15. September 2014

Sozial engagierter Unternehmer: Nachruf auf den Bauingenieur Harro Hubbes

Dipl.-Ing. Harro Hubbes ist am 7. August im Alter von 85 Jahren in Stuttgart gestorben. In seiner eindrucksvollen, über 30-jährigen Karriere bei dem international agierenden Stuttgarter Baukonzern Ed. Züblin AG stieg der gebürtige Kronstädter und zeitlebens bekennende Siebenbürger Sachse zum Direktor des Geschäftsbereichs Komplettbau und zum Geschäftsführer der Züblin Projektentwicklung GmbH auf. Nach mehreren lebensbedrohlichen Erkrankungen im Ruhestand schien er gut erholt und als rüstiger Rentner war er wie früher aktiv in unterschiedlichsten Kreisen; infolge eines weiteren chirurgischen Eingriffs verstarb er kurz nach Vollendung seines 85. Lebensjahres.
Harro Hubbes besuchte die Volksschule im Stadtteil Bartholomä und anschließend das Honterus-Gymnasium in Kronstadt. Es folgten das Studium an der Fakultät für Bauwesen der Technischen Hochschule in Temeswar und erste Berufsjahre des jungen Bauingenieurs im rumänischen Industriebau. 1956 heiratete er die Arzttochter Gerlinde Göller in der Kronstädter Schwarzen Kirche. Als „Ausbeutersohn“ im kommunistischen Rumänien – der Vater besaß eine (1948 enteignete) Möbelfabrik – hatte Harro Hubbes eingeschränkte Berufschancen. So reifte bald der Entschluss heran, die Ausreise nach Deutschland zu beantragen. Nach den üblichen jahrelangen behördlichen Schikanen und notwendigen Hilfen der Verwandtschaft im Westen konnte das Paar Anfang 1964 Rumänien den Rücken kehren.

Während des kurzen Aufenthalts im Auffanglager Geretsried bewarb sich Harro Hubbes aufgrund einer Zeitungsanzeige bei dem größten Stuttgarter Bauunternehmen. Über dreißig Jahre lang blieb er dieser ersten deutschen Arbeitsstelle treu und hat für die Entwicklung seines Arbeitgebers zu einem der führenden deutschen Baukonzerne mit weltweiten Tätigkeiten einen wesentlichen Beitrag geleistet. Er fing als „Einzelkämpfer“ auf dem damals neuen Tätigkeitsfeld des schlüsselfertigen Bauens an, eine Sparte, die heute zu zwei Dritteln der vierstelligen Milliardenleistung des Stuttgarter Baukonzerns angewachsen ist. Die Akquisition und Abwicklung der Aufträge wurde von seiner stetig wachsenden Abteilung für schlüsselfertiges Bauen zunächst als Dienstleistung der Hauptverwaltung für die zahlreichen Niederlassungen im In- und Ausland erbracht. 1985 wurde der eigenständige Geschäftsbereich Komplettbau gegründet, der überregional in ganz Deutschland bauen konnte und den Harro Hubbes bis zu seinem Ruhestand geleitet hat.

Eine Erweiterung der Aktivitäten im Schlüsselfertigbau durch Übernahme von klassischen Aufgaben der Bauherren führte zu einem neuen Geschäftsbereich, der Projektentwicklung. Als dessen Geschäftsführer wirkte Hubbes bis zu seinem Ausscheiden 1996. Einkaufszentren, Wohnanlagen, Büro- und Verwaltungsgebäude wurden initiiert, geplant und gebaut. Mit der deutschen Wiedervereinigung stiegen die Chancen dieser Sparte in den neuen Bundesländern. So wurden in enger Zusammenarbeit mit den örtlichen Verwaltungen das Gewerbegebiet Ottendorf-Okrilla in Sachsen (mit 5000 neuen Arbeitsplätzen) wie auch der neue Dresdener Stadtteil Kaditz-Mickten mit Einkaufszentren und Wohnungen realisiert.
Harro Hubbes (1929-2014) ...
Harro Hubbes (1929-2014)
Harro Hubbes hat viele junge Ingenieure ausgebildet und gefördert, eine ganze Reihe hat bis heute wichtige Funktionen im Unternehmen übernommen. Durch hohe fachliche Kompetenz, Leistungswillen, Verlässlichkeit, menschlich offene Art hat er sich im Unternehmen und bei Geschäftspartnern gleichermaßen Vertrauen und Wertschätzung erworben. Aus dem Ingenieur wurde ein erfolgreicher Unternehmer, neugierig auf neue Aufgaben. Nach den üblichen Hierarchiestufen ausgestattet mit Handlungsvollmacht (1971), Prokura (1973), wurde er 1979 zum Direktor ernannt.

Ende der 1970er Jahre war Harro Hubbes Vorstandsmitglied der Landesgruppe Baden-Württemberg der damaligen Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen, später langjähriges Vorstandsmitglied des Hilfsvereins „Johannes Honterus“ e.V. in Stuttgart, dem Trägerverein des Alten- und Pflegeheims auf Schloss Horneck in Gundelsheim. Mit großzügigen Zuwendungen engagierte sich das Ehepaar Hubbes auch bei den gemeinnützigen, kulturellen siebenbürgischen Institutionen am Standort Gundelsheim, wie u.a. die Einrichtung einer Zustiftung der „Stiftung Siebenbürgische Bibliothek“ belegt. Spendenaktionen anlässlich privater Jubiläen zugunsten der Deutschen in Siebenbürgen sollten nicht unerwähnt bleiben, so 1989 die Feier zu seinem 60. Geburtstag und 25-jährigen Dienstjubiläum in der großen Glashalle der Ed. Züblin AG mit dem gesamten Vorstand, den Mitarbeitern, zahlreichen Kunden und Freunden. Die siebenbürgische Blasmusik, Chor und Tanzgruppe aus Stuttgart und Heidenheim bestritten ein einmaliges kulturelles Programm für ein außergewöhnliches Fest am Sitz eines Baukonzerns.

Sein breit gefächertes soziales Engagement hatte auch eine besondere Komponente. Hubbes hat vielen siebenbürgischen Berufskollegen nach ihrer Aussiedlung den Wiedereinstieg ins Berufsleben ermöglicht und zusammen mit diesen den guten Ruf der Siebenbürger Sachsen in der Firma geprägt. Dem Kronstädter bedeuteten die Berge besonders viel. Er war langjähriges Mitglied im Deutschen Alpenverein. Als Wanderer und begeisterter Skiläufer genoss das Ehepaar Hubbes insbesondere im Ruhestand seinen Zweitwohnsitz in Kitzbühel. Harro Hubbes war ein vielseitig interessierter Zeitgenosse. Politik, Wirtschaft, Geschichte, Kunst, fremde Kulturen, die er gemeinsam mit seiner Frau auf vielen Reisen entdeckt hat, sowie kulturelles Interesse an Theater, Musik und Oper haben ihn immer begeistert. Seine große Liebe galt der Oper und hier insbesondere der Musik von Richard Wagner. Das Festspielhaus Baden-Baden zählt zu seinen Freunden auch das Ehepaar Hubbes aus Stuttgart.

In einer schönen und würdigen Trauerfeier am 15. August wurde Harro Hubbes im Beisein der Familie, Freunde und zahlreicher ehemaliger Arbeitskollegen in Stuttgart-Stammheim verabschiedet. Es erklangen Richard Wagners „Götterdämmerung“, „Ave Maria“ von Franz Schubert, aber auch „Amoi seg’ ma uns wieder“ des bekannten österreichischen Volks-Rockers Andreas Gabalier. Mit Harro Hubbes verliert die Gemeinschaft der Siebenbürger Sachsen einen bedeutenden Unternehmer, eine beispielhaft engagierte Persönlichkeit.

Hermann Theil

Schlagwörter: Nachruf, Wirtschaft

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