30. Dezember 2014

Sachen zum Lachen: Büffel in Neppendorf

Der fleißigste Beiträger und Mitgestalter dieser Rubrik, Samuel Beer aus Stuttgart, ist im Dezember 80 Jahre jung geworden. Wir danken ihm für seine beispielhafte Mitarbeit und wünschen ihm alles erdenklich Gute für das neue Lebensjahrzehnt, auf dass ihm seine Schaffenskraft noch viele Jahre erhalten bleibe.
Büffel als Haustiere waren in Siebenbürgen weit verbreitet. Der domestizierte Wasserbüffel breitete sich von Indien aus bis weit in den Balkan hinein. Bei den Bewohnern Siebenbürgens erfreute er sich großer Beliebtheit, denn er war anspruchslos, anpassungsfähig, zäh und konnte auch als Zugvieh vor den Wagen gespannt werden. Begehrt war die Milch der Büffelkühe. Sie war süßer und fetthaltiger als die der Milchkühe. Obwohl der Milchertrag der Büffelkühe viel geringer war, als der der Kühe, hielten die auf Milchwirtschaft spezialisierten Neppendorfer wegen der hohen Qualität der Büffelmilch fast so viele Büffel wie Kühe. Wen wundert es daher, dass die Hermannstädter die Neppendorfer als „Heppinger Büffelfurz“ hänselten.

Die Büffel sind schreckhaft und bei Gefahr angriffslustig. Wenn einem ein Büffel mit erhobenem Kopf und rollenden Augen entgegenkam, war das eine ernst zu nehmende Drohung. Ihre seitlich gekrümmten, spitzen Hörner sind gefährliche Waffen. Wir kannten aber die Eigenart der Büffel und wussten mit ihnen umzugehen; für uns waren sie im Grunde friedliche Tiere. Bei meinen Eltern standen für gewöhnlich auch zwei Büffelkühe im Stall. Die Büffel spürten es, wenn jemand Angst vor ihnen hatte, und das nützten sie aus. Städter und rote Kleider mochten sie nicht.

In Neppendorf weideten die Herdentiere getrennt. Es gab eine Kuh-, eine Büffel- und eine Pferdeherde. Während die Bullen der Kühe im Stall blieben, ging der Büffelstier, Bika genannt, mit der Herde mit. Er konnte gelegentlich aggressiv werden, wenn er glaubte, seine Herde verteidigen zu müssen. Wir Kinder nahmen dies zum Anlass, ihn mit Steinwürfen oder Stockschlägen zu reizen. Fast täglich beglückte der Stier jeweils eine andere Büffelkuh. Er wich dann nicht von deren Seite und begleitete sie sogar nach Hause bis vors Gassentor. Der Besitzer freute sich, denn nun konnte er in zehn Monaten mit einem Kälbchen rechnen. Als dann auch der Hirte vorbeikam, um das Ereignis zu bestätigen, erhielt er ein Trinkgeld und der Bauer trug das Datum in seinen Kalender ein.

Die schwarze Haut der Büffel nahm im Sommer besonders viel Wärme auf. Kein Wunder, dass die Tiere dann das Wasser suchten, um sich abzukühlen. Sie suhlten sich gern im Schlamm. Auf der Viehweide gab es Stellen mit Moor, die die Hirten der Büffelherde tunlichst mieden. Das feuchte Moor zog die Büffel an, konnte ihnen aber auch gefährlich werden. Nicht selten sind dort Tiere eingesunken und mussten von Pferden wieder herausgezogen werden.

Einige lustige Begebenheiten mit Büffeln seien hier erwähnt: Ein Nachbar fuhr an einem heißen Sommertag mit seinem Büffelgespann durch eine Furt im Zibin. Mitten im Bach blieben die Büffel stehen, tranken ausgiebig und legten sich dann ins Wasser. Weder mit gutem Zureden, noch mit Peitschenhieben konnte sie der Nachbar aus dem Bach treiben. Erst als sie sich abgekühlt hatten, verließen sie freiwillig das Wasser.

Im Herbst, wenn die Felder abgeerntet waren und für Weidetiere freigegeben wurden, trieben wir Kinder nach der Schule das Vieh über die Äcker. Wir brieten Kartoffeln, die wir noch fanden, und genossen die warme Herbstsonne. Dabei war das Büffelreiten ein besonderer Sport und eine beliebte Mutprobe.

Die fette Büffelmilch haben die Neppendorfer gewinnbringend zu Rahm und Butter verarbeitet. Es gab aber ein Problem: Die Büffelbutter war viel weißer als die der Kühe, unterschied sich aber im Geschmack kaum davon. Trotzdem kauften die verwöhnten Hermannstädter Büffelbutter nicht so gern. Die cleveren Neppendorfer fanden bald eine Lösung: Ein paar Tropfen frisch gepressten Möhrensaftes verliehen der Büffelbutter die gewünschte Farbe. Es gab fortan nur noch „Kuhbutter“ und alle waren zufrieden.

Büffel sind eigensinnig und wenn sie etwas nicht wollen, dann zeigen sie das offen. Man sagt, sie hätten Charakter. Gewohnheiten, die sie sich in ihrer frühen Zeit angeeignet haben, geben sie so leicht nicht auf. Deshalb war es wichtig, beim Kauf der Tiere zu fragen, welche Eigenarten sie haben. Unsere Nachbarin hatte eine Büffelkuh, die die Milch nur dann herausließ, wenn die Melkerin oder der Melker eine blau karierte Bluse anhatte. War das nicht der Fall, hielt das verstockte Vieh die Milch zurück.

Die Büffelkuh meiner Großmutter kam aus einem evangelischen Haus. Als sie das Tier einem Bauern aus Stolzenburg abkaufte, sagte der, es wäre gut, beim Melken den Choral Nr. 18 aus dem Gesangbuch zu singen. Am Abend füllte die Großmutter den Futtertrog mit frisch gemähtem Gras, um die Büffelkuh gütig zu stimmen, und begann einen Choral zu singen, doch das Vieh schaltete auf stur. Es war einfach kein Tropfen Milch von ihm zu kriegen. Die Großmutter, die die Nummer des Kirchenliedes, das der Verkäufer ihr nannte, vergessen hatte, versuchte es auch mit anderen Chorälen, leider ohne Erfolg. Durch Zufall sang sie das in Siebenbürgen und besonders bei den Leuchtersingern in Neppendorf so beliebte Kirchenlied „Lobt Gott, ihr Christen, freuet euch!“ von Nikolaus Hermann, und es geschah ein Wunder: Die Büffelkuh gab die Milch. Von dem Tag an konnte man täglich, morgens und abends den schönen Choral aus Großmutters Stall hören. Alle acht Strophen.



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Schlagwörter: Humor, Neppendorf, Büffel

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