18. Mai 2012

Vertriebenenempfang der SPD im Bayerischen Landtag

„Wir wollen Brücke sein – Verständigung, Versöhnung, Integration“ – unter diesem Motto veranstaltete die SPD-Landtagsfraktion am 10. Mai im Bayerischen Landtag ihren traditionellen Jahresempfang für Heimatvertriebene, Flüchtlinge und Aussiedler. Auch wurden wieder Persönlichkeiten geehrt, die sich für die Bewahrung dieses Erbes und die Verständigung mit unseren mittel- und südeuropäischen Nachbarländern besonders engagieren. Ehrengast war heuer Max Mannheimer, Träger des Wenzel-Jaksch-Preises 2008. Für die musikalische Umrahmung sorgten mit klassischer und volkstümlicher Musik die „Gersthofer Blasharmoniker“.
Die vertriebenenpolitische Sprecherin der SPD, Christa Naaß, hieß die Gäste des Empfangs herzlich willkommen und begrüßte namentlich auch die von der SPD in den letzten Jahren Geehrten, darunter auch Vertreter unseres Verbandes: die Trachtenkennerin und langjährige Leiterin der Augsburger Theatergruppe, Maria Schenker, und die stellvertretende Landesvorsitzende in Bayern, Ute Bako. Christa Naaß erläuterte, dass diese Empfänge der SPD in jedem Jahr einen anderen Schwerpunkt hätten: Im Mittelpunkt stünde diesmal die Erinnerung an die Geschichte der Deutschen in Böhmen und das kulturelle wie politische Erbe für Gegenwart und Zukunft. In ihrer Ansprache ging sie auch ausführlich auf die im Mai 2012 stattgefundene Reise von Vertretern der SPD-Landtagsfraktion in die Bukowina und nach Siebenbürgen ein und berichtete über die verschiedenen Stationen (Schäßburg, Birthälm, Hermannstadt) und über die durchwegs positiven Eindrücke. Wichtige Erkenntnisse seien aus den Gesprächen mit den Vertretern der deutschen Minderheit hervorgegangen, bewundernswert sei die Tatsache, dass es in Siebenbürgen mehrere deutsche Bürgermeister gebe und dass zwei Drittel der Stadträte Hermannstadts vom „Deutschen Forum“ gestellt werden, obwohl die Siebenbürger Sachsen weniger als ein Prozent der Bevölkerung ausmachen. „Aus der Vergangenheit für die Zukunft lernen bedeutet, am gemeinsamen Haus Europa zu arbeiten. Nur wer die Geschichte, seine Geschichte, unser kulturelles Erbe kennt, kann Gegenwart und Zukunft vernünftig gestalten. Das haben wir bei unseren vorangegangenen Reisen in die alte Heimat der deutschen Vertriebenen in Tschechien und in Schlesien erfahren. Und auch jetzt in der Bukowina und Siebenbürgen“, erklärte Naaß.

Auf die Aufbauleistungen der Vertriebenen ging SPD-Fraktionschef Markus Rinderspacher ein und betonte, dass die Absicht der SPD zur Verständigung und Versöhnung in Europa auch darin zum Ausdruck komme, dass ihre Vertreter Tschechien seit über 20 Jahren besuchten und das jedes Jahr! Albrecht Schläger, Vizepräsident des Bundes der Vertriebenen (BdV), Generalsekretär des Sudetendeutschen Rates und Vorsitzender der Seliger-Gemeinde, sprach den vom BdV geforderten nationalen Gedenktag für Heimatvertriebene an.

Gebannt und sichtlich ergriffen lauschten die Veranstaltungsteilnehmer dem Gespräch zwischen Franz Maget und dem 92-jährigen Max Mannheimer, der über seine Deportation in das KZ Theresienstadt, seine Stationen in weiteren KZs und schließlich seine Befreiung und über sein Leben nach dem Zweiten Weltkrieg berichtete. Der mehrfach ausgezeichnete, aus Neutitschein, Tschechien, stammende Mannheimer wurde durch Vorträge über seine Erlebnisse im KZ bekannt, mit denen er Jugendlichen und Erwachsenen seit den 1980er Jahren als Zeitzeuge von den Schrecken des Dritten Reiches und der Konzentrationslager erzählt. Mannheimer betonte, dass er der jungen Generation sage, dass sie nicht schuld sei an den Nazi-Verbrechen, aber die Verantwortung für zukünftige Entwicklungen tragen würde. Am 26. Mai 2012 erhält Max Mannheimer den Europäischen Karlspreis der Sudetendeutschen Landsmannschaft.

Auszeichnungen erhielten Dr. Ortfried Kotzian, Direktor des Hauses des Deutschen Ostens (HDO) in München, das Collegium Bohemicum für das „Museum der deutschsprachigen Bewohner der böhmischen Länder“ in Aussig an der Elbe sowie die Bürgerinitiative „Antikomplex“ und das Projekt „Verschwundene Sudeten“.

In ihrer Laudatio auf Dr. Ortfried Kotzian, der sudetendeutsche Wurzeln hat, ging Christa Naaß auf dessen beruflichen Werdegang und Wirken im HDO ein. Seine Dissertation trägt den Titel „Das Schulwesen der Deutschen in Rumänien im Spannungsfeld zwischen Volksgruppe und Staat“. Ab 1989 baute er das Bukowina-Instituts Augsburg auf und leitete es. Seine wissenschaftliche Tätigkeit erstreckt sich auf Arbeiten über die Volksgruppen- und Minderheitenfragen in Mittel-, Ost- und Südosteuropa. Dazu veröffentlichte Kotzian zahlreiche Bücher und Aufsätze. In seiner Dankesrede gab er verschiedene Wünsche für das HDO bekannt, u.a. möchte er in 20 Jahren, als dann 84-Jähriger, mit einem (zurzeit noch nicht vorhandenen) Aufzug in den zweiten Stock gelangen können!

Faszinierend war die Dankesrede von Ondrej Matejka, der anhand von Bildern aus Tschechien die Bürgerinitiative „Antikomplex“ und ihre Ziele vorstellte. Diese Bürgerinitiative befasst sich mit der widersprüchlichen Vergangenheit Tschechiens, den „Komplexen“ in der tschechischen Gesellschaft, die durch die nicht verarbeiteten Geschehen nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden sind. „Antikomplex“ will dazu beitragen, dass nicht vergessen wird, dass Deutsche in Tschechien gelebt und dieses Land geprägt haben. Ferner will sie die unwiederbringlichen Verluste aufzeigen, die durch die Vertreibung der Deutschen entstanden sind.

Ziel der gemeinnützigen Kultur-, Bildungs- und Forschungseinrichtung Collegium Bohemicum ist es, die Geschichte des Zusammenlebens von Deutschen und Tschechen in den böhmischen Ländern eingehend zu erforschen und einer breiteren Öffentlichkeit bekannt zu machen. Es werden verschiedene Veranstaltungen organisiert, die persönliche Begegnungen zwischen Tschechen und Deutschen ermöglichen, mit positivem Einfluss auf die heutigen deutsch-tschechischen Beziehungen.

Das „Museum der deutschsprachigen Bewohner der böhmischen Länder“ in Aussig an der Elbe soll in Erinnerung rufen, dass das Kulturerbe der böhmischen Länder auch von Deutschen geprägt wurde, die dort über Jahrhunderte zu Hause waren. Der Vorsitzende des BdV-Landesverbandes Bayern, Landrat Christian Knauer, bedankte sich bei der SPD für diesen Empfang, der bei guten Gesprächen in harmonischer Atmosphäre ausklang.

Herta Daniel

Schlagwörter: BdV, Landtag, Bayern, SPD

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