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Deportation: Kohle, Kraut und Krankenrevier

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Autor Thema:   Deportation: Kohle, Kraut und Krankenrevier
Harald
Moderator

Beiträge: 9
Von:D-71334 Waiblingen
Registriert: Jan 2001

erstellt am 06.02.2002 um 11:36 Uhr          Beitrag editieren/löschen   Antwort mit Zitat
Kohle, Krautsuppe und Krankenrevier

Angeregt durch den Erlebnisbericht von Anna Ohnweiler über die Deportation von Frau Agnetha habe ich mich entschlossen, aus meinem persönlichen Erleben auch etwas zu diesem Thema beizutragen.

Im Januar 1945 bin ich als siebzehnjähriger Schüler während einer nächtlichen Razzia in Schässburg ausgehoben worden. Zusammen mit hunderten von Schicksalsgenossen aus Schässburg und Umgebung wurden wir in Viehwaggons zu jeweils 50-60 Personen zusammengepfercht. Durch den Predeal-Pass über die Karpaten in die Große Walachei, Moldau und Bessarabien ging unsere Fahrt bei grimmiger Winterkälte in die Einöde der ukrainischen Steppe. Verpflegung für 2 Wochen hatten wir uns mitgenommen, Trinkwasser lieferte uns der reichlich vorhandene Schnee, den wir uns bei gelegentlichen Halten neben den Gleisen her holen durften. Die Wasserversorgung funktionierte einigermaßen, so lange das Kanonenöfchen in der Waggonmitte dürftig beheizt werden konnte, um die Schneeschmelze zu ermöglichen. Bloß als das Holz zur Neige ging, musste das Trinkwasser rationiert werden. Zum Waschen war natürlich kein Wasser verfügbar. Die ganze Fahrt über kamen wir nicht aus den Kleidern. Da wir oft stunden- und gar tagelang auf totem Bahngleis stehenblieben, um den zur Front fahrenden Zügen Vorfahrt zu geben, zog sich die Fahrt bis zum Bestimmungsort über 17 Tage hin und noch vor unserer Ankunft begannen sich unter der verschmutzten Wäsche die ersten Läuse zu regen.

Am 2. Februar wurden wir schließlich im Steinkohlengebiet des Donezbeckens („Donbass“ ), nahe vom damaligen Stalino (heute: Donezk) auswaggoniert und in einem Barackenlager untergebracht. Rjasnaja hieß die Bergbausiedlung, wo das Lager für uns improvisiert worden war. Bei einer aus Salzwasser und Kraut, grünen Tomaten oder Gurken gekochten Suppe und einer nach Schwierigkeitsgraden der Arbeit streng bemessenen Ration schwarzen klebrigen Roggenbrotes verrichteten wir in der Kohlengrube unser „Wiederaufbauwerk“. Hunger und physische Belastung waren dabei natürlich erheblich, doch richtig unerträglich war für uns die völlige Ungewissheit über unsere weitere Zukunft. Niemand konnte uns sagen, wie lange unser Martyrium dort dauern sollte: 5 Jahre, 10 Jahre oder lebenslänglich.

Ich selber erkrankte während der Arbeit sehr bald an Amöbenruhr und kam ins Krankenrevier. Durch den hohen Blutverlust und die völlige Entwässerung magerte ich in kurzer Zeit bis auf Haut und Knochen ab. An der gleichen Krankheit, gepaart mit Hungerödemen, starben in unserem Lager im Frühjahr 1945 von 800 etwa 200 Insassen. Täglich wurden in der Zeit auf einem zweirädrigen Karren steif gefrorene Leichen aus dem Lager gefahren und in einer Grube anonym nebeneinander verscharrt. Die meisten stammten aus Polen und Ungarn, ältere Männer, die vor dem Eindringen der Roten Armee hinter der Front Schützengräben ausgehoben hatten und von den Russen überrollt und eingefangen worden waren.

Ohne jegliche medikamentöse Behandlung, war ich lediglich auf die strenge Diät angewiesen, die ich mir selber auferlegt hatte: ich mied die Kraut- oder Gurkensuppe, und zur Aufrechterhaltung des Wasserhaushalts trank ich „Krustenkaffee“, den ich mir aus verkohlten Brotschnitten kochte. Ansonsten bestand meine Ernährung hauptsächlich aus gedörrtem Brot. Damit konnte ich zwar den blutig-wässerigen Durchfall stoppen, keineswegs aber mein Körpergewicht wieder herstellen. Ich wurde „Dystrophiker“, somit also zu keiner Arbeit mehr nütze. Zur Beurteilung meiner Arbeitsunfähigkeit kam ich vor eine ärztliche Kommission, wobei mich eine Ärztin durch Befühlen meiner restlichen Beinmuskulatur als „noch nicht genügend abgemagert“ befand, um mich einem Krankentransport zuweisen zu können. Erst eine zweite Kommission erklärte mich für endgültig arbeitsunfähig und setzte mich auf eine Heimtransportliste.

Allerdings dauerte es von August bis gegen Ende November, bis dieser Transport zusammengestellt war. Als wir – natürlich wieder in Viehwaggons – verfrachtet wurden, fielen bereits die ersten Schneeflocken.
Unterwegs war die Verpflegung allerdings deutlich besser als während unserer Lagerzeit: Es gab täglich zweimal warme Suppe, in der sogar einige Kartoffelstückchen schwammen.

Unsere Rückfahrt ging durch die nördliche Ukraine und Weißrussland nach Nordrumänien. In Sighetul Marmaþiei war ein Auffanglager. Dort wurden wir entlaust, gebadet und registriert. Auf Grund einer schriftlichen Erklärung, die wir abgeben mussten, erhielten wir nach 5 Tagen unsere Entlassungsscheine und wurden in einen Personenzug beordert, der uns nach Großwardein bringen sollte. Da jedoch damals noch keine direkte Verbindung zwischen Sighet und dem rumänischen Binnenland bestand, führte uns der Zug (o Graus!) erneut auf sowjetisches Gebiet, durch die vorherige Tschechoslowakei, bis zur Endstation des russischen Gleises. Hier durften wir den Zug verlassen und in einer Doppelreihe zu Fuß über die sowjetisch-rumänische Grenze pilgern, wobei wir sowohl von den russischen als gleich darauf auch von den rumänischen Grenzern abgezählt wurden. Es war also eine Stückzahlabfertigung, ohne individuelle Überprüfung. Dann stiegen wir zum ersten Mal wieder in einen rumänischen Personenzug ein. Inzwischen hatte es heftig geschneit und die Fahrt von der Grenzstation Halmeu nach Großwardei dauerte wegen Schneeverwehungen 2 Tage. In Großwardein wurden wir weitere 2 Tage lang vom Roten Kreuz ordentlich verpflegt, bis endlich wieder ein Zug in Richtung Südosten fahren konnte. Doch mitten in der Nacht musste der Zug in Teius der angehäuften Schneemassen wegen endgültig anhalten. Wir stiegen aus und mit den übrigen Fahrgästen humpelte ich am Stock durch die Kälte in den beheizten, überfüllten Wartesaal. Hier wurde mir schwarz vor den Augen und nur durch die tatkräftige Stütze eines älteren Kameraden blieb ich auf den Beinen. Dabei hörte ich aber deutlich, wie jemand in meiner Nähe sagte: „Ãla moare pânã acasã.“ (Der stirbt bis nach Hause.) Diese bedrohliche Äußerung riss mich aus der Ohnmacht wieder ins volle Bewusstsein zurück, denn sterben wollte ich nun wirklich noch nicht.

Der glückliche Zufall fügte es, dass ich am nächsten Tag schon in einem Kleintransporter mit einigen anderen Kameraden bis Schässburg fahren konnte. Mit dem Linienbus ging’s dann weiter nach Reps, von wo mich ein bekannter Bauer mit seinem Pferdefuhrwerk nach Hamruden, dem Wohnort meiner Eltern, mitnahm.

Der größte Teil der übrigen Deportierten aber musste noch nahezu 5 Jahre ausharren, bis endlich auch sie nach Hause entlassen wurden...

Dieses war ein kurzer Tatsachenbericht über meine Verschleppung. Wer sich ausführlicher darüber informieren möchte, hat dazu Gelegenheit in der Webseite http://www.siebenbuerger.de/sbz/landundleute/zeitzeugen1.html

Harald Lienert

[Dieser Beitrag wurde von Harald am 06.02.2002 editiert.]

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