23. April 2015

Erstes Kinderhospiz Rumäniens entsteht in Hermannstadt

Unheilbar kranke Kinder und Jugendliche - ihre letzte Lebensphase gehört zu den unerträglich schweren Schicksalserfahrungen vorrangig für die sterbenden jungen Menschen selbst, gleichfalls für ihre Familien, die nahestehenden Freunde. Das Unfassbare naht und tritt ein. In so aussichtsloser Situation brauchen die Schwerstkranken nicht allein palliativmedizinische Versorgung, sie benötigen, wie auch ihre Angehörigen, Trost und Kraft, mitmenschliche Solidarität, geistlichen Beistand, mehr noch, einen gemeinsamen Schutzort, wo sie in ihrer je eigenen Verzweiflung bestmöglich unterstützt und begleitet werden können.
Die der Pflege Sterbender gewidmete moderne Hospizidee hat sich in Deutschland in den 1970er Jahren verbreitet. Die darauf aufbauende Hospizarbeit der vergangenen eineinhalb Jahrzehnte kennzeichnet eine an Qualitätsstandards ausgerichtete fortschreitende Professionalisierung; sie bleibt freilich weiterhin auf umfangreiches ehrenamtliches Engagement angewiesen. In Rumänien ist die Hospizbewegung noch vergleichsweise schwach entwickelt. Stationäre und ambulante Einrichtungen sind landesweit rar, existieren u. a. etwa in Klausenburg, Großwardein (Oradea), Temeswar, in Kronstadt und seit 2006 in Hermannstadt, in Trägerschaft des Vereins „Dr. Carl Wolff“. Nun soll – zum ersten Mal überhaupt in Rumänien – ein Kinderhospiz wiederum auf dem Gelände des „Dr. Carl Wolff“-Vereins in Hermannstadt eingerichtet werden; ergänzend zu dem dort bestehenden Hospiz und in unmittelbarer Nachbarschaft des Alten- und Pflegeheimes. Die Benefizaktion des Bayerischen Rundfunks Sternstunden e.V. fördert das von Ortrun Rhein, der Heimleiterin des Alten- und Pflegeheims „Dr. Carl Wolff“, initiierte Projekt mit 79 000 Euro.
Das Kinderhospiz entsteht in der ehemaligen Friedrich-Müller-Schule (die zuvor hier ansässige Fachschule für Behindertenpädagogik und Altenpflege wurde zwischenzeitlich in das Theologische Institut umgesiedelt) an der Pedagogilor-Straße. Hierbei kooperiert der Förderverein Bavaria-Romania für Sozialassistenz e.V. als Projektträger mit dem Verein „Dr. Carl Wolff”. Das Fördergeld von Sternstunden e.V. soll laut Bescheid verwendet werden für den Einbau eines Fahrstuhls für Krankenliegen, die Installation einer Schwesternrufanlage sowie für die Ausstattung der Zimmer.
Partnerschaftlicher Dialog: Heimleiterin Ortrun ...
Partnerschaftlicher Dialog: Heimleiterin Ortrun Rhein und Bundesvorsitzender Dr. Bernd Fabritius am 7. November 2013 in der Bundesgeschäftsstelle des Verbandes der Siebenbürger Sachsen in München. Foto: Siegbert Bruss
Die gute Nachricht konnte der Bundesvorsitzende Dr. Bernd Fabritius, MdB, als Vorsitzender des projekttragenden Fördervereins Bavaria-Romania für Sozialassistenz e.V. jüngst vermelden: „Ich bin sehr froh, dass es nun möglich war, dieses so dringlich gewünschte Projekt in Hermannstadt auf den Weg zu bringen und der Leiterin des Alten- und Pflegeheimes ‚Dr. Carl Wolff‘, Ortrun Rhein, als Projektpartner den Förderbescheid zu übermitteln. Es ist ein Pilotprojekt in Rumänien, durch welches gerade Kindern und deren Familien in schwersten gesundheitlichen Situationen Beistand geleistet werden kann. Ich danke der Aktion Sternstunden des Bayerischen Rundfunks für diese beherzte und großzügige Hilfe. Ebenso danke ich meiner Kollegin Gerda Hasselfeldt, MdB, die sich nach einer gemeinsamen Reise nach Hermannstadt im letzten Jahr ebenfalls für die Verwirklichung dieses Projektes nachhaltig eingesetzt hat.“

Landesweit erstes Drei-Generationen-Konzept


Heimleiterin Ortrun Rhein, vor Ort für das Projekt verantwortlich, rekapituliert die bisherigen Entwicklungsschritte gegenüber der Siebenbürgischen Zeitung: „Das leerstehende Gebäude der ehemaligen Friedrich-Müller-Schule wurde dem ‚Dr. Carl Wolff‘-Verein von der Evangelischen Landeskirche durch einen Nutzungsvertrag übergeben, damit wir das Projekt Kinderhospiz durchführen können. Über den Förderverein Bavaria-Romania für Sozialassistenz konnten bei der Aktion Sternstunden des Bayerischen Rundfunks 79 000 Euro für die Einrichtung des Kinderhospizes beantragt werden. Wir sind sehr froh, dass der Antrag bewilligt wurde, und hoffen so, baldmöglichst mit den Maßnahmen beginnen zu können.“
Das Hermannstädter Kinderhospiz wird in der ...
Das Hermannstädter Kinderhospiz wird in der ehemaligen Friedrich-Müller-Schule auf dem Gelände des Alten- und Pflegeheimes „Dr. Carl Wolff“ eingerichtet.
Auf die Frage hin, wie diese Projektidee entstanden sei, schildert Rhein: „Durch unsere Hospizarbeit sind wir in den letzten Jahren immer wieder gefragt worden, ob nicht auch für Kinder mit lebensbedrohenden Krankheiten ein ähnlicher Ort entstehen könnte, wo die betroffenen Kinder und deren Familien Begleitung und Hilfe erhalten könnten. Durch die Anfragen sind wir hellhörig geworden, haben mit dem Kinderkrankenhaus die Notwendigkeit eines Kinderhospizes besprochen und schön langsam reifte die Gewissheit: ein Kinderhospiz tut not. Das Gebäude der ehemaligen Friedrich-Müller-Schule bietet sich hervorragend für dieses Projekt an. Der Vorstand des Vereins ‚Dr. Carl Wolff‘ ließ sich für diesen Vorschlag begeistern. Die Bewilligung zur Veränderung der Zweckbestimmung des Gebäudes erhielten wir von dem Bundesministerium des Innern, die Landeskirche stellte das Gebäude auf unbegrenzte Zeit für dieses Projekt zur Verfügung, das Bürgermeisteramt Hermannstadt unterstützt ebenso die Initiative, so dass wir nun beginnen, das Gebäude für die Aufnahme der Kinder herzurichten. Es ist geplant, zehn bis zwölf Kinder mit lebensbedrohenden Krankheiten zu betreuen, die Eltern und Geschwister mit einzubinden in Therapieangebote, Gesprächsrunden, Spielgruppen, und Raum zu geben und zu gestalten für das Abschiednehmen.“ Dank der Hilfe von Sternstunden „können wir den notwendigen Bettenfahrstuhl einbauen, die Notrufanlage installieren, die Zimmergestaltung vornehmen, Linoleum in den Zimmern legen“, freut sich die Heimleiterin. Zudem müssen dann auch noch die drei Gemeinschaftsräume ausgestattet werden: der Therapieraum, der Bastel- und Spieleraum sowie das Esszimmer.

Die Bedeutung dieses Projekts ordnet Frau Rhein so ein: „Rumänien hat kein Kinderhospiz. Im Hospiz in Kronstadt gibt es eine Kinderstation mit fünf Betten. In einigen weiteren Städten wird ambulante Palliativpflege angeboten. Daher wird das Kinderhospiz in Hermannstadt das erste dieser Art in Rumänien sein. Es entsteht ein erstes Drei-Generationen-Konzept im Umfeld: Kinderhospiz - Erwachsenenhospiz - Alten- und Pflegeheim. Die gemeinsame Nutzung der einzelnen Dienstleistungen wie Küche, Wäscherei, Buchhaltung bzw. Sekretariat wird das Projekt leistbar machen.“

Alle Umbauarbeiten sollen nach Möglichkeit im Oktober 2015 abgeschlossen werden, was allerdings auch eine Frage der Finanzierung bleibe, schränkt Rhein ein (nähere Informationen zum Projekt per E-Mail: carlwolff[ät]carlwolff.ro). Das benötigte Fachpersonal soll im Hermannstädter Hospiz ausgebildet werden. Zudem ist vorgesehen, dass alle neuen Mitarbeiter im Kronstädter Hospiz auf der Kinderabteilung ein Praktikum machen. „Wir hoffen durch dieses Projekt nicht nur den kranken Kindern in ihrer Not zu helfen, sondern auch den Blick im Land freizumachen für die Not dieser Familien, die oft über der Pflege und der Versorgung ihres kranken Kindes fast zusammenbrechen, die selber Hilfe brauchen, die ab und zu einmal abschalten müssen, um Kräfte zu sammeln. Dieses Kinderhospiz soll ein Ort werden, wo Kinder und Eltern lachen und trauern dürfen, wo man Abschied nehmen kann und gemeinsam schönste Stunden erlebt“, wünscht sich die gebürtige Kronstädterin Ortrun Rhein.

Christian Schoger

Schlagwörter: Hermannstadt, Hospiz, Kinder, Altenheim, Soziales, Fabritius

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