26. August 2014

Wie hat eigentlich alles begonnen?

Erinnerungen von Maria Bruckner, geborene Sporrer (Jahrgang 1925), Ehegattin des 2008 verstorbenen Ehrenvorsitzenden des Verbandes der Siebenbürger Sachsen in Deutschland, Dr. Wilhelm Bruckner (1921-2008), Bundesvorsitzender in den Jahren 1977-83.
Als ich 1944 in München zu studieren begann, war es schwer, sich in der teilweise zerstörten Universität und ihren Ausweichräumen zurechtzufinden; dabei lernte ich meinen Mann kennen, der gerade sein Studium abgeschlossen hatte und als Lektor an den Ausländerkursen tätig war; ein Glücksfall für ihn, denn seit August 1943 war jede Möglichkeit, von den Eltern Geld überwiesen zu bekommen, ausgeschlossen: kein Geld, kein Briefverkehr, keine Möglichkeit zu telefonieren!

Die amerikanische Besatzung schloss für einige Monate den Unterrichtsbetrieb an der Universität. Mein Mann fand eine Anstellung für einige Monate beim „Suchdienst des Bayerischen Roten Kreuzes“, dessen Leiter Dr. Appel schon begonnen hatte, nicht nur seine Landsleute aus Jugoslawien, sondern auch alle Hilfesuchenden in Karteikarten zu sammeln. Das waren entlassene Kriegsgefangene, Krankenschwestern, Russlandheimkehrer, Flüchtlinge aus der ehemaligen Tschechei u.ä. Durch „Mundfunk“ (Telefon gab es kaum, privat überhaupt nicht) wussten die Ratsuchenden, dass man hier vielleicht über die Heimat etwas erfahren kann, nach Angehörigen fragen kann – und vielleicht ein warmes Essen und ein wenig Geld bekommen kann; die Not war sehr groß. Sie wussten nicht, wie ihr Leben weitergehen würde, ob sie in die Heimat zurückkehren konnten, wo sie eine Bleibe finden würden, wo Arbeit.

In diesen schwierigen Zeiten fanden sich in München eine Handvoll Männer unter Erwin Tittes, Dr. Heinrich Zillich, die sich nur Sorgen um die Heimat machten, von der man nur durch Mundfunk erfuhr, dass es den Landsleuten dort schlecht ging. Die Jugend nach Russland verschleppt, Lehrer, Pfarrer und Angestellte entlassen, Grund und Boden weggenommen, die Häuser enteignet und vieles andere. Diese Männer suchten in regelmäßigen Zusammenkünften Möglichkeiten, der Heimat zu helfen. Keiner von ihnen hatte Geld, die meisten hielten sich mit kleinen Schwarzmarktgeschäften über Wasser. Sie trafen sich im Büro von Herrn Tittes, bei Frau Rosenberger, die noch eine Wohnung hatte, in bescheidenen Wirtshäusern und auch in unserem Wohnschlafzimmer. Diesen Männern wurde bald bewusst, dass eine Rückkehr nach Siebenbürgen nicht möglich war, und sie begannen, mit der vorhandenen Kartei aus dem BRK die Leute mit hektographierten Briefen (die Adressen durfte ich ehrenamtlich schreiben) zu Treffen einzuladen. Diesen Einladungen wurde in großer Zahl Folge geleistet, wohl auch in der Hoffnung, über ihre Heimat etwas zu erfahren.

München zog immer mehr Landsleute an und so war es nötig, eine „Dienststelle“ zu schaffen. Die Evangelische Kirche stellte 1948 einen großen Raum in der Himmelreichstraße zur Verfügung, mit einem Telefon und fünf Schreibtischen, die von den verschiedenen Landsmannschaften, den Buchenlanddeutschen, den Polendeutschen, den Zipsern, den Baltendeutschen, den Siebenbürgern und evangelischen Banater Schwaben, benutzt wurden. Letztere bekamen dann einen Geschäftsführer, Hans Willi Brekner aus Kronstadt, dessen Gehalt in 20 bis 30 Markraten bezahlt wurde, weil meistens zu wenig Geld vorhanden war. Der Zusammenhalt war enorm, die Landsleute kamen gern zu den Veranstaltungen, tanzten bis zum frühen Morgen, und kulturelle Veranstaltungen (meist im Café Ludwig am Odeonsplatz, von Dr. Schuster organisiert) fanden großen Zuspruch. Die Landsleute hatten ein großes Bedürfnis, zusammen zu sein. So bildeten sich die einzelnen Heimattreffen der Hermannstädter, der Mediascher, der Kronstädter usw.

In dieser Zeit begannen auch die Verhandlungen mit der bayerischen Regierung unter Fritz Schäffer, um den Siebenbürgern, die ja keine Flüchtlinge waren, den Schutz des Vertriebenengesetzes zu sichern. Diese Verhandlungen waren nur mit Hilfe des sehr wohlgesonnenen Landtags in Düsseldorf unter Arbeits- und Sozialminister Heinrich Hemsath und später Konrad Grundmann möglich und erfolgreich. Natürlich hatte die Landsmannschaft noch immer Geldsorgen, sodass mein Mann, der ja seit 1946 berufstätig war, die ersten Jahre nach Düsseldorf zu den Sitzungen im Landtag im Dreibett-Schlafwagen mit zwei Fremden fahren musste. In den späteren Jahren hat der gute Zusammenhalt in der Landsmannschaft gelitten: Es bildeten sich zwei Lager, das eine wollte die Landsleute, soweit sie es selbst wollten, aus Siebenbürgen herausholen (dazu gehörte bei aller Heimatverbundenheit mein Mann), das andere wollte, dass die Sachsen dort ausharren. 64 Jahre hat mein Mann für seine geliebte Heimat und für seine Landsleute versucht, das Beste zu tun.

Maria Bruckner, München

Schlagwörter: Erinnerungen, Ehrenvorsitzender

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