viel gelacht wird bei den von der Jugend veranstalteten Wettbewerben: schwimmende Zwiebelhäupter mit den Zähnen aus einem mit Wasser gefüllten Gefäß herauszuholen, Pfannkuchen (Kletitten) dem Partner ohne Herabfallen zuzuwerfen, gekochten Bauchspeck mit verbundenen Augen und ohne Mithilfe der Hände am Faden hängend zu essen. Als Preis bekommen die Sieger ein Bündel jungen grünen Zwiebel mit blaurotem sächsischen Band umwickelt.

Samstag, 22. Juni. Beim Festbankett am Samstagabend herrscht feierliche Stimmung unter den rund 400 Festteilnehmern. Die Ehrengäste sind in dunkler, festlicher Abendkleidung erschienen. Es gibt einen Empfang mit Häppchen, Sekt und Brandy. Nach dem Einmarsch der Trachten- und Fahnenträger werden die Nationalhymnen der USA und Kanadas gesungen. Das Siebenbürgenlied sollte am nächsten Tag bei der Hauptkundgebung erklingen. Es folgen die Grußworte des Bundesvorsitzenden der kanadischen Landsmannschaft John Werner, des Präsidenten des Transylvania Clubs aus Kitchener, Alfred Löwrick, des 1. Vizepräsidenten der Alliance of Transylvania Saxons in den USA, Robert Cunningham, und von mir. Der Chor des Transylvania Clubs unter der Leitung von Dieter Conrad singt zuerst das „Vaterunser“, danach bekannte deutsche Weisen, wie Wem Gott will rechte Gunst erweisen, Abendlied und Af deser Ierd. Danach treten die sächsischen Tanzgruppen aus Cleveland (Leiter Geoffrey Wittine), aus Aylmer (Leiterin Rebecca Horeth) und aus Kitchener (Leiter Tyler Rich) auf und begeistern mit ihren Tänzen. Die „Miss Transylvania“ Jennifer Kauntz und „Miss Saxonia“ Becky Kirschner tanzen mit. Vor allem die Transylvania Club Youth Dance Group aus Kitchener tanzt außergewöhnlich temperamentvoll, mit viel Freude und großer Begeisterung. Außerdem stellt sie optisch eine Augenweide dar, weil die Paare gleichgroß und ungefähr gleich alt sind. In einem Nebenraum ist eine Ausstellung mit Trachten, Puppen, Stickereien und Büchern über Siebenbürgen zu sehen. Alles ist schön gemacht, erfreut das sächsische Herz. Mit Brigitte Schoppel (ehemals Hermannstadt) sprechen wir über gemeinsame Bekannte. Musik zum Tanzen macht die Transylvania Hofbräu Blaskapelle unter der Leitung von Jeremy Frim. Es ist spät, als uns John Werner nach Hause fährt.

Sonntag, 23. Juni. Der wichtigste Tag im Rahmen des Heimattages. Vorgesehen sind ein Gottesdienst, die Kundgebung und ein Festessen. Vor dem Breithaupt-Zentrum versammeln sich um 9.15 Uhr rund 300 Besucher und Trachtenträger. An der Spitze des Zuges stellen sich sechs Träger mit den Fahnen Kanadas, der USA, der Siebenbürger Sachsen, Deutschlands, Österreichs und Rumäniens auf. Es folgen die landsmannschaftlichen Vorsitzenden Thomas J. Manning, John Werner und Alfred Mrass, die Vorsitzenden der verschiedenen Sachsenklubs, der Transylvania Chor und die Tanzgruppen. Unter den Klängen der Blaskapelle aus Youngstown schreitet der Zug in den Saal, wo der Gottesdienst stattfindet.
Die sechs Fahnenträger zu Beginn des Heimattags ...
Die sechs Fahnenträger zu Beginn des Heimattags-Umzuges vor dem Breithaupt-Zentrum in Kitchener
Die musikalische Begleitung des Gottesdienstes nimmt der Transylvania Club-Chor unter der Leitung von Dieter Conrad vor. Bei den deutsch gesungenen Liedern Lobe den Herren, Ein feste Burg ist unser Gott, Die Himmel rühmen fühlt man sich wie in einem heimischen Gottesdienst. Pfarrer Mark Ehlebracht behandelt in seiner Predigt (in Englisch) das Thema Heimat, Heimatliebe, Gottvertrauen. Heimat trägt jeder in seinem Herzen. Heimat ist in uns, Heimat ist aber auch in Gott.
An der Spitze des Zuges gleich hinter den ...
An der Spitze des Zuges gleich hinter den Fahnenträgern, von links: der stellvertretende Bundesvorsitzende Alfred Mrass, der Bundesvorsitzende der kanadischen Landsmannschaft, John Werner, und der Präsident der Alliance of Transylvania Saxons in den USA, Thomas J. Manning. Foto: Brigitte Mrass
Im Anschluss an den Gottesdienst findet die Festkundgebung (Moderation John Penteker) statt. Dazu erfolgt erneut ein Einzug der Aktiven. Die landsmannschaftlichen Vorsitzenden John Werner und Thomas J. Manning gehen in ihren Grußworten auf die Geschichte der kanadischen Landsmannschaft und auf die Bedeutung und Zusammenarbeit der Organisationen aus Kanada und den USA ein. Die Festrede von Alfred Mrass lehnt sich an das Heimattagsmotto „Treue zur Gemeinschaft - True to our Heritage“ an. Er führt aus, wie diese Treue durch den Einzelnen und durch die Organisationen bewiesen werden kann, welche Aufgaben diesen entstehen und welches die verbindenden Elemente für unsere Gemeinschaft aus Europa und aus Nordamerika sind, was uns berechtigt, uns als Einheit anzusehen.

John Werner ehrte im Anschluss an die Festrede Erich Buchholzer, John Dienesch, Gerhard Griebenow, John Horeth, Regina Klein, Heidi Löwrick, Reinhard Schmidt, Trudy Schneider und Bill Ungar mit der Ehrennadel der kanadischen Landsmannschaft. Die Genannten wirken seit vielen Jahren ehrenamtlich sehr erfolgreich im Windsor Sachsen Klub, im Transylvania Klub und im Aylmer Sachsen Klub.

Der stellvertretende Bundesvorsitzende Mrass überreichte John Werner das Verdienstabzeichen „Pro Meritis“ des Verbandes der Siebenbürger Sachsen in Deutschland und sprach seine Anerkennung und Dank für die erfolgreiche Arbeit von John Werner aus. Diese Arbeit und dieser Einsatz sind sowohl der kanadischen Landsmannschaft als auch der Föderation der Siebenbürger Sachsen zugute gekommen. Auf John Werner gehen mehrere Initiativen zur Gestaltung der gemeinsamen Tätigkeit zurück. Insbesondere die Jugendarbeit und der Kulturaustausch innerhalb der Föderation liegen ihm am Herzen. Als Geschenk seitens unseres Verbandes zum 50-jährigen Jubiläum der kanadischen Landsmannschaft übergab Alfred Mrass eine neue, 4 m lange Fahne der Siebenbürger Sachsen.

Eingeleitet hatte die Festkundgebung die Blaskapelle Youngstown Band unter der Leitung von W. John Kraus mit dem Seminaristen-Marsch von Martin Thiess. Man fühlte sich wie daheim.

Nach der Festkundgebung begab man sich in den Alpine Club, wo das Festessen stattfand. Tischmusik machte wieder die Transylvania Hofbräuband unter Jeremy Frim. Nach dem Essen trat innerhalb des Kulturprogramms die Kindertanzgruppe des Transylvania Klubs unter der Leitung von Bettina und Kevin Rampelt auf. Am frühen Nachmittag begann das große Abschiednehmen. Der Heimattag endete mit dem Motto „Auf Wiedersehen 2014 in Cleveland“ (in Ohio, USA). Es waren sehr eindrucksvolle Tage in Kanada. Oft vergaß man überhaupt, dass man auf dem amerikanischen Kontinent ist, man fühlte sich unter Landleuten daheim in Siebenbürgen oder in Deutschland. Dafür ein herzliches Dankeschön allen Gastgebern.

Alfred Mrass

Schlagwörter: Kanada, USA, ATS, Heimattag, Jubiläum

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Neueste Kommentare

  • 25.07.2013, 09:09 Uhr von Jassi: In Siebenbürgen gab es übrings auch einige Bruderhöfe der Hutterer. Weiß vielleicht jemand, ob die ... [weiter]
  • 24.07.2013, 17:07 Uhr von kranich: Vielen Dank! [weiter]
  • 24.07.2013, 13:15 Uhr von Jassi: Vorneweg: Mennoniten definieren sich als reformatorische Kirche erst einmal über die bewusste ... [weiter]

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