14. Juni 2015

MIDAS als Netzwerk für Ideenaustausch und Lobbying in Brüssel

Vom 14.-17. Mai fand im kroatischen Küstenort Opatija (deutsch Sankt Jakobi) die jährliche Versammlung der Vereinigung der europäischen Minderheiten-Tageszeitungen MIDAS statt, zu der auch deutschsprachige Tageszeitungen aus Italien, Dänemark und der Schweiz sowie die „Allgemeine Deutsche Zeitung für Rumänien“ gehören.
MIDAS besteht seit 2001 und wurde mit Hilfe der Europäischen Akademie in Bozen (EURAC) ins Leben gerufen. Diese begann 1992 als privater Verein und verfolgte das Ziel, Minderheitenforschung salonfähig zu machen. Heute fungiert sie als Freie Universität Bozen als mehrsprachige Forschungsinstitution. Die Themen zur Minderheitenforschung sind vielfältig und reichen von der ladinischen Sprache in den Dolomiten über Marketingkonzepte zu „Minderheiten als Standortvorteil“ für Wirtschaft und Tourismus bis hin zur Ausarbeitung eines Rechtswegs für Tibet zur Erlangung des Autonomiestatuts aufgrund der chinesischen Verfassung, einschließlich Beratung des Dalai Lama und Ausbildung von Funktionären der tibetischen Exilregierung in Verhandlungsstrategien.

Zur Idee eines Netzwerks für Minderheitenzeitungen kam es Mitte der neunziger Jahre. Der heute im MIDAS-Vorstand aktive Bojan Brezigar war damals in der einzigartigen Lage, gleichzeitig Chefredakteur der slowenischen Minderheitszeitung Primorski Dnevnik in Triest und Vorsitzender des ehemaligen Lobbybüros für Sprachminderheiten in Brüssel zu sein. Dies inspirierte ihn, auch Chefredakteure anderer Minderheitenzeitungen zu einer Diskussion einzuladen. EURAC sollte die Konferenz organisieren und wissenschaftlich begleiten.

Über die Motivation zur Gründung von MIDAS erklärt Präsidentin Edita Slezákova von der ungarischsprachigen Tageszeitung Új Szó in Preßburg (Bratislava): Über Minderheiten berichteten die Medien meist im Zusammenhang mit Problemen. MIDAS sollte daher eine Plattform bilden, die auch über das positive Potenzial der Minderheiten informiert und als europäische Vereinigung breiteres Gehör als einzelne Zeitungen findet, die Mitgliedern den Rücken stärkt und die EU darauf hinweist, dass Minderheitenzeitungen in Gefahr sind und als schützenswertes Gut betrachtet werden müssen. „Als Netzwerk haben wir bessere Chancen“, unterstreicht Generalsekretär Günther Rautz und nennt als Beispiel die Schließung einer baskischen Tageszeitung in Spanien vor etwa zehn Jahren, weil diese nach einem Bericht über die ETA die Quellen nicht offenlegen wollte. „Ohne MIDAS wäre der Vorfall ein rein spanisches Problem geblieben“, erläutert Günther Rautz. So aber hat man in Brüssel interveniert und außerdem die Informationen der baskischen Kollegen direkt an die Mitglieder weitergeleitet, so dass in allen Ländern berichtet wurde. Vor dem Europäischen Gerichtshof bekamen die Betroffenen schließlich Recht.

Ein weiterer Aspekt ist die Lobbytätigkeit in Brüssel, z.B. im Europäischen Parlament, wo es in der letzten Legislaturperiode immerhin fast 50 Minderheitenabgeordnete gab. Auch rechtliche Fragen lassen sich auf diese Weise klären. Zum Beispiel, ob eine geförderte Minderheitenzeitung mit angegliederter Druckerei Fremdaufträge übernehmen darf, ohne das Wettbewerbsrecht zu verletzten. „Hätte man dies negativ entschieden, wäre der Wegfall der Förderung für so manche Zeitung lebensbedrohlich geworden“, erklärt Rautz. Die Entscheidung aus Brüssel fiel salomonisch aus: Es muss nur das Verhältnis von Auftragsvolumen im Vergleich zur Förderung gewahrt werden. Weitere von MIDAS durchgeführte Aktionen sind Studienreisen für junge Journalisten in Minderheitengebiete, das Minderheiten-Fußballfest Europeade und die jährliche Vergabe zweier Journalistenpreise: des MIDAS-Preises und des Otto von Habsburg Preises. Kriterium für die Journalistenpreise sei eine über kulturelle Aktivitäten hinausgehende Berichterstattung, die eine Veränderung bewirkt, erklärt Edita Slezákova. Mit Letzterem, dem Otto von Habsburg Preis, wurde der kroatische Linguist Inoslav Bešker für seine langjährige publizistische Tätigkeit zugunsten eines besseren Verständnisses der Minderheiten ausgezeichnet.

Nina May

Schlagwörter: Journalismus, Minderheiten, Tagung, Europa

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