23. November 2014

Verhafteter Asylbewerber freigekauft

Hätte die Leiterin des Ebersberger Stadtarchivs und Kulturreferentin der Kreisgruppe Ebersberg, Antje Krauss-Berberich, nicht so schnell reagiert, hätte der junge Asylbewerber Tesfalem Goidom, Physiklehrer und angehender Wissenschaftler, der im Rahmen eines 1,05 Euro-Jobs bei ihr im Archiv tätig ist, mehrere Wochen im Gefängnis gesessen.
Vor drei Monaten kam der Eritreer, der sich auf der Flucht vor lebenslangem Militärdienst nach Libyen retten wollte, nach langer Odyssee in Frankfurt/Main an. In Libyen als Illegaler festgenommen und eines Nachts entkommen, schleppte er sich wochenlang Richtung Norden bis zum Mittelmeer und stieg als letzter in eines von zwei von Schleusern bereitgestelltes Boot Richtung Italien. Er musste den Untergang des Begleitbootes mit über 80 Menschen an Bord mitansehen, ohne helfen zu können. Mit Leidensgenossen kam er nach Frankfurt, wo er im Flüchtlingslager bei Freunden landete. Dort nahm eine Polizeistreife den illegal Eingereisten sofort fest. Eine Strafe von unbedeutendem Betrag lag vor. Das, was auf dem Papier stand, verstand er nicht. Goidom wurde wegen Überfüllung der Polizeiinspektion (PI) am nächsten Tag mit anderen Flüchtlingen nach Ebersberg gebracht.

Durch ein tragisches Ereignis lernte Antje Krauss-Berberich die hier untergebrachten Afrikaner kennen. Sie stand den geschockten Eritreern bei der Bergung eines im Klostersee ertrunkenen Freundes bei. Nach weiteren Begegnungen bot die Archivleiterin vier Afrikanern einen vom Landratsamt genehmigten Job bei sich an. Als eines Morgens Tesfalem Goidom im Archiv nicht erschien und sie von seinen Freunden erfuhr, dass er am Abend zuvor von zwei Polizisten abgeholt worden war, kontaktierte sie sofort die Polizei. Sie musste erfahren, dass ihr neuer Kollege innerhalb einer Stunde für einige Wochen in die Justizvollzugsanstalt nach München kommen würde, um dort einen ausstehenden Betrag von 392 Euro abzuarbeiten. Dieser Betrag errechne sich durch Bearbeitungsgebühren der in Frankfurt nicht bezahlten 30 Euro. Auf die Frage, wie sie das abwenden könne, bekam Krauss-Berberich zur Antwort, dass nur eine sofortige Bareinzahlung ihren Schützling retten kann. Sie bat um dessen „Überführung“ in die PI Ebersberg. Währenddessen ging die Archivleiterin zur nächsten Bank, holte den Betrag und zahlte diesen bei der Polizeidienstelle Ebersberg ein. Gleich darauf konnte sie ihren völlig geschockten Kollegen in Empfang nehmen.

Michael Schwarz

Schlagwörter: Politik, Bayern, Flüchtlinge

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