10. Februar 2015

Abtsdorf – für Gäste ein trostloses Bild

Eines Tages bekam ich von einem Bekannten ein Heimatbuch in die Hände, das so groß und dick wie eine Bibel ist. Ich brauchte Zeit, das 700 Seiten starke Buch zu lesen: „Abtsdorf, ein ehemals deutsches Dorf in Siebenbürgen 1997“, sehr gut zusammengefasst vom Geschichtelehrer Michael Konnerth.
1939 hatte Abtsdorf im Harbachtal 619 Seelen und 142 sächsische Höfe. Ein beeindruckendes Foto auf Seite 356 des Buches zeigt die freiwilligen Helfer nach der Reparatur des Kirchendaches 1984 bei Krapfen und Schnaps. Diesem Beispiel könnten die Abtsdorfer auch im Jahr 2015 folgen, da die Gemeinde groß genug ist, um mit einigen Spenden den Verfall ihrer Kirche und des Friedhofes zu verhindern. Im Heimatbuch sah ich auch einige besonders schöne Bilder vom Abtsdorfer Friedhof und bekam Gänsehaut. Auf Seite 414 steht ein Satz, der für alle sächsischen Friedhöfe gelten sollte: „Die Grabpflege hatte in Abtsdorf einen hohen Stellenwert.“

Dieses kann man heute leider nicht mehr behaupten, da der alleenähnliche Hauptaufstieg zum Friedhof mit Dornensträuchern zugewachsen ist, so dass es unmöglich ist durchzukommen, um den Friedhof zu betreten. Nach meinem Besuch in Abtsdorf im Sommer 2014 konnte ich das nicht begreifen, dass eine sächsische Gemeinde in Siebenbürgen, in der ein geordnetes Leben in den Nachbarschaften herrschte, seine Kirche und die Gräber der Ahnen so vergessen kann. Deren Pflege sollte wohl das Mindeste unser aller Pflicht sein. Auch die Behörden, Dechanten und Pfarrer haben nur das eine Prinzip, die Pfarrhäuser, Schulen, Kirchengrund zu verkaufen, das Geld in die Kirchenkasse zu deponieren, statt wenigstens die Kirchen zu renovieren und zu erhalten. Abtsdorf gehört zur evangelischen Kirchengemeinde Agnetheln, die das Pfarrhaus verkauft und den Grund verpachtet hat. Das Geld liegt wohl in die Kirchenkasse und könnte für die Kirchenrenovierung eingesetzt werden, bevor es zu spät ist.

Agnethler und Abtsdorfer, ich rufe euch als Besucher auf: Vergesst eure Heimat nicht!

Martin Roth, Stuttgart

Stellungnahme des Pfarrers der Kirchengemeinde Agnetheln

Abtsdorf ist in der Tat ein ehemals deutsches Dorf in Siebenbürgen. Heute lebt in Abtsdorf lediglich noch ein evangelisches Gemeindeglied, der letzte Siebenbürger Sachse in Abtsdorf, auch er schon in fortgeschrittenem Alter, über 70. Dass es in einer solchen Situation nicht leicht ist, das Erbe unserer Vorfahren angemessen zu bewahren, muss, glaube ich, nicht ausdrücklich betont werden. Erhalt und Pflege von Kirche und Friedhof waren und sind eine Angelegenheit der gesamten Gemeinschaft bzw. Gemeinde. Doch leider leben die allermeisten Abtsdorfer heute nicht mehr in Abtsdorf, sondern in Deutschland. So ist es, wie in dem Artikel des verehrten Lesers Martin Roth festgehalten, neben unserer auch ihre Aufgabe, beim Erhalt von Kirche und Friedhof mitzuhelfen. Im Prioritätenplan des Pfarramtes Agnetheln und des sich konstituierenden Gemeindeverbandes der Gemeinden im Oberen Harbachtal für 2015 jedenfalls stand und steht Abtsdorf ganz oben auf der Liste. Wir bedauern hiermit ausdrücklich den im Artikel „Abtsdorf – für Besucher ein trostloses Bild“ festgehaltenen Zustand. Doch ist es uns wenigen, die wir noch hier leben, nicht möglich, all das, was zum Erhalt unseres Erbes ansteht, auf einmal zu erledigen. Um die Aufgaben, vor denen wir stehen, besser bewältigen zu können, wurde im Dezember 2014 in Agnetheln ein Verwalter für die Gemeinden des Oberen Harbachtales angestellt.

In den vergangenen Jahren war es möglich, in vielen Gemeinden des Oberen Harbachtales durch die tatkräftige Unterstützung der jeweiligen Heimatortsgemeinschaften, durch die Unterstützung des Landeskonsistoriums und des Bezirkskonsistoriums Hermannstadt, aber auch durch den Verkauf von Immobilien, die aus eigener Kraft nicht mehr verwaltet werden konnten, viel zu erreichen, um hauptsächlich die Kirchen zu erhalten und zu renovieren. Doch auch die Friedhofspflege nahm und nimmt immer noch einen hohen Stellenwert bei uns ein. Das gilt auch für Abtsdorf. So ist es dort etwa gelungen, durch erhebliche Anstrengungen die fast 40 Grabsteine, die nach der vor einigen Jahren stattgefundenen Vandalisierung des Friedhofs umgestoßen und zum Teil zerstört wurden, wieder aufzurichten. Leider macht es uns ein Teil der noch im Ort lebenden Dorfbevölkerung oft nicht leicht, Kirche und Friedhof in einem angemessenen Zustand zu erhalten.

Ich möchte mich an dieser Stelle bei allen HOGs der Gemeinden im Oberen Harbachtal und bei allen, die mitgeholfen haben und mithelfen, unsere Kirchen und Friedhöfe zu erhalten und zu pflegen für ihre Hilfe und Unterstützung bedanken. Ich hoffe für die Zukunft auch auf die Hilfe, Unterstützung und Mitarbeit aller Abtsdorfer, um auch dort die Kirche und den Friedhof in den Zustand zu bringen, wie man es von früher her kannte und gewohnt war.

Pfarrer Reinhardt Boltres, Agnetheln

Schlagwörter: Abtsdorf, Kirche, Renovierung

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Neueste Kommentare

  • 10.02.2015, 08:55 Uhr von Victor: Auf der einen Seite ist es gut, dass Siebenbürger Sachsen aus der Ferne ihr Heimatdorf bereisen und ... [weiter]

Artikel wurde 1 mal kommentiert.

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