Kulturelle Schizophrenie ?- auf der Suche nach Identität.

Um Beiträge zu verfassen, müssen Sie sich kostenlos registrieren bzw. einloggen.

grumpes
schrieb am 04.11.2010, 22:34 Uhr (am 04.11.2010, 22:43 Uhr geändert).
Überall auf der Welt, vor allem in Großstädten, gibt es kleine Viertel von Einwanderern.Sie wollen meistens unter sich bleiben und Ihre Traditionen leben und behalten.
Vergleichbar mit unseren Sachsen in Rumänien.
Nach unserer Auswanderung gefällt es vielen von uns in ebensolchen "Gettos" in Deutschland zu leben. Irgendwo unverständlich, wir sind als "Deutsche" bei den "Deutschen" angekommen. Woran liegt es, dass viele von uns diese Lebensweise trotzdem bevorzugen ?
Gruß
grumpes
pavel_chinezul
schrieb am 05.11.2010, 07:26 Uhr
@grumpes

ist das so? Ich kenne nur die Drabenderhöhe bei Gummersbach (NRW) und Seelbach bei Haiger (Hessen) als größere zusammenhängende Siedlungsgebiete von Soxen. Hast du zu diesem Thema mehr Infos?
Henny
schrieb am 05.11.2010, 07:38 Uhr (am 05.11.2010, 07:40 Uhr geändert).
ist das so? Ich kenne nur die Drabenderhöhe bei Gummersbach (NRW) und Seelbach bei Haiger (Hessen) als größere zusammenhängende Siedlungsgebiete von Soxen. Hast du zu diesem Thema mehr Infos?
Das sind die bekanntesten. Regensburg, Nürnberg und München wären noch erwähnenswert. Nicht als "Siedlungsgebiete" sondern an "Masse" von Sachsen auf einem Haufen.

"Mer wallen bleiwen wot mer sen"- ist der Slogan der Sachsen schon seit Jahrhunderten. Er wird es auch ne Weile bleiben, zumindest bis in die zweite Generation unserer Nachkommen. Irgenwann wird es sich verlieren in der Geschichte der Zeit, das Sachsentum so wie wir es kennen und leben!

Geaden Morjen waingscht det Henny.
gerri
schrieb am 05.11.2010, 08:58 Uhr (am 05.11.2010, 09:08 Uhr geändert).
Guten Morgen grumpes,die Frage ist berechtigt weil die Sachsen sich suchen, ein bischen versuchen sich einzuigeln.
Wenn die "Reichsdeutschen" auf Besuch kamen oder man machte Bekanntschaften im Urlaub,da gab es keine Unterschiede,beim lachen und feiern.
Hier angekommen in Deutschland,hat man ein anderes Gefühl gehabt,man war nicht Zuhause es war schon anders,nicht mit Halli-Hallo empfangen.
Mentalitäts-Unterschied sagt man,das tägliche Leben bringt Sorgen in den Alltag es war dennoch fremd irgendwie.
Eine jede Familie hat es auf ihre Art geschafft,die Kinder hatten es am Anfang nicht leicht in der Schule mit dem Anschluß, Freundschaften halfen dann weiter.Wegen den vorhandenen Unterschieden,kann die dritte Generation also die Enkelkinder Einheimische heiraten ohne das es wesentliche Schwierigkeiten gibt,bis dahin könnte das Anpassungsprojekt gelungen sein.Wir haben dennoch weit weg von einander gelebt,soviel Jahrhunderte,das hat beide Seiten geprägt.Wir sind gekommen und müssen uns anpassen,vielen fällt das nicht leicht weil sie zuhause ihr kleines Reich hatten,wo sie der eigene Herr waren.
Ich spreche aus Erfahrung,sicher denken Manche sie seien Ausnahmen,das ist aber nur ein Wunschdenken.

Gruß, Geri
Shimon
schrieb am 05.11.2010, 09:10 Uhr (am 05.11.2010, 09:11 Uhr geändert).
Wikipedia:
„Ein Ghetto oder Getto war früher ein bestimmtes Stadtviertel, in dem Juden gezwungen waren, zu leben. Heute bezeichnet der Begriff allgemein Stadtviertel, in denen vorwiegend bestimmte Bevölkerungsgruppen leben, insbesondere soziale Randgruppen. Übertragen findet er auch ohne direktem räumlichen Bezug im Diskurs um abgrenzbare soziale Strukturen (Subkulturen, Soziale Netzwerke) Anwendung.“

Da ich Bekannte und Freunde sowohl in Haiger-Seelbach als auch in Drabenderhöhe habe, möchte ich hiermit behaupten, dass die Umstände der hier lebenden Sachsen, nicht zu der oben angeführten Definition von Ghetto passend sind.
Die Sachsen in diesen Ortschaften wurden nicht gezwungen sich hier anzusiedeln, noch grenzen sie sich von den Deutschen ab.
pavel_chinezul
schrieb am 05.11.2010, 09:27 Uhr
Ghetto war eigentlich eine Insel in einem Stadtteil Venedigs, wo die jüdische Bevölkerung dieser Stadt hinter Mauern leben musste, daher der spätere Sammelbegriff.

Tut mir leid, aber ich sprach von größeren zusammenhängende Siedlungsgebiete und keine Ghettos.
walter-georg
schrieb am 05.11.2010, 09:27 Uhr (am 05.11.2010, 09:29 Uhr geändert).
@ grumpes: Irgendwie stört mich der Ausdruck. Sich abkapseln heißt doch nicht gleich schizophren zu sein. Dahinter stecken oft Traditionen, religiöse Denkweisen u.v.a.m.

Ich z.B. habe in den ersten Jahren nach meiner Ankunft in der "neuen Heimat" wiederholt versucht engere Kontakte zu Einheimischen herzustellen. Sie sind alle gescheitert. Oberflächlich kann man sich gut verstehen, aber wenn man ins Detail geht, merkt man die Unterschiede. Wir kommen halt aus einer anderen Welt, sind anders erzogen worden und haben demzufolge auch andere Denkweisen. Da bleibt man schon lieber unter Seinesgleichen.

Sicher kann Abkapselung zu bedrohlicher Isolierung führen, sodass schließlich daraus Parallelgesellschaften entstehen, doch dies ist ja bei unseren Sachsen nicht der Fall. Ist doch schön, wenn sie sich treffen, ihre Kultur pflegen und über alte Zeiten sprechen. Lange dauert das eh nicht mehr...
slash
schrieb am 05.11.2010, 10:33 Uhr (am 05.11.2010, 10:40 Uhr geändert).
Egal ob Gummersbach oder München, unsere Eltern und Großeltern werden im Herzen für immer in Siebenbürgen "daheim" sein...
Da meine Generation hier auch städteübergreifenden Kontakt hält, denke ich, daß es die Menschen sind, und weniger das Land, die einen verbinden. Darauf lassen auch die schrumpfenden Besuche der alten Heimat schließen.
Mein persönlicher Eindruck: Die heranwachsende Generation, die hier geboren ist, fühlt sich - berechtigt - als Deutsche und nicht als Sachsen.
Mit etwas gegenseitigem Respekt und Toleranz muß man nicht unter Seinesgleichen bleiben...
Mynona
schrieb am 05.11.2010, 11:19 Uhr
Ich denke das Problem vieler sieb.Sachsen wird auch sein ,dass sie nicht als Deutsche wargenommen worden sind von den Einheimischen und mit anderen Ausländern in einen Topf geworfen wurden.Ich weiß von meinem Onkel der schon 10 Jahre hier lebte,integriert war....er wurde immer noch "der Rumäne"genannt.Das hat viele verletzt.Viele hier haben auch keine Ahnung von Geschichte oder Geografie ;-)Wie oft hat meine Mutter zu hören bekommen:"ach ja,aus dem Siebengebirge kommen sie,ist ja nicht so weit weg hier..."
Desweiteren sprechen auch viele sieb.Sachsen ein doch sehr sächsisch angehauchtes Deutsch....alles Gründe wieso man doch lieber unter seinesgleichen bleibt,die Mentalität ist auch recht verschieden usw.Es gibt einfach viele Gründe,grad bei der älteren Generation.
Bei mir war es eher andersrum,ich war das "schwarze Schaf"unter den Sachsen,schon in Ru und hatte auch nie irgendwelche Probleme.
slash
schrieb am 05.11.2010, 12:33 Uhr (am 05.11.2010, 12:34 Uhr geändert).
Mynona, Sie schreiben: "sehr sächsisch angehauchtes Deutsch", "die Mentalität ist auch recht verschieden" und erwähnen, daß es noch viele Gründe bei der älteren Generation gäbe.
Sind dieses nicht wiederum Gründe, die vielleicht erklären waurm "sie nicht als Deutsche wargenommen worden sind von den Einheimischen und mit anderen Ausländern in einen Topf geworfen wurden."?
Der Ausländertopf, in den ich sogar von Ausländern selber reingeworfen werde, hat auch etwas Befreiendes. Anderssein, nicht deutscher als der Deutsche sein zu wollen, läßt trotzdem das Gefühl zu, in dieser Gesellschaft - mit all dem Positiven sowie Negativem - sich voll integriert zu fühlen.
seberg
schrieb am 05.11.2010, 12:35 Uhr
@Mynona: wenn ich es recht überlege, dann hat sich also bei dir – aus welchen Gründen auch immer – schon in Rumänien so etwas wie ein beginnender Identitäswandel weg vom „Sächsischen“ vollzogen, bzw. dann warst du schon dort mehr als andere Sachsen/Sächsinnen auf der „Suche nach Identität“, oder, um es in den drastischen und abwertenden Worten von grumpes zu sagen: du hast schon in Rumänien an einer ‚kulturellen Schizophrenie’ „gelitten“ und hattest/hast deswegen hier weniger Schwierigkeiten (dass du aber dort wie hier als „schwarzes Schaf“ "nie irgendwelche Probleme" hattest, ist jedoch eher zu bezweifeln).

Ungerecht und deplaziert finde ich die doch sehr abwertende Bezeichnung 'Schizophrenie' deswegen, weil kulturell Neues und Anderes immer und nur aus einer solchen ‚schizophrenen’ Situation heraus entsteht, bzw. immer aus einem „Weg“ von etwas und hin zu etwas anderem. Kultur, bzw. das, was man so nennt, ist ohne Unbehagen sowohl als Entstehungs-Ursache, als auch als Wirkung durch sie und in ihr – nicht denkbar. Nur untergehende Gruppen wie die S.Sachsen meinen, sich in den traditionellen Werten ohne Wandlung ewig wohl fühlen zu können, ja es zu müssen... eine Art Selbstbetrug. – Zum „Unbehagen in der Kultur“ ist immer noch der gleichnamige Aufsatz von S.Freud zu empfehlen... (wenn schon ein anderer Heilsverkünder hier immer wieder die Bibel empfiehlt! )
Mynona
schrieb am 05.11.2010, 13:31 Uhr
@slash,mit Sicherheit sind es auch diese Probleme warum sie nicht als Deutsche wahrgenommen werden.Wenn denn der Kontakt mal da ist.Aber im Vorfeld wissen eben auch viele gar nichts mit Siebenbürgen anzufangen,habe null Ahnung dass es da überhaupt eine deutsche Minderheit gibt.Wenn dann die Frage kommt wo denn genau Siebenbürgen sei und die Antwort ist:Ru,dann haben eben die meisten ein festgefahrenes Bild eines "dritte Welt"Landes.

Aber wie schon von dir gesagt,die hier geborene Generation wird sich einfach deutsch fühlen.
Mynona
schrieb am 05.11.2010, 13:49 Uhr
@seberg,ja,könnte man so sagen,bei mir gab es schon in Ru so etwas wie eine ‚kulturellen Schizophrenie’.Als "schwarzes Schaf"hab ich dort natürlich nicht voll reingepasst.Das fing schon damit an dass ich nur deutsch gesprochen habe,sächsisch spreche ich sehr schlecht.Das stößt dann schon auf Wiederstände("wieso spricht das Kind nicht sächsisch,sie ist doch eine Sächsin,sie muss das können....") und überhaupt ,wenn man der Reihe tanzte wurde das nicht gern gesehn.
Ich habe mir aber schon früh eine Welt vorstellen können die den engen Rahmen des "Sächsischseins"gesrengt hat.

Hier habe ich allerdings nie Probleme gehabt.Weder in der Schule noch nachher.Meine Freunde sind sehr international, ich wurde komischerweise nie gefragt woher ich komme.

Die Frage stellt sich wie Werte bestehen können wenn sie sich wandeln müssen?

Es wundert absolut nicht dass die meisten Ausgewanderten immer noch Siebenbürgen als ihre Heimat sehn und nicht D.

dazu recht gut passend:

http://www.heimat.de/home/illyria/punime_studente/A_Coli_2.pdf
Joachim
schrieb am 05.11.2010, 13:56 Uhr
slash schrieb:
"Sind dieses nicht wiederum Gründe, die vielleicht erklären waurm "sie nicht als Deutsche wargenommen worden sind von den Einheimischen und mit anderen Ausländern in einen Topf geworfen wurden."?
Der Ausländertopf, in den ich sogar von Ausländern selber reingeworfen werde, hat auch etwas Befreiendes. Anderssein, nicht deutscher als der Deutsche sein zu wollen, läßt trotzdem das Gefühl zu, in dieser Gesellschaft - mit all dem Positiven sowie Negativem - sich voll integriert zu fühlen.
Bei Dir mag das so sein slash "nicht deutscher als der Deutsche sein zu wollen". Deshalb fällt es Dir leichter.
Bei den meisten Siebenbürgern glaubt man aber, das es genau umgekehrt ist. Und das macht ihnen das leben hier unnötig schwer.
Gruß
Joachim
pavel_chinezul
schrieb am 05.11.2010, 16:34 Uhr
Wundert es euch, dass es zu, jetzt mal überspitzt gesagt, "Ghetto"-Bildung der Volksdeutschen kam? Guckt ihr mal hier.

Nach
der Niederlage des NS-Regimes wurden weiterhin
völkisch orientierte Forschungsprogramme in
modifizierter Form und am Gegenstand der deutschen
Flüchtlinge und Vertriebenen weiterentwickelt,
wobei der Begriff „völkisch“ dazu diente,
„fremde“ Bevölkerung gegenüber der „eigenen“
Gruppe abzugrenzen. Das führte zu dem Zwiespalt,
dass einerseits die Integration der Vertriebenen
ermöglicht werden sollte, andererseits aber
für den Fall einer Revision des Potsdamer Abkommens
ihr Gruppenzusammenhalt zur Instrumentalisierung
als demographische Ressource gewahrt
werden musste. Für Letzteres zeichnete explizit
eine Arbeitsgruppe unter Max Hildebert Boehm
und Eugen Lemberg verantwortlich, die die Bildung
von „Landsmannschaften“ vorschlug. Erst in
den 80er Jahren setzte in der Bundesrepublik ein
paradigmatischer Wandel ein, der die Bearbeitung
bevölkerungswissenschaftlicher Fragen unter ausschließlich
völkischen Gesichtspunkten beendete.
Die geglückte Integration der Vertriebenen war jedoch
das Resultat eines Zwangs zur Anpassung an
bestehende Verhältnisse.


http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/index.asp?id=214&view=pdf&pn=tagungsberichte


Um Beiträge zu verfassen, müssen Sie sich kostenlos registrieren bzw. einloggen.