30. September 2013

Siebenbürgen-Tournee der Karpatentänzer und Kokeltaler

Am 13. Juli trafen wir uns alle am Theaterparkplatz Wolfsburg mit dem Reiseziel Siebenbürgen. Groß war die Vorfreude auf zwei gemeinsame Wochen. Mit unserem Reisebus und den beiden siebenbürgischen Busfahrern Rick und Ernst konnte die Reise nach Siebenbürgen losgehen. 1800 km mussten gefahren werden.
Nach 29 Stunden Fahrt und vier lustigen Essenspausen fuhr unser Bus unter andächtigem Gesang des Siebenbürgenliedes die „Basner Hill“ Richtung Mediasch hinunter – Gänsehautgefühl pur, war man doch der alten Heimat jetzt ganz nah. Nach dem Einchecken im Hotel Edelweiss machten sich die meisten sofort auf den Weg in das Zentrum. Vieles hatte sich verändert, vor allem für jene, die seit über 20 Jahren nicht mehr in Siebenbürgen waren. Die Kaffeebar war geschlossen, der „Păltiniș“ nicht mehr dort, die Fabriken, in denen einige gearbeitet hatten (Vitrometan, 8. Mai), waren nur noch Ruinen bzw. wurden abgerissen. Doch es gab auch Neues: der Kleine Markt mit seinen Ständen und der Markthalle, der Supermarkt, der sogar am Sonntag geöffnet hatte. So konnte man sich gleich mit leckeren Schnitten eindecken.

Am Dienstag, dem 16. Juli, hatten wir in Hermannstadt eine Stadtführung gebucht. Mit Stadtführer Edi ging es entlang der Ringmauer, uns wurden die einzelnen Türme und ihre Zunftzuordnung erklärt, wir machten Bekanntschaft mit Handwerkergesellen aus Deutschland, die in Siebenbürgen auf der Walz waren und hier zur Erhaltung der Ringmauer beitragen. Weiter ging es in die orthodoxe Kirche mit den wunderschönen Ikonen und Wandmalereien und zur evangelischen Stadtpfarrkirche, die renoviert wird und nicht von innen besichtigt werden kann.

Für unseren ersten Tanzauftritt gingen wir mit 23 Trachtenpaaren die Heltauer Gasse in Richtung Großer Ring entlang. Leider fing es an zu regnen, so dass wir uns kurzzeitig unter einen Pavillon stellen mussten. Doch pünktlich zu unserem Auftritt um 16.00 Uhr vor dem Rathaus auf dem Großen Ring kam die Sonne wieder heraus, so dass wir unsere Tänze (Bändertanz mit zwölf Paaren, Hermannstädter, Radetzky-Marsch) immer abwechselnd mit der Tanzgruppe vom Deutschen Forum in Hermannstadt vor einem begeisterten Publikum vorführen konnten. Die Hermannstädter Zeitung und die Allgemeine Deutsche Zeitung für Rumänien berichteten in ihren folgenden Ausgaben von diesen Auftritten. Sogar das rumänische Fernsehen filmte unseren Auftritt und Herr Ungar führte Interviews mit den beiden Tanzgruppenleitern. Vielen Dank an Helmut Lerner vom Deutschen Forum, der uns diesen Auftritt ermöglicht hat.

Zum Abendessen ging es ins Restaurant „Hermania“. Der Pächter der ehemaligen Philharmonie, Martin Müller, hatte uns eingeladen und bewirtete uns mit Produkten aus seiner eigenen Bioherstellung. Es war eine tolle Atmosphäre, wir haben uns sehr wohl gefühlt, nette Gespräche geführt und in Erinnerungen geschwelgt. Als kleines Dankeschön für die Einladung tanzten die Kokeltaler die „Reklich Med“ und die Karpatentänzer, in Erinnerung an seine kurzzeitige Heimat in Niedersachsen, den „Lüneburger Windmüller“. Unter lautem Gesang ging es durch die Straßen von Hermannstadt zurück zum Bus und wir machten uns spätabends auf den Rückweg nach Mediasch.
Karpatentänzer und Kokeltaler im Pfarrhof in ...
Karpatentänzer und Kokeltaler im Pfarrhof in Mediasch. Foto: Richard Elischer
Am Mittwoch besuchten wir unsere Heimatorte und fuhren nach Wölz, dem Heimatort vieler „Kokeltaler“, wo traditionsgemäß ein Pali oder ein Likör kredenzt wurde. Auf den Weg durch das Dorf wurde uns gezeigt, wo man früher gewohnt hat. Vom „Fusslich“, einem Berg am Ende des Dorfes, hatten wir einen herrlichen Blick auf Wölz und das umliegende Tal. Es hat uns sehr traurig gemacht, die Kirche in ihrem jetzigen Zustand zu sehen. Gerne hätten wir sie in ihrer ursprünglichen Schönheit gesehen.

In Meschen ging es bei wunderbarem Wetter durchs Dorf hinauf zur Kirchenburg. Diese wurde in den letzten Jahren sehr aufwändig restauriert, am darauffolgenden Sonntag sollte die Orgel neu eingeweiht werden. Zur Freude unserer Reisegruppe wurden wir von einer Siebenbürger Sächsin durch die Kirchenburg geführt, die uns mit viel Herzblut die Geschichte Meschens erzählte und sehr Interessantes über die Kirchenburg berichten konnte. Als Nächstes stand die Besichtigung Schäßburgs auf dem Programm. Unser Reiseführer Sorin Rus vom Reiseanbieter „Tourist in Transilvania“ erzählte uns auf sehr originelle Weise die Geschichte der Stadt und ging mit uns durch die romantischen kleinen Gässchen, zeigte uns den Stundenturm und weitere der neun noch erhalten gebliebenen Wehrtürme Schäßburgs. Mit seiner lockeren Art machte er diesen Rundgang zu einem ganz besonderen Erlebnis. Auf eigene Faust konnten unsere Reiseteilnehmer diese schöne mittelalterliche Stadt noch bis zum späten Nachmittag erkunden.

Am Freitag sollten wir in Birthälm im Rahmen des Sommerfestes unseren zweiten großen Auftritt haben. Pfarrer Ulf Ziegler ließ es sich nicht nehmen, uns am frühen Nachmittag persönlich durch die Burg zu führen. Es wurde sehr interessant mit vielen lustigen Geschichten. Vor malerischer Kulisse war zwischen der unteren und der zweiten Burgmauer ein großes Zelt aufgebaut, aus den benachbarten Dörfern wurden Siebenbürger Sachsen zum diesjährigen Sommerfest gebracht. Zusammen mit der Tanzgruppe aus Schäßburg begann das Programm mit dem Aufmarsch von über 30 Paaren. Abwechselnd mit der Schäßburger Tanzgruppe zeigten wir unseren Bändertanz und noch weitere siebenbürgische Tänze. Gemeinsam mit den Besuchern des Festes wurde gesungen, sächsische Lieder und auch viele bekannte deutsche Volkslieder. Als Vorstand der Kreisgruppe Wolfsburg überreichte Gerhard Schunn Pfarrer Ziegler eine Spende in Höhe von 855 Euro. Diese war eine Kollekte vom siebenbürgischen Ostergottesdienst in der St.-Petrus-Kirche in Vorsfelde und soll zur Erhaltung der Kirchenburgen im Raum Mediasch/Hermannstadt beitragen.

Der Sonntag begann mit dem Besuch des Gottesdienstes. Zu Fuß gingen wir in Tracht zur evangelischen Stadtpfarrkirche Mediasch. Die vielen Trachtenpaare boten einen Anblick, den man in Mediasch seit vielen Jahren nicht mehr gesehen hatte. Den Gottesdienst gestaltete Pfarrerin Kenst mit einer ergreifenden Predigt über die Nächstenliebe Jesu, ganz besonders gegenüber behinderten Menschen. Bei herrlichem Son­nenschein trafen sich alle Besucher des Gottesdienstes auf der grünen Wiese vor dem Gemein-­ dehaus. Mit dem Trompeterturm im Hintergrund konnten wir erneut unsere Tänze zeigen. Ganz begeistert war das Publikum vom Bändertanz, doch auch der Hermannstädter kam sehr gut an.

Mehr als die Hälfte unserer Reisegruppe stammt aus Bußd und so gab es bei unserem ersten Besuch am Mittwoch viel zu zeigen und zu berichten. Es war für uns Bußder ein sehr schönes Gefühl, den Freunden unsere Kirche und die Häuser unserer Kindheit zu zeigen. Den Klang der Orgel noch einmal zu hören war unbeschreiblich, und gemeinsam in unserer Kirche ein Kirchenlied zu singen – herzergreifend.

Mit einem Arbeitseinsatz auf dem Friedhof begann unser zweiter Besuch in Bußd. Dann ging es weiter zur Kirchenburg. Hier wollten wir die Kirche wieder säubern. Jahrzehntelanger Staub, Spinnweben und Vogelkot mussten entfernt werden. Jeder packte an, wo er nur konnte, holte Wasser, wischte Bänke, entstaubte die Wände. Sehr ergriffen waren wir, als gegen 12.00 Uhr nach vielen Jahren wieder zu Mittag geläutet wurde. Um 15.00 Uhr sollte im Căminul Cultural in Bußd der letzte Auftritt dieser Reise sein. Der Saal war bis auf den letzten Platz gefüllt. Einen tosenden Applaus gab es, als Harald Hermann die Kokeltaler vorstellte und erzählte, dass fast alle Kokeltaler in Siebenbürgen geboren und aufgewachsen waren. Als dann Gerhard Schunn die Karpatentänzer vorstellte und erklärte, dass aus der Gruppe fast alle hier im Dorf aufgewachsen waren, ging ein begeistertes Toben durch den Saal. Für unsere Tänze gab es großen Applaus und als die Kokeltaler den rumänischen Tanz „Alunelul“ zeigten, gab es frenetischen Beifall. Nach unserem Auftritt wurden Trikots und Fußbälle an die neue Jugend-Fußballmannschaft Bußd übergeben. Diese waren ein Geschenk vom SV Wendschott. Es war eine Freude zu sehen, wie die Kinder strahlten, die ein Trikot ergattert hatten. Im Hof von Familie Wellmann hatten die Bürgermeisterin und einige Helfer aus dem Dorf einen Ceaun vorbereitet. Im Schatten der Isabella-Trauben schmeckte uns das Essen besonders gut und wir danken der Bürgermeisterin, Christi und den vielen Helfern aus dem Dorf, dass sie uns diesen schönen Abend bereitet haben. Ein ganz besonderer Dank an Familie Wellmann, dass wir in ihren Hof einkehren konnten. Großen Dank auch an Elise-Elke, die uns ihr Elternhaus uneingeschränkt zur Verfügung stellte und sich mit Fred unermüdlich um die Betreuung der Reisegruppe kümmerte.

Unsere Reise war ein wunderschönes Erlebnis. Wir konnten an den Orten unserer Kindheit in Erinnerungen schwelgen, haben gemeinsam gefeiert und unsere Freundschaften weiter gefestigt. Bei unseren Auftritten konnten wir mit unseren Trachten und Tänzen unser Publikum erfreuen und uns kulturell austauschen. Wir freuen uns bereits jetzt auf unser Treffen im November. Hier wollen wir gemeinsam Fotos und Videos anschauen und uns unsere Reise nochmals bildlich in Erinnerung rufen. Wir danken der Niedersächsischen Landesaufnahmebehörde in Friedland für die finanzielle Unterstützung dieses Projektes.

Monika Schunn

Schlagwörter: Wolfsburg, Reise, Siebenbürgen, Tanzgruppen

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