1. Mai 2013

Leserecho: "Schon wieder betrogen …", mit einer Antwort des Bundesvorsitzenden

Karl-Heinz Siegmund kritisiert im folgenden Leserbrief die Entschädigung, die die rumänische Regierung kürzlich für Russlanddeportierte beschlossen hat. Bundesvorsitzender Dr. Bernd Fabritius erläutert in seiner Antwort, weshalb sich der Verband der Siebenbürger Sachsen in Deutschland für diese und andere Gesetzesänderungen stark macht.
Beim Lesen der Titelseite der Siebenbürgischen Zeitung, Folge 6 vom 15. April 2013 (SbZ Online vom 8. April 2013), dachte ich zuerst an einen verspäteten Aprilscherz. Da lobt sich der Verband, einen „einzigartigen Erfolg“ erzielt zu haben, weil die „von ihm vorgeschlagene Änderung der Rechtslage zur Wiedergutmachung für Russlanddeportierte“ nun von der rumänischen Regierung endlich beschlossen wurde.

Geht man der Sache aber auf den Grund, stellt man fest, dass es geradezu beschämend und menschenverachtend ist, was da beschlossen wurde. Die zum Zeitpunkt der Deportation zwischen 18-30 Jahre alten Frauen sind heute zwischen 86–98 Jahre alt und bei den damals 17-45 Jahre alten Männern sieht es nicht besser aus; die zählen heute zwischen 85-113 Lenze. Eventuell noch lebende Ehepartner dürften nicht viel jünger sein. Die ausgehandelten gerechten Entschädigungsregelungen sehen nun vor, diesen wenigen noch Lebenden je Russlandjahr monatlich 50 Euro zu zahlen. Dabei könnte man durchschnittlich für drei Jahre Deportation mit 150 Euro rechnen.

Die vom rumänischen Staat großzügig jährlich zur Verfügung gestellten 6.384.000 Lei (umgerechnet 1.457.860 Euro) ergeben ein monatliches Budget von 121.490 Euro.

Sieht man einmal davon ab, dass ein Großteil dieses Betrages, wie üblich, in Verwaltung und sonstigen dunklen Kanälen versickern wird, könnten also immerhin ganze 810 Deportationsopfer bezahlt werden. Eine verschwindende Zahl, wenn man bedenkt, dass insgesamt etwa 70.000 Rumänien-Deutsche, davon etwa 30.300 Siebenbürger Sachsen, deportiert wurden (Quelle: Wikipedia).

Nicht vergessen darf man dabei, dass die zu entschädigenden Deportationsopfer in Rumänien einen sicherlich nicht einfachen Amtsweg vor sich haben und unter Umständen sogar den Nachweis erbringen müssen, dass sie nicht freiwillig in Russland gearbeitet haben – das haben rumänische Gerichte nämlich auch schon fallweise unterstellt (siehe dazu auch FAZ vom 19. April 2013).

Ob das noch viele erleben ist mehr als fraglich?!

Als von Rumänien gedemütigter, enteigneter und schließlich nach Deutschland verkaufter Sachse fragt man sich, wo eigentlich die Entschädigung für die „Opfer zweiten Grades“, die „Kollateralgeschädigten“, bleibt; nämlich die Kinder und Waisen, die unter dem Verlust ihrer deportierten bzw. oftmals in der Deportation verstorbenen Eltern besonders gelitten haben? Diese Opfer zu entschädigen wäre in der Tat gerecht und lobenswert. Allerdings auch teuer, denn da leben noch viele.

Automatisch drängt sich auch die Befürchtung auf, dass das längst fällige Gesetz zur Restitution der vom rumänischen Staat geraubten Ländereien und Immobilien ein ähnlicher Betrug sein wird und unsere Landsleute auch hier wieder leer ausgehen werden.

Wer aber erwartet, dass der von uns finanzierte Verband der Siebenbürger Sachsen, in dessen Statuten u.a. die „Unterstützung und Wahrung der Rechte der Mitglieder“ steht, da eingreift oder zumindest protestiert, wird enttäuscht. Man lässt sich immer wieder gut gelaunt über den Tisch ziehen und verkauft das Ergebnis als Erfolg.

Karl-Heinz Siegmund, Taufkirchen



Antwort des Bundesvorsitzenden
Verbitterung durch ungenügende Information?

Sehr geehrter Herr Siegmund,
Sie zeigen sich verärgert und verbittert über die rechtlichen Änderungen, die unser Verband in Gesprächen mit der rumänischen Regierung durchgesetzt hat („Wiedergutmachung für Russlanddeportierte beschlossen“, Siebenbürgische Zeitung, Folge 6 vom 15. April 2013, Seite 1). Kann es sein, dass Ihre Verärgerung auf ungenügenden Informationen beruht? Sie gehen von zwei Annahmen aus: einerseits habe Rumänien mit der Entschädigung für Deportierte gewartet, bis die meisten Opfer diese nicht mehr erleben, und andererseits lasse sich der Verband „immer wieder gut gelaunt über den Tisch ziehen und verkauft das Ergebnis als Erfolg“. Beide Annahmen sind jedoch falsch.

Rumänien hat die hier betroffene Entschädigungsregelung DL 118/1990 bereits 1990, also gleich nach der Wende, vor etwa 22 Jahren, gefasst. Danach erhalten alle in Rumänien lebenden und nach Russland, in die Bărăgan-Steppe oder anderswohin verschleppten Landsleute seit vielen Jahren nicht nur eine monatliche Entschädigungszahlung von umgerechnet 50 Euro für jedes Jahr der Verschleppung, sondern auch eine Reihe anderer Entschädigungsleistungen, die in Artikel 8 und 9 des Gesetzes nachzulesen sind: vollständige Steuerbefreiung, kostenlose vorranginge Gesundheitsvorsorge, kostenlose Nutzung aller öffentlicher Nahverkehrsmittel, zwölf kostenlose Bahnfahrten I. Klasse pro Jahr, einen kostenlosen Kuraufenthalt pro Jahr, Gebührenbefreiung für Rundfunk und Fernsehen, Vorrang bei der Zuweisung staatlicher Wohnungen und verbilligter Wohnungsbaudarlehen etc. Eine derartige Entschädigungsregelung, die den deutschen Zwangsarbeitern aus Rumänien zugute kommt, war und ist bis heute einmalig in Europa. Weder Deutschland noch ein anderes europäisches Land (etwa Polen oder die Tschechische Republik) bieten diesem Opferkreis eine vergleichbare Wiedergutmachung.

Es ist richtig und wichtig, dass unsere Landsleute, die in Rumänien leben, seit vielen Jahren in den Genuss dieser Entschädigungsleistungen kommen. Leider war es bisher nicht möglich, diese Leistungen bei der Ausreise aus Rumänien, z.B. nach Deutschland, zu „exportieren“. Die Zahlungen wurden bei der Ausreise der Betroffenen aus Rumänien eingestellt. Dies entsprach den damaligen Gepflogenheiten in Europa. Auch Deutschland stellte beispielsweise die Zahlungen unserer FRG-Renten bei einer Ausreise aus Deutschland ein.

Ihr Vorwurf an Rumänien, mit einer Entschädigungsregelung gewartet zu haben, bis die Betroffenen diese mehrheitlich nicht mehr erleben, ist also falsch. Eine solche Regelung wurde schon 1990 und europäischen Maßstäben entsprechend mustergültig geschaffen.

Erst als Rumänien im Jahr 2007 der Europäischen Union beigetreten ist, eröffnete sich ein Ansatzpunkt, die bestehenden Einschränkungen des „Leistungsexports“ aufgrund von Gegenseitigkeit sowie die Bindung des Anspruches an die Staatsangehörigkeit anzugreifen und eine Zahlung dieser ganzen Rechte unabhängig von einer Staatsangehörigkeit und vom Wohnsitz an alle Betroffenen zu verlangen. Dafür musste zuerst eine Verhandlungsplattform zwischen dem Verband der Siebenbürger Sachsen in Deutschland und der Regierung in Bukarest durch konstruktiven Dialog geschaffen werden. So konnten entsprechende Vorschläge unterbreitet und nachhaltige Bemühungen zu deren Umsetzung erfolgen. Dass die rumänische Regierung unseren Forderungen jetzt nachgekommen ist und auch alle in Deutschland (oder im sonstigen Ausland) lebenden Opfer in die oben beschriebene Entschädigungsregelungen einbezieht, ist unbedingt anerkennenswert und darüber darf auch berichtet werden. Der Verband möchte dadurch weder etwas „verkaufen“, noch sich „loben“, sondern seine Mitglieder und alle anderen, die von der Arbeit des Verbandes Nutzen ziehen, informieren.

Sie irren auch, wenn Sie unterstellen, damit sei die Tätigkeit des Verbandes beendet. Das Gegenteil könnten Sie bei aufmerksamer und differenzierter Lektüre der Siebenbürgischen Zeitung entnehmen. Es gibt mehrere „Baustellen“ im Verhältnis zwischen den Siebenbürger Sachsen und dem Staat Rumänien. Wenn eine davon nun erfolgreich zum Abschluss gebracht werden konnte, bedeutet das noch lange nicht, dass die anderen aufgegeben wurden. Den Weg eines konsens- und ergebnisorientieren Dialogs zur Lösung gegenseitiger Anliegen werden wir konsequent weitergehen.

So fordert der Verband bezüglich des Gesetzes 221/2009, durch welches z.B. auch Kinder und Enkelkinder von Verschleppungsopfern ebenfalls in eine Entschädigungsregel einbezogen werden, schon seit der umstrittenen Entscheidung des rumänischen Verfassungsgerichtes und des Obersten Appelationsgerichtes, dass die erforderliche Gesetzesanpassung unverzüglich und unter Einbeziehung der Opfer der Russlanddeportation sowie der Kinder und Enkelkinder erfolgt, da diese auch unter der Verschleppung der Eltern und Großeltern zu leiden hatten. Über die unternommenen Schritte wurde in dieser Zeitung umfassend berichtet. Leider wurde hier noch kein Erfolg verzeichnet. Ein weiterer Einsatz ist daher für unseren Verband selbstverständlich.

Zudem fordert der Verband schon seit Jahren die Änderung der ungerechten Restitutionsbedingungen für enteignete Vermögenswerte. Erst vor wenigen Tagen wurde erneut eine entsprechende Eingabe an das rumänische Parlament gemacht, die leider noch nicht durchgesetzt werden konnte (vgl. Siebenbürgische Zeitung Online vom 23. April 2013).

Wenn Sie also Rumänien bezüglich der noch offenen Baustellen Vorwürfe machen wollen, können Sie sich den entsprechenden Petitionen und Forderungen unseres Verbandes anschließen, die dieser bei jeder sich bietenden Gelegenheit mit der nötigen Ernsthaftigkeit und immer lösungsorientiert im Sinne der Betroffenen erhebt.

Dazu gehört aber auch, Positives aus Rumänien sowie erzielte Erfolge anzuerkennen, sich mit den Nutznießern des Einsatzes zu freuen und so unsere Verhandlungspartner zu einer Fortsetzung des noch nicht beendeten Weges zu ermuntern.

Dr. Bernd Fabritius, Bundesvorsitzender

Schlagwörter: Leserecho, Rechtsfragen, Russlanddeportation

Bewerten:

64 Bewertungen: +

Neueste Kommentare

  • 16.05.2013, 12:18 Uhr von orbo: "@azur: woher nehmen Sie sich das Recht heraus, derart persönlich zu werden? " Woher ist ... [weiter]
  • 15.05.2013, 02:06 Uhr von azur: @mutapitz: wie immer sind es die "Anderen", die versagt haben ;))) [weiter]
  • 15.05.2013, 02:00 Uhr von azur: @Oberberg: Wen meinen Sie mit "uns hier"? Ich hatte Ihnen persönlich geantwortet, weil ich mich Ihr ... [weiter]

Artikel wurde 12 mal kommentiert.

Alle Kommentare anzeigen.

Zum Kommentieren loggen Sie sich bitte in dem LogIn-Feld oben ein oder registrieren Sie sich. Die Kommentarfunktion ist nur für registrierte Premiumbenutzer (Verbandsmitglieder) freigeschaltet.