29. November 2015

Verbandspräsident Bernd Fabritius ist zuversichtlich bei Schloss Horneck: "Wir schaffen das!"

Mit der Etablierung einer Doppelspitze hat der Verbandstag (siehe "Ein Ruck geht durch die Gemeinschaft": Verbandstag der Siebenbürger Sachsen wählt Doppelspitze) am 7. November in Bonn wichtige Personalentscheidungen getroffen. Herta Daniel, bis dahin Stellvertretende Bundesvorsitzende, wurde zur Bundesvorsitzenden gewählt (siehe Interview "Bundesvorsitzende Herta Daniel will junge Generation an Führungsaufgaben heranführen"). Ihr Amtsvorgänger Dr. Bernd Fabritius (1965 in Agnetheln geboren, Ausreise 1984, Jurist, eingetragene Lebenspartnerschaft, wohnhaft in München) bekleidet nun das neu geschaffene Amt des Verbandspräsidenten. Im Fokus des nachfolgenden Gespräches, das Christian Schoger mit dem CSU-Bundestagsabgeordneten und Präsidenten des Bundes der Vertriebenen führte, bilanziert Fabritius seine zurückliegende achtjährige Amtszeit als Bundesvorsitzender und umreißt seinen Aufgabenbereich als Verbandspräsident. Erstrangige Priorität hat das Siebenbürgische Kultur- und Begegnungszentrum auf Schloss Horneck in Gundelsheim.
Herr Fabritius, in Bonn wurden Sie mit beachtlichen 87 Prozent zum ersten Verbandspräsidenten gewählt. Was bedeutet Ihnen dieses Votum der Delegierten?

Es ist einerseits Anerkennung der bisherigen Arbeit und gleichermaßen Auftrag und Erwartung, genau so weiter zu machen. Gleichzeitig werte ich es auch als Zustimmung zum neu beschrittenen Weg des Verbandes mit einer Doppelspitze und damit als gute Basis für eine Fortsetzung der Arbeit auf diesem Weg.


Ihr Funktionswechsel vom Bundesvorsitzenden zum Verbandspräsidenten signalisiert Kontinuität. Danach vertreten Sie wie bisher unseren Verband in Politik und Gesellschaft, Welche Erwartungen knüpfen Sie an die arbeitsteilige Kooperation mit der neuen Bundesvorsitzenden Herta Daniel?

Herta Daniel kenne ich schon sehr lange, in ihrer Arbeit als Vorsitzende des Landesverbandes Bayern und in ihrer Arbeit als Stellvertretende Bundesvorsitzende. Ich habe Frau Daniel als eine pragmatische, wohl überlegte und entscheidungssichere, konstruktiv-kritische Mitdenkerin erlebt, mit einem sehr sicheren „siebenbürgisch-sächsischen Kompass“, mit der ich schon die letzten Jahre wegen genau dieser Eigenschaften hervorragend zusammenarbeiten konnte. Ich denke, dass wir die komplexen Aufgaben, die eine Vertretung unserer Gemeinschaft nach innen und nach außen mit sich bringen, in genau dieser Aufgabenteilung gut gemeinsam bewältigen können.
Das neue Führungs-Tandem will in bewährter Weise ...
Das neue Führungs-Tandem will in bewährter Weise zusammenarbeiten: Verbandspräsident Dr. Bernd Fabritius, MdB, und Bundesvorsitzende Herta Daniel nach der Wahl beim Verbandstag in Bonn. Foto: Siegbert Bruss
Acht Jahre lang haben Sie den Verband der Siebenbürger Sachsen in Deutschland als Bundesvorsitzender geführt. Wie fällt Ihre Bilanz aus hinsichtlich der positiven Entwicklungen und Erfolge, was ist misslungen bzw. steht noch auf der Agenda?

Nun, die Aufgaben des Bundesvorsitzenden zählen aus meiner Sicht zu den schönsten und auch anspruchsvollsten in unserer Gemeinschaft. Wichtig sind einerseits ein enger Kontakt mit den Menschen an der Basis, unseren Gliederungen, den Jugendverbänden. Hier ging es mir darum, ein „sächsisches Selbstvertrauen“ unserer Landsleute in der bundesdeutschen Gesellschaft, deren Teil wir heute sind, zu festigen. Alle Signale deuten darauf hin, dass dieses zunehmend wächst. Gleichzeitig wollte ich den Brückenschlag in die Heimat sichern und das Denken überwinden: „wir hier - ihr dort“. Es bestehen zu unseren Landsleuten in allen Gegenden, in denen wir heute zu Hause sind, gerade auch in Siebenbürgen, aber auch in Österreich, in Kanada und den USA, brüderliche Kontakte. Diese sind institutionell auf Ebene des Demokratischen Forums der Deutschen in Siebenbürgen, der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien und der Verbände im der Föderation entwickelt, zudem werden sie in den alltäglichen Beziehungen gelebt. Das Schlagwort einer „grenzüberschreitenden Gemeinschaft“ ist Realität geworden. Bezüglich der Integration und der Interessenvertretung in Deutschland ist vieles, aber nicht alles gelungen.


Was konkret schlägt negativ zu Buche?

Wir konnten die 40%-Kürzung der Rentenanwartschaften leider nicht ganz, sondern nur für eine Übergangszeit verhindern. Das ist eine schmerzliche Erfahrung, die vielleicht auch auf Versäumnisse in der politischen Interessenwahrnehmung der letzten Jahrzehnte zurückzuführen ist. Anschließend ist es jedoch gelungen, einen weiteren „Fiktivabzug“ von den Renten mit FRG-Bezug zu verhindern. Diese Praxis der Rentenbehörden konnte erfolgreich angegriffen werden, alle Betroffenen haben die Renten entsprechend nachgezahlt bekommen. Offen ist auf diesem Gebiet die Korrektur einer weiteren Fehlentwicklung in der rentenrechtlichen Integration. Gute Verwaltungspraxis, die auch in langen Gerichtsverfahren durchgesetzt und verfestigt werden konnte, wird durch eine Zuständigkeitsänderung bei den Rentenbehörden vor einigen Jahren zunehmend aufgegeben, wir stellen eine zunehmend restriktive bis feindliche Praxis bei Anerkennung der Anwartschaften in den Herkunftsgebieten fest. Hier müssen wir uns weiter dafür einsetzen, dass Augenmaß und Situationsverständnis wieder Raum gewinnen. In Rumänien sind die Restitutionsverfahren noch im Argen, hier sind weitere beharrliche Bemühungen erforderlich. Dass sich solche auch lohnen können, haben wir mit der Durchsetzung der Zahlung von Entschädigungen für die Russlanddeportierten bewiesen.


Deutschland entschädigt ab 2016 deutsche Zwangsarbeiter, darunter auch Siebenbürger Sachsen (siehe dazu SbZ-Bericht). Der Verbandstag hatte in einer einstimmigen Resolution die Bundesregierung zu dieser humanitären Geste aufgefordert. Kommt diese Entscheidung nicht zu spät? Zu viele Opfer sind inzwischen verstorben.

Natürlich kommt die Entscheidung für die Verstorbenen leider zu spät. Für die noch lebenden Opfer hingegen ist sie ein wichtiges Zeichen der Rehabilitierung und der Anerkennung des Sonderopfers. Das gilt für die Entschädigung aus Rumänien gleichermaßen wie die nun vom Bundestag beschlossene Wiedergutmachung. Ich bedauere jeden Fall, in dem Betroffene dieses nicht mehr erleben können - wie z. B. mein Opa, der fünf Jahre in Russland gewesen und bereits vor Jahren verstorben ist. Ich freue mich aber umso mehr für jede Person, die nun eine spürbare Wiedergutmachung und damit eine Rehabilitierung erfährt.


Hoffnungsvoll stimmt der gemeinschaftlich gestemmte Erwerb von Schloss Horneck zum Aufbau des Siebenbürgischen Kultur- und Begegnungszentrums. Sie sind gut vernetzt in Berlin. Rechnen Sie noch mit finanzieller Unterstützung der öffentlichen Hand entsprechend ihrer gesetzlichen Verpflichtung?

Auch dazu sind erforderliche Weichenstellungen möglich gewesen. Es wird gar nicht anders gehen, als dass sowohl das Land Baden-Württemberg als auch der Bund hier den Verpflichtungen gerecht werden. Hilfe aus öffentlicher Hand kann aber immer nur Hilfe zur Selbsthilfe sein, daher sind auch wir als Gemeinschaft weiter gefragt, wenn wir UNSERE Kultureinrichtungen am Leben halten wollen.


Wie hoch beziffern Sie als Vorsitzender des Trägervereins Siebenbürgisches Kulturzentrum „Schloss Horneck“ die Chancen, dass es in den kommenden Jahren gelingen wird, dieses Zukunftsprojekt zu verwirklichen? Was würde ein Scheitern bedeuten?

Wir schaffen das! Ein Scheitern dürfen wir nicht einplanen. Ich möchte mir nicht vorstellen, unsere siebenbürgisch-sächsische Nationalbibliothek oder das Museum, in dem Glanzlichter unserer Kultur und Geschichte als Teil des „gesamtdeutschen kulturellen Erbes“ präsentiert werden, sprichwörtlich in Kisten zu packen und einzulagern. Das Konzept eines Begegnungszentrums, wie dieses präsentiert werden konnte, finde ich überzeugend.


Welche Hauptanliegen werden Sie als Verbandspräsident neben Schloss Horneck noch im Blick haben?

Die Vertretung aller unserer Anliegen in Politik und Gesellschaft. Hier einige herauszugreifen ist schwierig, weil daraus gleich eine Rangfolge abgeleitet würde. Jedes einzelne Anliegen ist mir aber wichtig. Ich nenne daher nur beispielhaft die weitere Festigung unserer siebenbürgisch-sächsischen Identität besonders bei den jungen Leuten, die Verbesserung der sozialrechtlichen Integration in Deutschland, speziell im Rentenrecht, die Klärung noch offener Fragen in Rumänien, wie etwa der Restitutionsproblematik oder der Schutz unserer materiellen Kulturgüter dort, etc.


Zeitgleich verläuft Ihre Politikerkarriere höchst erfolgreich. Als Präsident des Bundes der Vertriebenen eröffnen sich Ihnen weitere Einflussmöglichkeiten und auch die mediale Wahrnehmung ist gewachsen. Werden Sie bei der Bundestagswahl 2017 wieder kandidieren und Ihre Arbeit für Vertriebene, Aussiedler und Spätaussiedler fortführen?

Selbstverständlich! Erst durch die Erfahrung der letzten beiden Jahre konnte ich ganz konkret feststellen, was wir als Gemeinschaft die letzten Jahre davor versäumt haben. In den maßgeblichen Gremien vertreten zu sein und entschieden mitzureden, mitzustreiten und zu argumentieren, ist absolut unerlässlich.


Als CSU-Bundestagsabgeordneter und zudem überparteilicher BdV-Präsident droht in der aktuellen Flüchtlingsproblematik der Interessenkonflikt: Stichwort Aufnahme-Obergrenze, eine Forderung der CSU, die von der Bundeskanzlerin abgelehnt wird. Wie gehen Sie mit dem Druck um, deutlich und überzeugt öffentlich Position zu beziehen?

Ich stelle dort keinen „Druck“ fest, sondern ich kann aus Überzeugung klare Position beziehen - und mache das auch. Gerade als Vertreter einer Erlebnisgemeinschaft, die Flucht, Vertreibung, Vertreibungsdruck und folgende Aussiedlung selbst erlebt hat, kann ich besonders glaubhaft auch zu solchen Fragen eine politische Meinung äußern, die auch wahrgenommen und veröffentlicht wird. Ich verweise auf den hervorragenden Pressespiegel von www.siebenbuerger.de, so dass ich hier Wiederholungen vermeiden kann.


Bis 2018 soll die Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung im Deutschlandhaus in Berlin das Dokumentationszentrum und die Dauerausstellung eröffnen. Der anhaltende Streit um das Ausstellungskonzept, um Kompetenzen und Personal bremst das Projekt, beschädigt er es nicht auch nachhaltig?

Ein solcher Streit hilft nie, er wird leider schon zu lange von interessierter Seite gepflegt und befördert. Dabei geht es um ein wichtiges gesamtgesellschaftliches Anliegen. Ich hoffe, dass sich diese Einsicht auch bei den Gegnern des Projektes durchsetzt und wir bald das noch fehlende Puzzle-Stück in der Gedenkstättenlandschaft unserer Bundeshauptstadt, die Dauerausstellung der Stiftung Flucht Vertreibung Versöhnung, eröffnen können.


Vielen Dank für das Gespräch!

Schlagwörter: Bernd Fabritius, Verbandspräsident, Herta Daniel, Bundesvorsitzende, Verbandstag, Interview, BdV, Zentrum gegen Vertreibungen, Zwangsarbeit

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Neueste Kommentare

  • 29.11.2015, 10:54 Uhr von gogesch: Der Titel dieses Artikels erinnert leider sehr stark an die Kanzlerin. Hoffentlich zeigt das nicht ... [weiter]

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