21. September 2014

Ein Jahr vor dem Methusalemtreffen

Dieses Jahr trafen sich die Honterusschüler der Geburtsjahrgänge 1925/26 bei Familie Hans und Renate Marko in Gräfelfing. Leider hatten zwei absagen müssen, so dass nur drei anreisten, aber Hans hofft, dass es im nächsten Jahr ein paar mehr sein werden. Dann möchte er ein Methusalemtreffen organisieren, weil dann die Mehrzahl unserer Klasse – soweit man heute überhaupt noch von einer Mehrzahl sprechen könne – den 90. Geburtstag feiere. Hoffen wir also das Beste fürs nächste Jahr!
Wenn wir diesmal, also dem Jahr vor dem Methusalemtreffen, auch nur zu viert waren, haben wir doch dank der guten Organisation ein paar sehr unterhaltsame Tage erlebt und können nur hoffen, dass nächstes Jahr ein paar zusätzliche Aufrechte die „Strapazen“ einer solchen Expedition auf sich nehmen können.

Als 1939 der 2. Weltkrieg begann, waren die meisten unserer Klasse gerade 14 Jahre alt und keiner dachte im Traum daran, selbst auch noch an diesem Drama beteiligt zu werden. Wie für die meisten Menschen blieb danach nichts beim Alten – alles wurde umgekrempelt und bei jedem war’s irgendwie anders. Wollen wir mal schauen, wie unsere vier Honterianer diese Zeit erlebt beziehungsweise überlebt haben.

Hans, der Organisator des diesjährigen Treffens, heißt mit vollständigem Namen Prof. Dr.-Ing. Dr.-Ing. Eh. Hans Marko. Er war schon früh begeisterter Flieger und hatte bereits in Siebenbürgen zusammen mit einigen Freunden den Privat-Flugzeugführerschein erworben. Nachdem es ihm, wie der Mehrzahl der Absolventen der siebenten Gymnasialklasse im Jahr 1943 gelungen war, das letzte Jahr, damals Oktava genannt, mit anschließender Matura noch in den Sommerferien zu absolvieren, konnte auch er sich mit seinen Schicksalsgenossen in Wien als Offiziersbewerber beispielsweise bei der deutschen Luftwaffe melden. Als er jedoch schließlich fliegen durfte, war der Sprit aus und glücklicherweise kurz darauf auch der Krieg. Mit allerhand Nebentätigkeiten finanzierte er sein Studium der Elektrotechnik.

Der anschließende berufliche Erfolg erbrachte ihm schließlich den Ruf an die TH München, an der er dann 31 Jahre tätig war. Seine Forschungen in der Nachrichtentechnik, der Informatik und Kybernetik, haben ihn sogar international bekannt gemacht. Beim Heimattag der Siebenbürger Sachsen 1995 in Dinkelsbühl wurde Marko mit dem Siebenbürgisch-Sächsischen-Kulturpreis geehrt. Sein Hobby, das Fliegen, betrieb er noch viele Jahre mit großer Begeisterung. Er lebt schon seit vielen Jahren mit seiner Frau Renate in Gräfelfing.
Ein Jahr vor dem Methusalemtreffen, von links: ...
Ein Jahr vor dem Methusalemtreffen, von links: Horst Machat, Richard Schuller, Hans Marko, Hans Mendgen.
Auch Ricki, wie Richard Schuller im Freundeskreis genannt wird, war eifriger Flieger und kam somit gemeinsam mit Marko über Wien ebenfalls zur Luftwaffe. Als er nach Kriegsende, schon als Kriegsgefangener gen Russland unterwegs war, gelang es ihm auf abenteuerliche Weise diesem Schicksal zu entkommen, als er mit einem Satz, unbemerkt von den Posten, in einen entgegenkommenden Panjewagen sprang. Im Wagen saßen rumänische Soldaten auf dem Weg nach Hause. Ricki durfte mit und kam schließlich irgendwann bei seiner Familie in Siebenbürgen an. Bald jedoch merkte er, dass an ein Bleiben nicht zu denken war, und er gelangte über Ungarn nach Österreich, um dort zu studie­ren. Da aber damals in Österreich die Aussichten auf eine Anstellung, auch mit Studium, gering waren, disponierte er um und folgte der Einladung seiner Verwandten in Peru. Einen bezahlbaren Platz für die Überfahrt bekamen er und etliche andere Ausreiseaspiranten auf einem – Segelschiff (!). In welchem Jahrhundert lebten wir eigentlich damals?

Bei der Proviantaufnahme in Dakar verschwand jedoch der Kapitän mitsamt dem Sextanten. Was nun? Ricki, der als Einziger mit so was umgehen konnte, wurde von der Mannschaft zum Kapitän gewählt und nachdem auf einem anderen Schiff ein neuer Sextant „beschafft“ war, begann eine abenteuerliche Überfahrt. Nach 28 Tagen erreichten sie wohlbehalten Trinidad, wenige Kilometer vor der Küste Venezuelas. Mit der Flugkarte, die ihm seine Verwandten geschickt hatten, flog er schließlich bequem nach Peru. So elegant, wie er die Überfahrt mit dem Segler gemeistert hatte, schaffte er nun auch sein Privat- und Berufsleben und kehrte, als er das Rentealter erreicht hatte, gerne mit seiner Familie nach Deutschland zurück. Heute lebt er mit seiner Frau Inge in Bonn.

Horst Machat, unser ältester Mitschüler, wurde 1923 in Kronstadt geboren, verbrachte aber zunächst viele Jahre mit seinen Eltern in Bukarest. Nach Erreichen der mittleren Reife begann er eine Buchhändlerlehre. Bedingt durch den frühen Tod seines Vaters, kam die Familie nach Kronstadt zurück und Horst bereitete sich für die Fortsetzung seiner Ausbildung auf dem Gymnasium vor. Teilweise mit Privatunterricht, aber auch gemeinsam mit dem Jahrgang 1926, erarbeitete er sich die verlorenen Schuljahre am Honterusgymnasium. Im Unterschied zu Marko und Schuller musste er jedoch in der Brukenthalschule in Hermannstadt mit insgesamt 12 Schülern aus Siebenbürgen, der Schweiz und dem Banat eine „Sammel-Oktava mit deutschen Schülern“, die er erst 1944, gerade noch rechtzeitig vor dem Putsch Rumäniens, mit der Maturaprüfung absolvierte. Er schaffte es auch gerade noch nach Wien zum deutschen Militär.

Nach dem Krieg studierte er an der Ludwig-Maximilians-Universität in München, ohne finanzielle Hilfen, Betriebs- und Volkswirtschaftslehre. Machat schreibt: „Es war eine saure Studienzeit, alles auf eigene Rechnung!“ Aber er schloss trotz allem erfolgreich mit einem Diplom ab. Neben der beruflichen Arbeit im Rechnungswesen und der Finanzverwaltung bildete er sich weiter und erteilte später Unterricht an Berufsschulen und einer Akademie für praktische Betriebswirtschaft zur Ausbildung von Betriebswirten. Schließlich arbeitete er freiberuflich, zum Beispiel bei der Bewertung von größeren Konzern- und sonstigen Fabrikgrund­- stücken sowie Luxusvillen im gesamten Bundesgebiet. Heute genießt er mit seiner Frau Marlies und Hund in Waldkraiburg und München seinen Lebensabend.

Hans Mendgen, also ich, der Schreiber dieser Zeilen, war eigentlich nur während knapp vier Schuljahren Mitschüler der 25/26er Jahrgänge. Kurz vor Ostern 1940 verschwand ich zunächst in Richtung „Großdeutsches Reich“, ein Schritt, zu dem man unsere Mutter vom deutschen Konsulat aus überredet hatte. Wie alle meine ehemaligen Schulkameraden hätte ich damals im Traum nicht daran gedacht, dass ich Soldat werden sollte in der später „Zweiter Weltkrieg“ benannten Katastrophe.

Da ich meinen Kindern offenbar immer sehr viel Spannendes zu erzählen wusste, haben sie mich überreden können, mir erstens umfassende Kenntnisse am PC anzueignen, um zweitens damit ein Buch über früher zu schreiben. „Früher“ heißt nun auch dieses Buch und damit kann nun mein kleiner Anteil an der Geschichte dieser alten Zeiten nicht so schnell vergessen werden.

Beruflich war ich Industrieuhrmacher und Fotograf. Mit meiner Frau gemeinsam betrieben wir einen Fotoladen in unserer Heimatstadt Rosenfeld. Insbesondere Dank dieses gut gehenden Geschäftes, das hauptsächlich sie führte, konnten wir uns viele Reisen, auch mit unseren Kindern, leisten. Fast immer ging’s zum Wandern in die Berge. Nach der Wiedervereinigung Deutschlands zeigte ich meiner Frau auch viele Stätten, die 40 Jahre lang hinter dem „Eisernen Vorhang“ waren, die ich aber schon aus der Zeit davor kannte.

Rückblickend kann ich feststellen, dass wir ein sehr schönes Leben hatten. Die Trauer um die Menschen, die ich so geliebt habe und die inzwischen nicht mehr leben, darf ich nicht einmal davon ausschließen, denn auch das gehört nun mal zum Leben. Und immer wenn ich zum Beispiel das Bild meiner lieben Frau oder das meines Kriegskameraden und besten Freundes Otto anschaue, fallen mir Erlebnisse unserer gemeinsamen Zeiten ein, ohne die mir viel fehlen würde.

Sogar meine fast vier Jahre währende Kriegsgefangenschaft im Frankreich der Nachkriegszeit, hinterließ hauptsächlich positive Erinnerungen, vor allem aber gute Freunde. Dank der vielen Besuche hin und her ist sogar ein enges familiäres Verhältnis entstanden. Inzwischen sind sogar zwei meiner Enkel mit ihren Altersgenossen (rund 20 Jahre alt) in Frankreich be­freundet und ich tausche regelmäßig E-Mails mit den Enkeln und Urenkeln meines ehemaligen Patrons (Chefs) aus.

Hans Mendgen

Schlagwörter: Klassentreffen, Honterusschule, Kronstadt

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