15. März 2015

Frauen in Drabenderhöhe berichten über Russlanddeportation

13. Januar 1945 – Edith Foith ist 18, Rosa Hartig 20 und Martha Depner 22 Jahre alt. Sie wohnen in Zeiden und Heldsdorf, sind wohlbehütet bei den Eltern aufgewachsen. Im Morgengrauen stehen zwei bewaffnete Soldaten, ein Rumäne und ein Russe, in ihren Zimmern, treiben sie aus den Betten. Sie müssen sich anziehen, Lebensmittel für zwei Wochen, eine Decke, Geschirr und Bekleidung einpacken, werden aus den Häusern geholt, zu Sammelstellen und Bahnhöfen in Kronstadt und Hermannstadt gebracht.
„Wir wurden in Viehwaggons verladen und auch wie Tiere behandelt“, erzählen die Frauen, die heute 88, 90 und 92 Jahre alt sind und in Drabenderhöhe leben. „Diesen 13. Januar vor 70 Jahren werden wir nie vergessen.“

Zwei Wochen kauern sie bei klirrender Kälte in den Viehwaggons. Ahnen nicht, dass Endstation ein Arbeitslager in Parkomuna im Donbass ist. Die Essensvorräte sind aufgebraucht. „Wir haben Eiszapfen gelutscht, um zu überleben.“ Für die Notdurft schlägt ein russischer Soldat mit dem Beil mitten im Waggon ein Loch in den Boden. „Es war furchtbar. Wir haben Dinge gesehen, über die man nicht reden kann“, sagt Edith Foith, wischt sich Tränen aus den Augen.

Die Verschleppten waren am Ende ihrer Kräfte, als die Fahrt auf freiem Feld endet. Mit dem Koffer in der Hand werden sie bei Minustemperaturen über den frostigen Boden ins Lager getrieben, wo sie in feuchten Baracken von Wanzen und Metallpritschen ohne Stroh empfangen werden.

Rosa Hartig und Edith Foith müssen in Kohlegruben arbeiten, kriechen in Nebenschächte, schaufeln Kohle aufs Laufband, tragen Holzstämme und Schienen. Martha Depner wird am Hochofen eingesetzt, schleppt Formen, mit denen Blöcke für Panzerstahlplatten gegossen werden, bekommt für die Schwerstarbeit eine extra Ration Brot.

„Das Essen bestand aus Sauerkrautwasser, grünen Tomaten oder einer dünnen Graupensuppe. Viele von uns sind verhungert, sind vor Schwäche bei der schweren Arbeit umgefallen, blieben tot liegen. Für etwas Maismehl haben wir unser letztes Hemd verkauft.“ Rosa Hartig, die im Bergwerk Löcher in die Wände schießen muss, entdeckt, dass die Kabel ihrer Maschinen mit Baumwolle isoliert sind. Nach dem Schießen wickelt sie die Wolle ab, strickt davon mit den Frauen Unterwäsche.

Martha Depner und Edith Foith werden nach 22 Monaten wegen Krankheit aus dem Lager entlassen, kommen über Ost- nach Westdeutschland, leben seit 1966 in Drabenderhöhe. Rosa Hartig leistete Zwangsarbeit bis zur Auflösung des Lagers am 19. Dezember 1949. Gemeinsam mit dem Zeidner Arzt Dr. Erwin Mathias Reimer (1915-2000), der in Parkomuna die Kranken betreute, fuhr sie zurück in die siebenbürgische Heimat. 1980 kam sie nach Drabenderhöhe.

Dankbar erinnert sich Edith Foith an Dr. Reimer: „Er hat mir das Leben gerettet. Er bescheinigte mir TBC, so dass ich entlassen wurde. Er riet mir immer zu husten, wenn die russische Ärztin kommt.“

Ursula Schenker

Schlagwörter: Zeitzeugenberichte, Deportation, Drabenderhöhe

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