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7. April 2015

Verschiedenes

Wer sind wir? Beitrag zur Klärung der Identitätsfrage anlässlich öffentlicher Begriffsverwirrung

Sind wir Siebenbürger Sachsen Deutsche, Deutschstämmige oder gar Migranten mit deutscher Staatsangehörigkeit? Diese Frage stellt sich zurzeit immer dringender durch die Überflutung der heutigen Medienlandschaft mit dem Wort „Migration“ und dessen Abwandlungen, in einer Zeit, wo große Flüchtlingsströme sich über Europa und Deutschland ergießen. Im folgenden Beitrag greift Christian J. Hönig, Vorstandsmitglied des Hilfsvereins der Siebenbürger Sachsen „Stephan Ludwig Roth“ e.V., die Bezeichnungen, die für uns Siebenbürger Sachsen in den deutschsprachigen und internationalen Medien angewendet werden, auf, versucht, deren Aussagen zu klären und unseren Identitätsstatus in der Bundesrepublik Deutschland von heute kritisch zu hinterfragen. mehr...

Kommentare

Artikel wurde 9 mal kommentiert.

  • bankban

    1bankban schrieb am 07.04.2015, 08:25 Uhr (um 08:42 Uhr geändert):
    Vielen Dank für den interessanten Artikel, der zum Nach- und Weiterdenken animiert. Und mehr sowie Besseres kann man ja von einem Text nicht erwarten, nicht wahr?

    Ich finde es höchstgradig spannend, zu verfolgen, wie sich der Hönig windet und gegen jede andere Bezeichnung als "Aussiedler" oder "Deutscher" wendet. Dabei argumentiert er zum Einen ahistorisch, wenn er meint, dass "wir uns auch in der alten Heimat seit jeher zum deutschen Volkstum bekannten und weil durch Muttersprache, Kultur, Erziehung etc. diese erforderlichen Merkmale bei den Siebenbürger Sachsen in vollem Umfang vorhanden waren." Denn dieses "seit jeher" gilt allenfalls seit der Mitte/Ende des 19. Jahrhunderts - nachzuverfolgen in den Selbstbezeichnungen und Identitätsdiskursen der sächsischen Eliten. Im Übrigen erachteten diese die Sachsen in der frühen Neuzeit noch als Nachfolger der Goten... Also stimmt das mit "seit jeher" schon einmal nicht. Außerdem kennt jeder von uns die Unterschiede in der Sprache, der Erziehung usw., die uns von den Bundesdeutschen unterscheiden... Zum Anderen ist es interessant, zu sehen, wie Herr Hönig, nachdem er den Begriff "Migrant" vehement abgelehnt hatte, denn er würde die Sachsen den anderen (ganz eindeutig nichtdeutschen) Migrantengruppen gleichstellen, dennoch am Ende zugibt: "Freilich, bei näherer Betrachtung hat wohl fast jede deutsche Familie einen klitzekleinen „Migrationshintergrund“, auch wenn der schon einige Zeit zurückliegt..." Ja, was nun? Zuerst lehnt er den Begriff ab, dann gibt er zu, dass wir alle Migranten sind, auch die vermeintlich ureingeborenen Bundesdeutschen? Für mich ist das ein Widerspruch.
    Schließlich finde ich es ganz spannend, zu sehen, wie in diesem Artikel (wich auch in jenem von Herrn Schmidt im Februar) ganz eindeutig und offensichtlich Intellektuelle sich dazu aufschwingen, Identitäten zu definieren und zu bestimmen, d.h. Richtungen und Selbstverständnisse vorzugeben. Und ich frage mich bei Artikeln mit einem solchen Impetus: Wer gab oder gibt eigentlich der Person X oder Y das Recht, mir vorschreiben zu wollen, als was oder wen ich mich begreifen soll? Wer hat die Person dazu bevollmächtigt, an meiner Statt bestimmen zu wollen, wer ich zu sein habe? Haben nicht, gerade im letzten Jahrhundert, all diese Zuschreibungen durch Intellektuelle schon einmal unermessliches Leid verursacht? Warum darf nicht Lieschen Müller selbst entscheiden, ob sie sich als Banater Schwäbin, Aussiedlerin, Migrantin oder auch einfach nur als Mensch versteht und definiert?

    (Letzte Anmerkung: Die Häufung solcher Beiträge in der letzten Zeit verweist freilich darauf, dass zumindest die Autoren selbst eventuell ihrer Identität und ihrer Selbstverständnisses unsicher geworden sind bzw. dass sie fürchten, sie könnten ihre Definitionshoheit verlieren und abgeben - an Lieschen Müller und Max Mustermann).
  • orbo

    2orbo schrieb am 07.04.2015, 12:05 Uhr (um 12:22 Uhr geändert):
    Dieser Beitrag zur Klärung der Identitätsfrage anlässlich öffentlicher Begriffsverwirrung zeigt lediglich wie wirr die Vorstellung der eigenen Identität sein kann und wie dringend eine sachliche Auseinandersetzung damit ist. Das diesjährige Motto des Heimattages ist aktueller denn je!

    Es entsteht der Eindruck, dass die Veröffentlichung dieses Beitrags in der SbZtg der Tatsache geschuldet ist, das der Autor Vorstandsmitglied des Hilfsvereins der Siebenbürger Sachsen „Stephan Ludwig Roth“ e.V. ist. Aber ein Hinweis, dass die Meinung des Autors nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wiedergibt, entbindet die Redaktion nicht von der Verantwortung, solches Gedankengut zu verbreiten.

    Wer bei ca. 0,5% AsylANTRÄGE im Verhältnis zur Bevölkerung seit Beginn der Syrienkrise von „großen Flüchtlingsströmen“ spricht, die fast schon wie eine Gefahr „sich über Europa und Deutschland ergießen“, vergisst, dass z.B. der Libanon (liegt nicht in Europa, und ist halbsogroß wie Hessen) 25% Flüchtlinge der Gesamtbevölkerung aufgenommen hat. In bester AfD und PEGIDA-Rhetorik geht es weiter, wenn es heißt, dass „wohl fast jede deutsche Familie einen klitzekleinen „Migrationshintergrund“ hat, sozusagen einen Schandfleck im Stammbaum. Selbst die Willkommenskultur von Rumänen wird abgelehnt, wenn es heißt: „die Bezeichnung in einigen rumänischen Publikationen als „sașii noștri“ müssen wir dankend ablehnen!“ Dabei hat „sasii nostri“die Konnotation von „vecinii nostri“ und ist keineswegs vereinnahmend.

    Über die höchst problematische Wortwahl hinaus kann dem Beitrag auch fachlich keine „Klärung der Identitätsfrage“ abgerungen werden. Staatsangehörigkeit und Identität werden vermengt. Der Autor stellt zum einen fest: „Von Migration spricht man, wenn eine Person ihren Lebensmittelpunkt räumlich verlegt“. Obwohl das von ihm genannte Kriterium auf die ausgewanderten Siebenbürger Sachsen zutrifft, ruft er dazu auf, sich dagegen zu wehren, als Migrant bezeichnet zu werden. Schließlich seien wir ja Deutsche und keine „mittels heutiger Gesetzgebung zu Neu-Deutschen gewordenen“ ausländische Migranten, die sich über Europa und Deutschland ergießen...

    Selbstverständlich ist es wichtig, zwischen (Spät)Aussiedlern, Wirtschaftsflüchtlingen, Asylanten und EU-Bürgern, die ihren Wohnsitz z.B. aus Holland nach Deutschland verlagern, zu unterscheiden.

    Selbstverständlich sind wir in Rumänien aufgewachsen, selbstverständlich ist dieser „Tatbestand“ Teil unserer Identität, selbst wenn wir nicht stolz sind aus einem Land zu stammen, in dem jahrzehntelang eine kommunistische Diktatur nicht nur unsere (!) Menschrenrechte verletzt hat und in der postkommunistischen Zeit eine selbstherrliche politische Kaste Korruption als notwendiges Übel etabliert hat und einige von uns im Rahmen der Restitution ein zweites Mal enteignet worden sind.

    Selbstverständlich sind wir in erster Linie ganz einfach Siebenbürger Sachsen, wie sie 1919 der rumänische Historiker Nicolae Iorga als Mitherausgeber eines Büchleins beschrieben hat, auch wenn sich die Zeiten geändert haben, wir in Deutschland und damit nicht mehr in Siebenbürgen leben. (Und daher ist auch der Standpunkt abzulehnen, dass man nur dann Siebenbürger Sachse sei, wenn man in Siebenbürgen lebt.)

    Ich kann nur hoffen, dass sich die Redaktion von diesem Artikel klar distanziert.
  • Bloch

    3Bloch schrieb am 07.04.2015, 13:46 Uhr:
    Sehr interessant, danke!
    Băiat bun domnu' Hönig, sas de-al nostru.
  • Äschilos

    4Äschilos schrieb am 07.04.2015, 15:36 Uhr:
    So wie wir hierzulande von "unseren Türken" sprechen, können die Rumänen dortzulande auch getrost von "unseren Sachsen" sprechen
  • Manfred Sifft

    5Manfred Sifft schrieb am 01.05.2015, 13:51 Uhr:
    Ja, nach dem Grundgesetz sind wir Deutsche, aber in der Schule gibt man den Kindern eine Bröschüre mit nach Hause, wo erklärt wird, dass alle Eingereisten bis zur fünften Generation mit "Migrationshintergrund" sind. Was glauben nun die Leute, die Wahrheit oder das was am meisten gesagt wird? Leider nehmen wir Menschen das für wahr, was am meisten wiederhohlt wird. Fakt ist, dass die Medien andauern den "Migrationshintergrund" herunterleiern.
  • getkiss

    6 • getkiss schrieb am 01.05.2015, 21:47 Uhr:
    "Wer gab oder gibt eigentlich der Person X oder Y das Recht, mir vorschreiben zu wollen, als was oder wen ich mich begreifen soll? Wer hat die Person dazu bevollmächtigt, an meiner Statt bestimmen zu wollen, wer ich zu sein habe?"

    Das gilt m.E. nicht nur für den Autor.
    Auch für Journalisten oder das statistische Bundesamt.
    Es gibt ein Unterschied zwischen Staatsangehörigkeit und Nationalität. Der ganze Wirrwarr entstand, weil entsprechend heutigem Sprachgebrauch die Tendenz besteht sich verkürzt auszudrücken. Also sagt man nicht "deutscher Staatsangehöriger türkischer Nationalität" sondern z. Bsp. "Deutschtürke". Und dann weis man eben nicht mehr, ist es ein Deutscher aus der Türkei, oder ein Türke aus Deutschland .....

    Der Siebenbürger Sachse Hönig ist entgegen seiner Beteuerung "wir uns auch in der alten Heimat seit jeher zum deutschen Volkstum bekannten und weil durch Muttersprache, Kultur, Erziehung etc. diese erforderlichen Merkmale bei den Siebenbürger Sachsen in vollem Umfang vorhanden waren." ist nicht in einer deutschen Familie im Sinne der Deutsch-sprachigkeit geboren, das Idiom dass er als erstes lernte war eine rudimentär alter deutscher Dialekt, gemischt mit vielen fremdsprachigen Begriffen aus rumänischer oder ungarischer Sprache. Die deutsche Sprache ähnlich der heute in Deutschland gesprochenen lernte er erst in der Schule. Er "wurde mit der Zeit" deutscher.

    Es sei ihm aber unbenommen sich als solcher zu bezeichnen, im Sinne des am Anfang erwähnten Zitats.
  • harryweinford

    7harryweinford schrieb am 02.05.2015, 12:40 Uhr (um 12:46 Uhr geändert):
    Hallo,
    Wirrwarr ist es nicht(mehr)wie es Kommentar 6 beschreibt! Die Gleichsetzung zwischen Staatsbürgerschaft und Nationalität setzt sich immer mehr durch. Sogar in Rumänien spricht man von Rumänen ungarischer Ethnie, oder ungarischer wurzeln oder Herkunft oder andere Aliterationen die im Westen gebräuchlich sind. Dies bei einer starken Volksgruppe die früher als mitwohnende Nationalität bezeichnet wurde. Die Roma werden natürlich auch heute als Roma bzw. Zigeuner bezeichnet, früher "andere Nationalitäten". Den Hauptgrund der Gleichsetzung, ich gehe fest davon aus, dass er in Frankreich entstand sehe ich als Konzession an die Einwanderer, als Edelgeste, damit keine Ausgrenzung stattfindet. In dieser hoch emotionalen Gemengelage, kann man Staat und Gesellschaft nicht gleichsetzen. Gesetze, Bezeichnungen bringen nicht die gewünschten Effekte! Frankreich, dass meint die Demokratie mit dem Löffel gefressen zu haben ist ein Beispiel, dass Einwanderungspolitik eher schlecht funktioniert. In 2 Punkten gebe ich dem Kommentar 6 recht:
    1) Niemand hat das Recht Nationalitäten zu verteilen wie zB. Gummibären.
    2) Wenn schon Wirrwarr, dann ist es auch auf den Bundesvorsitzenden zurückzuführen der mit doppelter Staatsbürgerschaft in den Bundestag einzog. Er mag sich zwar als Siebenbürger Sachse bekennen, aber er wird als Rumäne, Deutsch- Rumäne usw. bezeichnet. das ist heutzutage anscheinend der notwendige Opportunismus um persönliche Ziele zu erreichen. Ich kann jedem in Deutschland oder Österreich lebenden Siebenbürger Sachsen raten: lasst eure kinder rumänisch lernen. Schaffen sie es nicht in den Bundestag bleiben noch andere Möglichkeiten, Abgeordneter im rumänische Parlament, rumänischer Abgeordneter im Europaparlament usw. Jorgo Chatzimakakis (FDP- Deutschland) lässt grüssen
  • Robert

    8Robert schrieb am 03.05.2015, 13:13 Uhr:
    "Wir sind eine andere Art Minderheit als etwa die Deutschen in Polen oder die in Brasilien. Weder haben wir jemals als Kollektiv territorial zu Deutschland gehört, noch sind wir jemals in Rumänien eingewandert.
    Wir sind weder eine Grenzlandminderheit noch eine Zuwanderungs-Minderheit. Unsere deutsche Identität ist nicht vom Staate Deutschland her abgeleitet, sie ruht, weil sie kultureller Art ist, sozusagen in sich selbst, ist also quasi eigenständig.
    Wir sind Deutsche durch unsere eigene gemeinschaftliche deutsche Existenz, nicht, weil wir aus Deutschland stammen. Auch waren wir als soziale bzw. als politisch geformte Gemeinschaften schon da, als der Staat Rumänien erst im Entstehen war.
    Wir sind älter als der Staat Rumänien. Wir gehören zu den Bauelementen dieses Staates Rumänien.
    Wir sind autochthon. Das ist eine der besonderen Grundlagen für unsere Ansprüche, ist aber auch eine Basis für unsere Pflichten gegenüber diesem Land, zu dem wir von Anfang an gehören.
    Wir sind froh, wenn das überall so anerkannt ist, dass wir es gar nicht mehr betonen müssen. Dass wir dabei zahlenmäßig in der Minderheit sind, ist dann eigentlich sekundär.
    Aber diese Minderheitensituation ist einer der Gründe dafür, dass die Erhaltung unserer deutschen Identität absolut nicht mehr eigenständig ist, sodass wir darauf angewiesen sind, dass sie von außen gestützt wird. Auf diese Stützung von außen haben wir, meine ich, seit den Ereignissen des Zweiten Weltkriegs auch einen Anspruch. Aber dafür, dass wir auch wirklich gestützt werden, sind wir allen unseren Partnern auch sehr dankbar."

    Quelle: ADZ
    Als Minderheit wahrgenommen werden.
    Wort des Ehrenvorsitzenden des DFDR, Prof. Dr. Paul Philippi, auf der Vertreterversammlung am 18. April 2015 in Hermannstadt
    http://www.adz.ro/artikel/artikel/als-minderheit-wahrgenommen-werden/
  • Äschilos

    9Äschilos schrieb am 03.05.2015, 15:49 Uhr:
    Ja, das ist eine korrekte Einordnung der Siebenbürger Sachsen ("wir"), die nicht ausgewandert sind.

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