Wie ist der "Kirchenpelz" entstanden?

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getkiss
schrieb am 14.06.2012, 10:44 Uhr
...der obligatorisch zum Kirchgang gehörte.
Und warum tragen den sächsische Frauen in Deutachland nicht mehr, außerhalb Pfingsten in Dinkelbühl?
Angst vor den Tierschützern?
gerri
schrieb am 14.06.2012, 16:24 Uhr (am 14.06.2012, 16:29 Uhr geändert).
@ Auf diese Frage hätte man als Erwachsener ja gut verzichten können,aber als Information,es gibt einmal im Jahr in verschiedenen Ortschaften in Deutschland siebebürgisch sächsische Gottesdienste.Gehalten von siebenbürgischen Pfarrern im originellen Ornat und da sind die Landsleute zum Gottesdienst womöglich in Tracht erwünscht.
Ansonsten geht die Bevölkerung außer an Feiertagen und in kleinen ländlichen Gemeinden nicht in Tracht und da wollen wir ja keine Exoten sein und die Schönheit unserer Trachten nicht lächerlich machen.

Und nun zur eigentlichen Frage,die Entstehung,kann ich mir nur so erklären da es in unseren meist großen Kirchen zimlich kalt war,das lange sitzen ungemütlich bei kälte und ein Nickerchen konnte man bei niedrigen Themperaturen auch nicht machen.Da war ein Pelz grad das richtige.
Brombeer
schrieb am 14.06.2012, 16:37 Uhr
gerri schrieb:

. . . kann ich mir nur so erklären da es in unseren meist großen Kirchen zimlich kalt war,das lange sitzen ungemütlich bei kälte und ein Nickerchen konnte man bei niedrigen Themperaturen auch nicht machen.

schade, wo doch der Kirchenschlaf einer der gesündesten ist . . . sagt man. :-)

getkiss
schrieb am 14.06.2012, 17:39 Uhr
wollen wir ja keine Exoten sein und die Schönheit unserer Trachten nicht lächerlich machen

Da hat man´s. Lanciere ich einen Strang um keine Streiterei mehr zu haben, schon beginnt es von neuem. Wieso ist die Tracht der Bayern akzeptiert und wieso wäre die der Siebenbürger nicht?
Tragt die Tracht erhobenen Hauptes, dafür muss man sich nicht schämen!
Was sagen die Vereinstrachtler dazu? Wieso noch kein Beitrag, schimpf?
gerri
schrieb am 14.06.2012, 19:49 Uhr
@Hallo getkiss schür nicht,ich habe gemeint das unsere Tracht nicht jeden Tag getragen wird,dafür ist sie zu kostbar,sondern nur an Feiertagen.
Wenn du es machen willst bitteschön,da hält dich Niemand auf.
siebenschläfer
schrieb am 14.06.2012, 19:59 Uhr
Ein gute Erklärung zum Kirchenpelz gibt das Museum Kunst und Kultur Berlin-Dahlem:

Ein Kirchenpelz aus Siebenbürgen

„Kirchenpelz“ bezeichnet einen Mantel aus ungefärbtem gewachsenem Schafs- und Lammfell, dessen Lederseite nach außen gekehrt und mit Lederapplikationen und Stickerei verziert ist.
Mäntel dieser Art waren lange Zeit fester Bestandteil der bäuerlichen Kirchgangstracht der Siebenbürger Sachsen, einer deutschsprachigen Ethnie, die ab dem 12. Jahrhundert in Siebenbürgen im heutigen Rumänien siedelte. Das geregelte Neben- und Miteinander mit den anderen dort lebenden Gruppen (Rumänen, Ungarn, Roma etc.) prägte die Sachkultur nachhaltig. Dabei stand der Bereitschaft zu offenem Austausch stets auch das Bedürfnis nach Abgrenzung und sichtbarer Differenzierung gegenüber. Der Kirchenpelz mit seinen verschiedenen Facetten spiegelt beides wider: Diese spezifische Art der Pelzkleidung war von den Ungarn entlehnt. Mit der Zeit bildete sich der typisch sächsische Pelz heraus. Andere Funktionen und Ansprüche erforderten andere Schnitte und Fellsorten. Der repräsentative Pelz vermittelte nach außen Wohlstand, Würde und gesellschaftliche Präsenz. Ornamentik und Farbgebung des gezeigten Frauenpelzes verweisen wiederum auf den ungarischen, die arabesken Lederapplikationen auf den orientalischen Einfluss.
Fertigung
Für die Herstellung eines Kirchenpelzes war in Siebenbürgen der Weißkürschner zuständig. Alle Arbeitsschritte vom Gerben des Fells bis zur Endfertigung des Mantels führte er in seiner Werkstatt aus. Das Zurichten der Felle sowie die Hilfsarbeiten bei der Montage des Besatzleders und der Teilstücke zählten zu den Aufgaben der Lehrjungen und Gesellen. Die entscheidenden Arbeiten wie Zuschnitt, Entwurf der Applikations- und Stickmuster und das Sticken selbst waren einzig dem Meister vorbehalten. Mit der dreischneidigen Nadel spaltete er das Leder, durchstach es aber nicht. Ein Pelz forderte bis zur Endfertigung mehr als zwei Wochen Arbeit. Der Preis für einen neuen Kirchenpelz entsprach etwa dem Jahreslohn einer Magd. Allein das Otterfell für den Kragenbesatz mancher Mäntel war eine Kuh wert.
Kleiderordnung
Den Kirchenpelz legte man einzig zum Kirchgang an und zu allen kirchlichen Feiern außerhalb des Gotteshauses wie Hochzeit, Beerdigung etc. Solange man den Pelz trug, war sogar das Rauchen oder Trinken untersagt. Jeglicher Regelverstoß wurde mit einem Bußgeld geahndet, das man an die Nachbarschaft bzw. die Schwester- und Bruderschaften entrichtete. Den Kirchenpelz bekamen die Sachsen meist zur Konfirmation, spätestens zur Hochzeit. Mehr als allen anderen Kleidungsstücken kam ihm die Qualität eines konfessionellen, ethnischen und lokalen Abzeichens zu, das die Gemeinschaft der Siebenbürger Sachsen nach außen eindrücklich bekundete. Zugleich bestärkte das einheitliche Erscheinungsbild das eigene Selbstverständnis als Ethnie.
Mantel im neuen Kontext
Bei der Aussiedlung nach Deutschland brachten viele Sachsen ihren Kirchenpelz mit. Sie mussten jedoch bald feststellen, dass der Pelz nicht angeraten war beim Kirchgang in der neuen Heimat. Die Trageanlässe beschränken sich heute – deutlich außerhalb des kirchlichen Rahmens – zumeist auf Trachtenumzüge, zur Bekundung ihrer ethnischen, bisweilen auch der lokalen Identität. Etliche Sachsen aber überführten ihre Kirchenpelze nicht in die neue Heimat. Sie setzten sie in der alten Heimat bei: in einem Grab, im Fluss oder im Feuer. Diese ungewöhnliche Art der Vernichtung und Bestattung mag Außenstehende befremden. Für die ausreisenden Sachsen war sie ein symbolischer Akt der Abschiednahme von den traditionellen Formen ihrer ortsgebundenen Identität.
@ grumpes
schrieb am 14.06.2012, 21:16 Uhr (am 14.06.2012, 21:22 Uhr geändert).
Im Nachhinein muß ich über den so genannten "Brostpēlz" (Brustpelz) lachen.
Außenstehende werden an irgendwelche stark an der Brust behaarten Männer denken :D

P.S. Für nicht Eingeweihte :
Der "Brostpēlz" war in Wirklichkeit eine Weste mit dem Tierpelz (Schaf) nach innen verarbeitet.
getkiss
schrieb am 14.06.2012, 23:05 Uhr
Hoppla, der Sachs hat die Kirchenpelz-Idee vom Ungarn? Siehe Zitat:
Diese spezifische Art der Pelzkleidung war von den Ungarn entlehnt.

Aua, bitte nicht steinigen!
iahim
schrieb am 14.06.2012, 23:59 Uhr
Eher von den „Orientalen“.

Siehe Zitat: „die arabesken Lederapplikationen auf den orientalischen Einfluss.“

Bitte auch nicht steinigen!
Mynona
schrieb am 15.06.2012, 07:54 Uhr
Ornamentik und Farbgebung des gezeigten Frauenpelzes verweisen wiederum auf den ungarischen, die arabesken Lederapplikationen auf den orientalischen Einfluss.

In der Mode lässt man sich halt immer inspirieren,sonst ist sie langweilig :-)
Anchen
schrieb am 15.06.2012, 08:55 Uhr

In Ungarn wurden die „Bundas" wegen des Gestankes verboten.

Bunda
getkiss
schrieb am 15.06.2012, 11:30 Uhr
Klar Anchen, Sachsenpelze heissen nicht "Bundas"
Anchen
schrieb am 15.06.2012, 13:46 Uhr

@getkiss Hab' ich auch nicht geschrieben.
@ grumpes
schrieb am 15.06.2012, 13:54 Uhr (am 15.06.2012, 13:57 Uhr geändert).
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getkiss
schrieb am 15.06.2012, 15:48 Uhr (am 15.06.2012, 15:50 Uhr geändert).
Herrlich!
Danke, @grumpes!
Schade nur, irgendwie schaut´s nach gemalten Bildern aus dem Museum aus!

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